OGH 3Ob577/53

OGH3Ob577/5316.12.1953

SZ 26/304

Normen

VersVG §38
VersVG §38

 

Spruch:

Keine Haftung des Versicherers, wenn bei Erwerb der versicherten Sache durch einen Dritten im Zeitpunkte des Schadenseintrittes die Erstprämie weder vom Erstversicherten noch vom Erwerber, mag dieser hievon auch keine Kenntnis gehabt haben, bezahlt war.

Die Ablehnung der Zahlung für einen Versicherungsfall wegen Nichtzahlung der Prämie nach § 38 VersVG. läßt das Versicherungsverhältnis und die Prämienzahlungspflicht unberührt.

Entscheidung vom 16. Dezember 1953, 3 Ob 577/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.

Text

Die Klägerin hat vorgebracht, sie habe anfangs Juli 1952 von Hans M. einen Personenkraftwagen gekauft, der bei der beklagten Partei gegen Havarie versichert war. Sie habe mit Schreiben vom 22. Juli 1952 den Versicherungsvertrag aufgekundigt, worauf die beklagte Partei unter Berufung auf § 70 VersVG. mit dem Schreiben vom 11. August 1952 den Vertrag kundigte. Dieser sei am 13. August 1952 erloschen. Am 6. September 1952 sei der Kraftwagen beschädigt worden. Die beklagte Partei verweigere die Zahlung der Versicherungssumme mit der Begründung, daß Hans M. am 6. September 1952 die erste Prämie nicht bezahlt hatte. Da die beklagte Partei nach dem Schadensfalle an M. wegen Zahlung der Prämie herangetreten ist und M. Zahlung geleistet hat,durfte die beklagte Partei sich nicht auf § 38 VersVG. berufen. Außerdem hafte die beklagte Partei, weil sie es unterlassen habe, der Klägerin die Nichtbezahlung der Prämie bekanntzugeben.

Das Gericht erster Instanz hat mit Zwischenurteil erkannt, daß der Klageanspurch nicht zu Recht bestehe, da die erste Prämie zur Zeit des Schadensfalles unbestrittenermaßen nicht bezahlt war und daher gemäß § 38 Abs. 2 VersVG. kein Anspruch gegen die beklagte Partei geltend gemacht werden könne. Es sei Sache der Klägerin gewesen, sich beim Erwerbe des Kraftwagens Gewißheit darüber zu verschaffen, ob die Prämie bezahlt war.

Das Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt mit der Begründung auf, daß die Sache nicht spruchreif sei. Habe die Klägerin mit sofortiger Wirkung gekundigt, stehe ihr kein Anspruch zu. Im Falle einer Kündigung zum Ende der Versicherungsperiode habe die Klägerin der beklagten Partei damit zu verstehen gegeben, daß sie das Versicherungsverhältnis des Veräußeres M. für ein normales Versicherungsverhältnis hielt. Die beklagte Partei wäre dann nach Treu und Glauben im redlichen Verkehre verpflichtet gewesen, diesen Irrtum der Klägerin unverzüglich aufzuklären und in der Gegenkündigung darauf hinzuweisen, daß auf das Versicherungsverhältnis mit dem Veräußerer wegen Nichtzahlung der Prämie die Bestimmungen des § 38 VersVG. zur Anwendung kommen. Sollte sich ergeben, daß die Klägerin vom Zahlungsverzuge des Veräußerers weder wußte noch wissen mußte und auch in der Gegenkündigung nicht darauf aufmerksam gemacht wurde, dann sei sie in einem Irrtum befangen gewesen, der der beklagten Partei offenbar auffallen mußte, von ihr aber nicht rechtzeitig aufgeklärt wurde. Die beklagte Partei hätte demnach der Klägerin angemessene Vergütung zu leisten, d. h., den Versicherungsvertrag so zu erfüllen, als wäre die Rechtsfolge des § 38 VersVG. nicht eingetreten.

Es sei daher festzustellen, ob die Kündigung der Klägerin mit sofortigerWirkung oder auf den Schluß der Versicherungsperiode erfolgte, ob die Gegenkündigung einen Hinweis auf den Prämienzahlungsverzug enthielt, schließlich ob der Klägerin bis 10. Oktober 1952 tatsächlich unbekannt war oder bei normaler Aufmerksamkeit unbekannt sein konnte, daß der Erwerber die Prämie bis 6. September 1952 nicht bezahlt hatte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Durch den Erwerb der versicherten Sache tritt der Erwerber in das Versicherungsverhältnis ein (§ 69 Abs. 1 VersVG.). Er muß das Versicherungsverhältnis in der Lage annehmen, in der es sich befindet (OGH., 10. Jänner 1951, VersR. 1951 S. 140). Da im Zeitpunkte des eingetretenen Schadens die Erstprämie noch nicht gezahlt war, haftete die Beklagte für den Schaden nicht. Das bedeutet aber nicht, daß in diesem Zeitpunkt das Versicherungsvertragsverhältnis, in das die klagende Partei eingetreten ist, infolge Nichtzahlung der Prämie bereits erloschen war. Es erlosch vielmehr erst drei Monate nach Ausfolgung der Polizze an den Veräußerer. Bis dahin konnte die beklagte Partei das Versicherungsverhältnis durch Einklagung der Prämie aufrechthalten

u. zw. auch dann, wenn sie infolge Nichtzahlung der Erstprämie für einen inzwischen eingetretenen Schaden nicht in Anspruch genommen werden konnte (§ 38 Abs. 1 VersVG.). Die Ablehnung der Zahlung für einen Versicherungsfall wegen Nichtzahlung der Prämie nach § 38 VersVG. läßt das Versicherungsverhältnis und die Prämienzahlungspflicht unberührt. Die beiderseitigen Kündigungen hatten daher, da die Erstprämie bis zum Schadensfalle nicht bezahlt war, nur eine Bedeutung für das Ende des Versicherungsverhältnisses - sofern es nicht bereits vorher gemäß § 38 Abs. 1 VersVG. erloschen war -, sind aber für die Frage der Haftung der Beklagten ohne Bedeutung.

Auch die nachträgliche Zahlung der Prämie für die Zeit bis zum Außerkrafttreten der Versicherung infolge der Kündigung ist ohne Bedeutung, weil eine Zahlung nach Eintritt des Versicherungsfalles die Haftung nicht rückwirkend begrundet.

Irrelevant ist endlich, daß die Prämienzahlung offenbar erst nach Ablauf der drei Monate des § 38 VersVG. erfolgt ist, ohne daß der Versicherer fristgerecht die Prämienklage erhoben hatte. Das hat nur zur Folge, daß der Zahlende die für den durch Rücktritt nach § 38 VersVG. aufgelösten Versicherungsvertrag - also ohne Rechtsgrund - erhaltene Prämie abzüglich der angemessenen Geschäftsgebühr nach § 40 VersVG. zurückhaben kann. Auch eine Verpflichtung, den Erwerber von der Nichtzahlung der Prämie zu verständigen, besteht nicht, gemäß dem Grundsatze, daß dem Versicherer durch den Eintritt des Erwerbers keine neuen Pflichten erwachsen und er nach § 38 VersVG. zur Einmahnung der ersten Prämie nicht verpflichtet ist, also weder gegenüber dem Veräußerer noch dem Erwerber. Die Sache ist demnach spruchreif, wie immer das Kündigungsschreiben der klagenden Partei gelautet hat; in allen Fällen ist das Klagebegehren abzuweisen. Es war daher dem Rekurse

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