OGH 3Ob645/53

OGH3Ob645/5318.11.1953

SZ 26/284

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1053
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1054
HGB §373
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1053
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1054
HGB §373

 

Spruch:

Nach Handelsrecht kommt auch, wenn der Preis nicht vereinbart ist und kein behördlicher Markt- oder kundenüblicher Preis besteht, beim Vorhandensein des Kaufwillens auf beiden Seiten ein Kaufvertrag zustande; es ist in einem solchen Fall ein angemessener Preis zu entrichten.

Entscheidung vom 18. November 1953, 3 Ob 645/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Ravelsbach; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg.

Text

Der Kläger verlangt vom Beklagten die Bezahlung von 2680 S für eine Spiegelglastafel, die sich der Beklagte im Jahre 1946 eigenmächtig angeeignet habe. Im Zuge des Verfahrens erklärte der Kläger, sein Begehren in eventu auch auf den Rechtsgrund der Lieferung auf Bestellung zu stützen.

Die beklagte Partei wendet u. a. ein, daß der vom Kläger begehrte Betrag zu hoch sei.

Mit Urteil ONr. 15 hat das Erstgericht dem Kläger einen Betrag von 279.72 S samt 5% Zinsen seit 1. Jänner 1949 zugesprochen und hat das Mehrbegehren abgewiesen. Das Gericht stellte fest, daß der Kläger im Spätsommer oder Herbst 1945 dem Beklagten auf Bestellung eine Spiegelglastafel geliefert habe, und beurteilte die Lieferung als Kaufvertrag. Der zugesprochene Betrag entspricht dem vom Erstgericht auf Grund eines Gutachtens des Sachverständigen angenommenen Stoppreis.

Infolge Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes in seinem abweisenden Teil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Das Erstgericht hat nunmehr mit Urteil ONr. 26 den Beklagten schuldig erkannt, außer dem dem Kläger bereits rechtskräftig zugesprochenen Betrag von 279.72 S samt 5% Zinsen seit 1. Jänner 1949 noch 4% Zinsen von dem genannten Betrag ab 1. Feber 1946 bis 31. Dezember 1948 zu bezahlen und hat das Mehrbegehren wieder abgewiesen.

Zusätzlich zu den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen aus dem ersten Urteil ONr. 15 stellte das Erstgericht noch fest, daß der Kläger dem Beklagten Ende Dezember 1948 eine Faktura übermittelt habe, die vom Beklagten nicht beanstandet wurde. Es erklärte, daß eine Feststellung des vom Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluß für klärungsbedürftig erachteten Umstandes, ob das Gespräch wegen Lieferung der Tafel im Laden, im Hof oder sonstwo beim Kläger stattgefunden habe, nicht möglich sei. Schließlich stellte das Erstgericht noch fest, daß der Beklagte bei der Erteilung des Auftrages zum Einschneiden der Tafel in ein Auslagenfenster seines Hauses redlich gehandelt habe.

Infolge Berufung der klagenden Partei hat das Berufungsgericht die beklagte Partei zusätzlich zur Zahlung eines Betrages von 968.61 S samt 5% Zinsen ab 1. Feber 1946 und 1% Zinsen von 279.72 S vom 1. Feber 1946 bis 31. Dezember 1948 verurteilt.

Das Urteil des Berufungsgerichtes ging bei dem Zuspruch eines weiteren Betrages von 958.61 S davon aus, daß in der in Betracht kommenden Zeit der übliche Preis für Spiegelglastafeln 370 S bis 420 S je Quadratmeter betrug und daß es sich bei der Scheibe, die der Beklagte einschneiden ließ, um eine alte Scheibe gehandelt hat, für die nach einer Auskunft der Kammer der gewerblichen Wirtschaft ein Abschlag von 20 bis 50% des Neupreises zu machen ist. Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen beider Streitteile nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die beiden Vorinstanzen sind davon ausgegangen, daß zwischen den Streitteilen ein Kaufvertrag zustandegekommen sei und die beklagte Partei ein Entgelt nach den Grundsätzen des Kaufrechtes zu bezahlen habe. Die klagende Partei wendet sich in ihrer Revision gegen diese Rechtsauffassung, macht geltend, daß von einem üblichen Preis wegen des Mangels an Ware zur Zeit der Lieferung nicht gesprochen werden könne, und bestreitet aus diesem Gründe das Zustandekommen eines Kaufes. Es sei daher der Anspruch des Klägers nicht als die Forderung aus einem Kaufvertrag, sondern als ein Kondiktionsanspruch zu beurteilen.

Mit dieser Argumentation hätte die klagende Partei Recht, wenn die Rechtsbeziehungen der beiden Streitteile nach bürgerlichem Recht zu beurteilen wären. Denn eine Preisvereinbarung ist nicht zustandegekommen, von einem Ladenpreis kann keine Rede sein. Wie das Berufungsgericht aber zutreffend ausgesprochen hat, liegt hier ein Handelsgeschäft vor. Die Vorschrift des § 1054 ABGB. über die Bestimmtheit des Kaufpreises gilt für den Bereich des Handelsrechtes nicht, da für den Handelskauf ein abweichender Handelsbrauch besteht (vgl. 1 Ob 140/52; 1 Ob 313/53 u. a. m.). Das Berufungsgericht ist auf Grund der Auskunft des Bundesministeriums für Inneres von einem ortsüblichen Preis ausgegangen. Mit der Annahme eines ortsüblichen Preises steht nun allerdings die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung in Widerspruch, daß nach der Auskunft der Glaserinnung und dem Gutachten des Sachverständigen derartige Spiegelglastafeln "damals" kaum zu haben waren. Sind solche Tafeln aber "damals" nicht gehandelt worden, so gibt es keinen ortsüblichen Preis, mag man den Begriff des Ortes auch noch so weit stecken, wobei insbesondere auch zu berücksichtigen ist, daß es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes nicht um eine neue, sondern um eine gebrauchte Spiegelglastafel gehandelt hat und nach der Auskunft der Glaserinnung der Preis gebrauchter Spiegelglastafeln 20 bis 50% des Preises neuer Tafeln beträgt. In Anbetracht dieser weiten Spanne kann von einem üblichen Preis nicht die Rede sein. Nach Handelsrecht kommt aber auch dann, wenn der Preis nicht vereinbart ist, auch kein behördlicher Preis, kein Marktpreis oder kundenüblicher Preis besteht, doch beim Vorhandensein des Kaufwillens auf beiden Seiten ein Kaufvertrag zustande; es ist in einem solchen Fall ebenso wie nach dem Recht des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches und des schweizerischen Obligationenrechtes ein angemessener Preis zu entrichten. In einem solchen Fall müssen die Grundsätze des § 1152 ABGB. über die Entrichtung eines angemessenen Entgelts suppletorisch herangezogen werden. Der Oberste Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, daß der vom Berufungsgericht nach § 273 ZPO. bestimmte Preis diesen Grundsätzen entspricht.

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