Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1438
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1440
EO §35
ZPO §391
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1438
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1440
EO §35
ZPO §391
Spruch:
Gegenforderungen, die der Verpflichtete schon in dem Verfahren zur Entstehung des Exekutionstitels aufrechnungsweise einwenden konnte, können nicht mehr mit Oppositionsklage geltend gemacht werden, auch wenn es zum Entstehen der Gegenforderung einer Willenserklärung bedarf (Verlangen von Geldersatz).
Entscheidung vom 8. Oktober 1953, 1 Ob 768/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Wels; II. Instanz: Kreisgericht Wels.
Text
Das Erstgericht hat auf das auf § 35 EO. gestützte Klagebegehren, welches darauf gegrundet wurde, daß der Kläger erst nach Entstehung des dem Exekutionsverfahren zugrunde liegenden Titels in Kenntnis einer Gegenforderung von 2390 S gelangt sei, abgewiesen.
Es wurde folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:
Nachdem zur Hereinbringung des Betrages von 1510 S samt Anhang mit Beschluß vom 17. Juni 1952 des Bezirksgerichtes Wels die Exekution bewilligt worden war, behauptete der Kläger, daß er erst nach Entstehung dieses Exekutionstitels von der Gegenforderung von 2390 S erfahren habe, durch die der vollstreckbare Anspruch erloschen sei.
Im Jahre 1950 bis Frühjahr 1951 hat der Kläger in Bad Sch. für den Beklagten ein Haus erbaut. Während der Wintermonate 1950 auf 1951 ist das halbfertige Haus eingerüstet geblieben und wurde ein Teil des nicht verwendeten Gerüst- und Abfallholzes in den Keller des Baues geschafft. Bei Wiedereröffnung der Arbeiten im Frühjahr 1951 stellte sich heraus, daß ein Teil des im Keller verwahrten Gerüst- und Abfallholzes fehlte.
Während der Bauarbeiten im Herbst 1950 hat gelegentlich der Beklagte Abfallholz für seine Zwecke verheizt. Die Gesamtmenge des über den Winter im Keller gelagerten Holzes hatte 3 m3 betragen, von dem im Frühjahr 1951 nur etwa die Hälfte mehr vorhanden war. Der Beklagte hat während des Winters Bauarbeiten durchgeführt und hiezu 4 Mörtelschaffeln des Klägers verwendet, wobei diese durch unsachgemäße Verwendung unbrauchbar geworden sind.
Als im Frühjahr 1951 das Gerüst- und Abfallholz vom Bau in Bad Sch. nach W. weggeschafft worden ist, hat der Kläger davon Kenntnis erhalten, daß Abfallholz abhanden gekommen ist und Bauwerkzeuge beschädigt worden sind. Von diesem Abhandenkommen des Holzes bzw. der Beschädigung von Werkzeugen hat der Kläger nicht erst im Juli 1952 anläßlich der Kontrolle über die Holzrückstände, sondern bereits im Frühjahr 1951, somit vor Entstehen des dem Exekutionsverfahren zugrunde liegenden Titels, erfahren. Am 27. Juni 1951 wurde zwischen den Streitteilen ein außergerichtlicher Vergleich abgeschlossen, in welchem der Kläger erklärte, daß er gegen den Beklagten nach Zahlung eines Betrages von 73.000 S, die auf der Liegenschaft, wo der Bau ausgeführt wurde, sichergestellt worden waren, keine wie immer geartete Forderung habe.
In rechtlicher Hinsicht stellte sich das Erstgericht auf den Standpunkt, daß dem Kläger der Beweis dafür, daß er von der von ihm behaupteten Gegenforderung erst nach Entstehung des Exekutionstitels des Bezirksgerichtes W. Kenntnis erlangt hat, nicht gelungen sei, weshalb das Klagebegehren abzuweisen gewesen sei.
Aber auch das Bestehen der Gegenforderung sei zu verneinen, wie sich aus dem am 27. Juni 1951 zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vergleich ergäbe, in welchem die Forderung des Klägers mit 73.000 S festgesetzt und festgestellt worden sei, daß darüber hinaus dem Kläger keine wie immer geartete Forderung gegen den Beklagten zustehe.
Wenn der Kläger demgegenüber behaupte, daß mit diesem Vergleich nur die Kosten der Bauführung gemeint gewesen seien, nicht aber die gegenständliche Schadenersatzforderung, so müsse wohl aus dem Inhalt des Vergleiches geschlossen werden, daß damit alle Forderungen, die aus der Bautätigkeit des Klägers herrühren, verglichen worden seien.
Im übrigen verwies das Erstgericht noch darauf, daß dem Kläger ein Beweis dafür nicht gelungen sei, daß es der Beklagte gewesen sei, der die fehlende Holzmenge während des Winters beiseite geschafft habe.
Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung hat das Berufungsgericht Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zurückverwiesen.
Das Berufungsgericht führte aus, daß es zwar richtig sei, daß auf die den Anspruch aufhebenden Tatsachen, die im Vorprozeß vorgebracht werden konnten, eine Oppositionsklage nach § 35 EO. nicht gestützt werden könne. Hiebei müsse es sich aber um Tatsachen handeln, die den Anspruch selbst betreffen, also um Einwendungen gegen den Anspruch selbst, nicht aber um kompensable Gegenforderungen, bei denen es im Belieben des Klägers stehe, wann er von der Kompensation Gebrauch machen wolle. Da die Gegenforderungen des Klägers überdies primär solche auf Rückstellung von Materialien gewesen seien, sodaß es zu deren Umwandlung in eine Schadenersatzforderung einer entsprechenden Erklärung des Klägers bedurft habe, sei die gegenständliche Kompensationsforderung erst durch die Aufrechnungserklärung des Klägers existent geworden. Es sei daher im Belieben des Klägers gestanden, wann er diese Erklärung abgeben wolle. Eine Verpflichtung, diese Forderung bereits im Vorprozeß einredeweise geltend zu machen, habe aber nicht bestanden, weshalb deren Geltendmachung erst im Stadium der Exekutionsführung im Wege der Klage nach § 35 EO. nicht als verspätet erklärt werden könne, selbst wenn die hier zugrunde liegenden Tatsachen dem Kläger bereits vor Entstehung des Exekutionstitels bekannt gewesen seien. Da das Erstgericht hinsichtlich der Gegenansprüche des Klägers nicht nur keine ausreichenden, sondern auch widersprechende Feststellungen getroffen habe, indem es einerseits als erwiesen angenommen hat, daß der Beklagte Abfallholz verheizt habe, anderseits darauf verwiesen habe, daß ein Beweis dafür nicht gelungen sei, daß der Beklagte die fehlende Holzmenge beiseite geschafft hätte, sei die Aufhebung des angefochtenen Urteils begrundet.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgerichte die neuerliche Verhandlung und Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wie der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen SZ. VII/191, XII/49, 1 Ob 623/51, 1 Ob 258/52, 3 Ob 336/52 zum Ausdruck gebracht hat, können einem gerichtlichen Exekutionstitel im Wege der Oppositionsklage den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsachen entgegengesetzt werden, von denen der Verpflichtete im vorausgegangenen Verfahren nicht wirksam Gebrauch machen konnte, sei es, daß sie erst in einem Zeitpunkt entstanden, der dem Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nachfolgte, sei es, daß sie zwar früher entstanden sind, der Verpflichtete aber erwiesenermaßen erst nach Schluß der Verhandlung davon Kenntnis erlangt hat und ihm die Unterlassung der Einwendung nicht zum Verschulden gereicht. Der Oberste Gerichtshof hat daher z. B. die Aufrechnung von Gegenforderungen auch dann zugelassen, wenn sie nicht nur aus subjektiven Gründen im Titelprozeß unmöglich war (SZ. XV/128), sondern auch wenn dies aus objektiven nicht möglich gewesen ist (RZ. 1936, S. 173). Er hat darüber hinaus in der Entscheidung Anwaltszeitung 1930 S. 77 ausgesprochen, die Kompensation könne stets dann mit Oppositionsklage geltend gemacht werden, wenn deren Geltendmachung im vorausgegangenen Verfahren nicht möglich war.
Wenn das Gericht zweiter Instanz in diesem Zusammenhang die Ansicht vertritt, daß es sich hiebei um Tatsachen handeln müsse, die den Anspruch selbst betreffen, nicht aber um kompensable Gegenforderungen, bei denen es im Belieben des Oppositionsklägers steht, wann er von der Kompensation Gebrauch machen will, kann dieser Meinung nicht gefolgt werden.
Die Tatsachen, auf die sich der Kläger in der Oppositionsklage beruft, müssen keineswegs mit dem im Exekutionsweg geltend gemachten Anspruch in einem Zusammenhang stehen, sondern es genügt, wenn der Oppositionskläger eine Gegenforderung, die sich zur Kompensation eignet, geltend macht.
Im übrigen kann dem vom Berufungsgericht dargelegten Standpunkt, daß das bloße Gegenüberstehen aufrechenbarer Forderungen nur das Recht auf Kompensation begrunde, während zu ihrem Eintritt noch die Erklärung hinzutreten müsse, daß von der Aufrechnung Gebrauch gemacht werde, weshalb eine derartige Gegenforderung in der Oppositionsklage geltend gemacht werden könne, wenn auch die Tatsachen, auf die sich die Aufrechnung stützt, bereits vor Entscheidung des Exekutionstitels bekannt gewesen seien, nicht gefolgt werden.
Die Frage, ob die Aufrechnung noch im Oppositionsprozeß nachgeholt werden kann, wenn sie im Hauptprozeß versäumt wurde, ist seit einem Jahrhundert streitig. Schon Pratobevera, Materialien 7, 381 f., und Staudinger, Z. für Rechtsgelehrsamkeit 1835 I 286, haben diese Frage behandelt und bejaht. Unter der Herrschaft des neuen Zivilprozeßgesetzes ist das Problem nicht minder aktuell geblieben. Die Zulässigkeit der Oppositionsklage bejahen Pollak, System des Zivilprozeßrechtes S. 892; Neumann - Lichtblau, Kommentar zur EO. 3. Auflage S. 171; Wroblewski, Anmerkung 5 zu § 1438 ABGB. S. 1311 f., GIU. 8766, 9988; Brünn, Slg. OG. 6, 3539, dagegen verneinend Walker - Jaitner, Österreichisches Exekutionsrecht 3. Auflage S. 101, Karplus, Über die Kompensation vollstreckbarer Forderungen in JBl. 1902, S. 313, 350, Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse 6. Auflage, S. 317, der jedoch in Auflage 7 diese Ansicht nicht mehr aussprach, Mayr, Lehrbuch III 161 Anmerkung 9; GIU. 9012, 12.505 SZ. VI/145.
Schließt man sich der Auffassung an, daß in unserem Rechte der Satz "ipso jure compensatur" gilt, so ist die Lösung des Problems im Sinne der Verneinung der aufgeworfenen Rechtsfrage zweifellos. Daß sie aber auch auf dem Boden der entgegengesetzten Lehre möglich ist, beweist der Stand der Literatur und Judikatur in Deutschland, wo, obwohl dort zweifellos die Aufrechnung einseitige Willenserklärung ist, die Anschauung ganz überwiegend vorherrscht, daß die Aufrechnung im Wege der Vollstreckungsgegenklage unzulässig ist, wenn im Hauptprozeß hätte aufgerechnet werden können (vgl. die Zusammenstellung bei Stein - Jonas, 13. Auflage II 532, Anmerkung 54).
Wenn auch zugegeben werden muß, daß in der Rechtsprechung die verschiedenen Standpunkte vertreten wurden, so insbesondere in der Entscheidung ZBl. 1929/118, so hat schon Pollak in der Bemerkung zu der obgenannten Entscheidung auf die Unrichtigkeit dieser Rechtsansicht hingewiesen (Zivilprozeßrechtliche Streitfragen von Petschek, S. 182), da, ohne auf das Wesen der Aufrechnung nach österreichischem Recht eingehen zu müssen, beim Tatbestand der Oppositionsklage es allein darauf ankommt, wann die Umstände entstanden sind, die den Tatbestand der Einwendungen bilden, und es gleich gilt, ob nach materiellem Recht die Rechtswirkung unmittelbar an den Tatbestand geknüpft ist oder erst durch eine hinzukommende Willenserklärung ausgelöst werden muß (Wahle in Rsp. 1926 zu Nr. 120). Auch der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung SZ. VI/145 und in späterer Zeit in der Entscheidung SZ. XV/245 (EvBl. 576/34) dieselbe Rechtsansicht vertreten.
Denn es kann nicht in das Belieben des Klägers gestellt sein, erst im Oppositionsprozeß sich darauf zu berufen, daß er nach Entstehung des Exekutionstitels die Kompensationserklärung abgegeben hat. Wenn auch sicher keine Verpflichtung zur Geltendmachung der Kompensation besteht, so hat der Kläger dadurch, daß er im vorausgegangenen Verfahren die rechtliche Einwendung der Kompensation unterläßt, seinen Entschluß, nicht kompensieren zu wollen, zum Ausdruck gebracht und kann hievon nicht mehr abgehen (GlUNF. 7012). Zumindest knüpft sich an diese Unterlassung vermöge der Bestimmung des § 35 EO. die Präklusion des Aufrechnungsrechtes. Wäre es zulässig, daß der Verpflichtete die Oppositionsklage auf Grund einer, gleichgültig wann, entstandenen Gegenforderung erhebt, so wäre dadurch in vielen Fällen die Möglichkeit einer mutwilligen Verschleppung der Exekutionsführung gegeben. Es muß daher vielmehr gefordert werden, daß der Verpflichtete im Verfahren, welches zum Exekutionstitel führt, seine Kompensationsansprüche geltend macht, sofern er dies kann, das heißt, sofern die Tatsachen, die die Möglichkeit der Kompensation begrunden, in diesem Stadium schon gegeben und ihm schon bekannt sind (3 Ob 1169/27). Dies will auch § 35 EO. besagen, wenn dort der Zeitpunkt für maßgebend erklärt wird, bis zu welchem der Verpflichtete von den Anspruch aufhebenden Tatsachen wirksam Gebrauch machen konnte (SZ. XV/245).
Es kommt daher im Sinne des § 35 EO. nicht darauf an, wann der Oppositionskläger eine Willenserklärung zur Erhebung der Kompensationseinrede abgibt, sondern es sind allein die Tatsachen maßgebend, die die Grundlage zur Erhebung der Einrede der Gegenforderung bildeten. Dies gilt auch für den Anspruch auf Geldersatz an Stelle des Naturalersatzes.
Wenn dem Kläger diese Tatsachen hinsichtlich der Gegenforderung bereits im Frühjahr 1951 bekannt gewesen sind, ist der Kläger mit der Erhebung der Einrede im Oppositionsprozeß präkludiert.
Aus diesen Erwägungen erscheint daher die Rechtssache spruchreif, wenn es dem Kläger möglich gewesen ist, in dem Rechtsstreit C 542/52 des Bezirksgerichtes W. die Einrede der Kompensation zu erheben. Daß der Kläger in diesem letzteren Verfahren nicht erschienen ist, sodaß gegen ihn ein Versäumungsurteil gefällt wurde, betrifft Umstände, die der Kläger allein zu verantworten hat (RZ. 1935, S. 56).
Das Berufungsgericht hat aber zu den erstrichterlichen Feststellungen, wonach der Kläger schon im Rechtsstreit C 542/52 die Gegenforderungen aufrechnungsweise geltend machen konnte, bisher noch nicht abschließend Stellung genommen.
Aus diesen Erwägungen war daher dem Rekurs Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Gericht zweiter Instanz die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
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