Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1170a
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1170a
Spruch:
Unterläßt der Unternehmer die unverzügliche Verständigung des Bestellers darüber, daß er den Voranschlag überschreiten müsse, verliert er jeden Mehranspruch.
Entscheidung vom 23. September 1953, 2 Ob 483/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.
Text
Der Kläger hat für das Grab der Mutter des Beklagten auf dessen Bestellung ein Grabmal mit Sockel und Grabeinfassung hergestellt. Bei der Bestellung im Herbst 1946 veranschlagte der Kläger die Kosten mit zirka 1850 S. Mit der Behauptung, daß infolge der in der Zeit von der Bestellung bis zur Lieferung (Herstellung) eingetretenen Lohnerhöhungen der angemessene Preis für das Werk auf 3080 S gestiegen sei, begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Unterschiedes zwischen dem bezahlten Betrag von 2035 S und dem vollen Rechnungsbetrag von 3080 S, also zu 1054 S. Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat ihm stattgegeben.
Der Oberste Gerichtshof hat das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht ist auf Grund der Beweiswiederholung zum Ergebnis gekommen, daß ein Nachweis dafür, der Kläger habe außer der Auftragsbestätigung noch irgendwelche mündliche Zusagen bei Geschäftsabschluß gemacht, insbesondere eine solche, daß der Voranschlag unter ausdrücklicher Gewährleistung für seine Richtigkeit dem Vertrage zugrunde gelegt werden soll, nicht erbracht sei. Da beide Teile in ihrer Glaubwürdigkeit gleich zu werten seien, könne auch keine der divergierenden Parteiaussagen als Beweisunterlage dienen. Entscheidend für die rechtliche Beurteilung sei die Frage, ob das Grabmal mit einem Kostenvoranschlag unter ausdrücklicher Gewährleistung für seine Richtigkeit bestellt wurde oder bloß unter Zugrundelegung eines unverbindlichen Kostenvoranschlages. Das Wort "cirka" in der Auftragsbestätigung spreche für einen unverbindlichen Kostenvoranschlag, das Zustandekommen einer anderen Vereinbarung habe der Beklagte nicht beweisen können, ebensowenig eine Zusage der schnellstmöglichen Fertigstellung des bestellten Grabsteins. Der gegenständliche Sachverhalt sei infolgedessen nach der gesetzlichen Bestimmung des § 1170a Abs. 2 ABGB. zu beurteilen. Im Gegensatze zum Erstgerichte sei nun das Berufungsgericht der Meinung, daß die Nachforderung der Preiserhöhung auch dann berechtigt sei, wenn der Kläger die unverzügliche Benachrichtigung des Beklagten von jeder Preiserhöhung nicht nachweisen könne; denn § 1170a Abs. 2 ABGB. sehe die Pflicht des Lieferers zur Benachrichtigung des Bestellers nur bei einer Preisüberschreitung infolge Mehrarbeit, nicht aber bei einer Preiserhöhung auf Grund "gesetzlicher Anordnung" vor. Dem Beklagten als inländischen Kaufmann habe es infolge der laufend erfolgten Preisverlautbarungen über die Lohn- und Preisabkommen bekannt sein müssen, daß alle Löhne und Erzeugerpreise steigen und daher auch der vom Kläger erstattete Kostenvoranschlag notwendigerweise überschritten werden würde.
Der rechtlichen Würdigung des angefochtenen Urteils vermag sich das Revisionsgericht nicht anzuschließen. Keinem Zweifel kann es unterliegen, daß die Mehrforderung des Klägers eine beträchtliche Überschreitung des Voranschlages ohne Gewährleistung im Sinne des § 1170a Abs. 2 ABGB. zum Gegenstande hat. Damit bestand aber für den Kläger bereits die Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige an den Besteller, wenn anders er nicht jeden Anspruch auf das Mehr verlieren wollte. Auf die Gründe der Überschreitung des Voranschlages kommt es nicht an, insbesondere spielt es keine ausschlaggebende Rolle, ob die Überschreitung auf notwendige Mehrarbeiten oder auf ein Steigen der Rohstoffpreise und Löhne zurückgeht. Auch bei Aufstellung eines Voranschlages ohne Gewähr hat der Unternehmer nach den Forderungen der vertraglichen Treuepflicht dafür zu sorgen, daß er auch eingehalten wird. Die Folge der Unterlassung der unverzüglichen Anzeige ist der Verlust jedes Mehranspruches (Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, 1928, S. 516; Swoboda, Recht der Schuldverhältnisse, S. 311; Adler - Höller bei Klang 2. Aufl. zu § 1170a, S. 422). Die Tatsache des Abschlusses von Lohn- und Preisabkommen konnte der Beklagte allerdings den Verlautbarungen in Presse und Rundfunk entnehmen, nicht aber, daß damit eine beträchtliche Überschreitung des Kostenvoranschlages im Gegenstandsfalle verbunden ist. Daß und warum es sich hier um einen Werkvertrag handelt, obwohl der Kläger das Material selbst lieferte hat bereits das Erstgericht irrtumsfrei auseinandergesetzt, seine diesbezügliche Beurteilung ist auch von keiner Seite angezweifelt worden. Da der Beklagte dem Wort "cirka" in der Auftragsbestätigung durch eine 10%ige freiwillige Erhöhung des Werkpreises Rechnung getragen hat, der Kläger aber weder den Beweis für unverzügliche Benachrichtigung des Beklagten von der Unvermeidlichkeit der beträchtlichen Überschreitung des Kostenvoranschlages noch einen solchen für die Zustimmung des Beklagten zur Preiserhöhung erbringen konnte, war in Stattgebung der Revision das angefochtene Urteil abzuändern und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
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