Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §861
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §914
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §861
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §914
Spruch:
Eine nach Ablauf der in einem Versicherungsantrag vereinbarten Bindefrist des Versicherten diesem übermittelte Polizze ist als neuer Antrag zum Abschluß eines Versicherungsvertrages anzusehen.
Entscheidung vom 8. Juli 1953, 3 Ob 432/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Beklagte beabsichtigte, einen Personenkraftwagen im Autohaus St. gegen Kredit zu kaufen. Er war von vornherein damit einverstanden, den Kredit bei der Autokreditstelle aufzunehmen, mit der das Autohaus St. in Geschäftsverbindung stand. Er wurde vom Autohaus St. darauf aufmerksam gemacht, daß ein Beamter der Autokreditstelle kommen und Erkündigungen über seine Bonität einziehen werde. Er nahm dies mit der Erklärung zur Kenntnis, daß der betreffende Beamte ohne weiteres in das Geschäft seiner Frau kommen könne, wo ihm seine Frau die nötigen Auskünfte erteilen werde.
Am 16. Juli 1951 erschien nun Franz K., ein Beamter der klagenden Versicherungsgesellschaft, an die die oben erwähnte Autokreditstelle angeschlossen ist, im Geschäft der Gattin des Beklagten und nahm mit ihr einen Kreditantrag und den streitgegenständlichen Kraftfahrzeug-Versicherungsantrag auf, welche Anträge entweder von der Frau des Beklagten selbst oder mit ihrem Einverständnis von Franz K. mit der Geschäftsstampiglie des Beklagten versehen und von der Frau des Beklagten gefertigt wurden.
Der Antrag trägt unmittelbar vor der Unterschrift rechts unten den Vordruck "An diesen Antrag hält sich der Antragsteller durch 14 Tage bis zum (handschriftlich ausgefüllt mit 16. August) gebunden.
... den ... (handschriftlich ausgefüllt mit Wien, den 16. Juli 1951), Stampiglie und Unterschrift."
Der Autokredit wurde in der Folge dem Beklagten ausgezahlt. Erst nachhererhielt er die gegenständliche Versicherungspolizze von der Klägerin zugesandt, die er mit dem Schreiben vom 6. September 1951 mit der Bitte retournierte, es möge die Haftpflichtversicherungssumme von 200.000 S auf 100.000 S und die Vollversicherung von 60.000 S auf seinen Kreditbetrag von 25.000 S herabgesetzt werden. Gleichzeitig teilte er mit, daß der Wagen derzeit polizeilich noch nicht gemeldet sei. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 19. Oktober 1951, daß sie dem Ersuchen des Beklagten teilweise Rechnung trage, worauf dieser mit Schreiben vom 26. Oktober 1951 der Klägerin mitteilte, daß er für sie keinerlei Versicherungsantrag unterfertigt und daher die vom Verkäufer geschlossene Versicherung für den gegenständlichen Wagen weiterbehalten habe.
Dieser Sachverhalt ist im wesentlichen unbestritten und ergibt sich aus den Feststellungen der Untergerichte.
Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Bezahlung von 2861.20 S samt Anhang als Jahresprämie aus dem Kraftfahrzeug-Versicherungsvertrag, welches Begehren sie im Laufe des Prozesses auf 792.50 S samt Anhang einschränkte.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß die Gattin des Beklagten zum Abschluß des gegenständlichen Versicherungsvertrages nicht bevollmächtigt gewesen sei und daß der Beklagte den Vertrag auch nachträglich nicht genehmigt habe. Es könne auch auf Grund des äußeren Tatbestandes (Überlassen der Geschäftsstampiglie) das Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses nicht angenommen werden.
Auf die Berufung der klagenden Partei gab das Berufungsgericht nach Wiederholung der vom Erstrichter aufgenommenen Beweise dem eingeschränkten Klagebegehren statt. Auf Grund der von ihm als glaubwürdig befundenen Aussage des Zeugen Franz K. stellte das Berufungsgericht fest, daß der Zeuge sowohl der Gattin des Beklagten wie auch diesem selbst von der Notwendigkeit bzw. dem Abschluß des gegenständlichen Versicherungsvertrages Mitteilung gemacht habe und weiters, daß der Beklagte den Beamten der Autokreditstelle bzw. der klagenden Partei an seine Gattin gewiesen habe, damit sie mit diesem unterhandle, und daß er in diesem Zusammenhang ihr auch seine Geschäftsstampiglie überlassen habe. Aus dem Überlassen der Stampiglie könne füglich nur gefolgert werden, daß seine Gattin die zum Erwirken des Autokredites erforderlichen Schriftstücke damit versehen werde. Da der klagenden Partei bzw. ihrem Vertreter auch nach der Darstellung des Beklagten keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Befugnisse der Gattin des Beklagten mitgeteilt worden seien, konnte die klagende Partei mit Recht der Meinung sein, daß der Beklagte seine Gattin zu den für den Autokredit notwendigen Unterhandlungen und auch Abschlüssen (Stampiglie) bevollmächtigt habe. Als Bevollmächtigte habe sie aber gemäß § 1029 ABGB. auch die Macht gehabt, alles dasjenige zu tun, was das aufgetragene Geschäft erfordert und was gewöhnlich damit verbunden ist. Die Bewilligung eines Autokredites sei jedoch gerichtsbekanntermaßen mit dem Abschluß eines Kraftfahrzeug-Versicherungsvertrages verbunden. Die klagende Partei habe sonach mit Recht annehmen können, daß die Gattin des Beklagten namens desselben zum Stellen des Versicherungsantrages berechtigt war.
Aber auch wenn diese Annahme nicht zuträfe, so habe der Beklagte den gegenständlichen Versicherungsvertrag jedenfalls dadurch genehmigt, daß er nach Kenntniserlangung der strittigen Versicherung durch den Zeugen Franz K. den Versicherungsvertrag mit der Versicherungs A. G.
- bei welcher der Vorbesitzer den Wagen versichert hatte - zur Aufkündigung brachte. Anders könne das Verhalten des Beklagten nicht erklärt werden. Aus dem Schreiben des Beklagten gehe hervor, daß er sich grundsätzlich an die abgeschlossene Versicherung halte, jedoch nur eine Änderung der Versicherungssummen und damit offenbar der Prämien erreichen wollte. Erst als dieses Bestreben nur zum Teil gelang, habe er der Klägerin bekanntgegeben, daß er einen Versicherungsantrag nicht unterfertigt habe, mit der unrichtigen Behauptung, daß er die vom Verkäufer geschlossene Versicherung weiter behalten habe.
Zusammenfassend ergäbe sich also, daß der Beklagte, wenn nicht aus dem von ihm gesetzten äußeren Tatbestand heraus, so jedenfalls infolge Genehmigung der seitens seiner Gattin abgeschlossenen Versicherung der klagenden Partei die in der Klage geforderte und in ihrer Höhe nicht bestrittene Prämienzahlung zu leisten habe.
Der Oberste Gerichtshof stellte über Revision des Beklagten das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach dem Antrag wurde eine Bindefrist von 14 Tagen bis 16. August 1951 vereinbart. Obwohl die Unterschrift am 16. Juli 1951 geleistet wurde, die im Vordruck enthaltenen 14 Tage also lange vor dem 16. August 1951 abgelaufen wären, steht der Oberste Gerichtshof nicht an, diese Klausel dahin auszulegen, daß Beklagter bzw. seine Bevollmächtigte damit eine Bindung bis 16. August 1951 übernehmen wollte und daß nur irrtümlich im Vordruck die Worte "14 Tage" stehengeblieben sind. Wollte man den Versicherungsantrag anders auslegen, so hätte die Klägerin den Antrag postwendend annehmen müssen, was gar nicht behauptet wird.
Ist aber gültig vereinbart worden, daß bis längstens 16. August 1951 Beklagter gebunden sein sollte, so hätte die Annahme des Antrages dem Beklagten spätestens am 16. August I951 mitgeteilt werden müssen. Tatsächlich scheint aber der Versicherungsschein erst am 28. August 1951 an den Beklagten zugesendet worden zu sein.
Die Frage der Zustellung der Polizze kann aber offenbleiben. Ist sie demBeklagten spätestens am 16. August 1951 zugekommen, so hätte die Klägerin die Prämienklage gemäß § 38 VersVG. spätestens am 16. November 1951 einbringen müssen. Da sie sie erst am 26. November 1953 eingebracht hat, so ist zu fingieren, daß Klägerin vom Vertrag zurückgetreten ist. Sie kann daher eine Prämie überhaupt nicht mehr verlangen.
Ist aber die Polizze dem Beklagten erst nach dem 16. August 1951 zugegangen, so war das befristete Offert des Beklagten bereits erloschen; die Polizze kann in diesem Fall nur als Antrag gewertet werden. Da Beklagter diesen Antrag am 6. September 1951 abgelehnt hat, weil er nur eine niedrigere Prämie zahlen wollte, und in der Folge auch ein Abschluß nicht zustandegekommen ist, so fehlt es auch in diesem Fall an einem Titel für die geltend gemachte Prämie.
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