OGH 3Ob366/53

OGH3Ob366/5317.6.1953

SZ 26/162

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1213
HGB §133
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1213
HGB §133

 

Spruch:

Die Ausschließungserklärung (§ 1213 ABGB.) hat bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes konstitutive Wirkung.

Bei einer bürgerlichen Zweimanngesellschaft bedingt die Ausschließung eines Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft, ohne daß eine Liquidationsgesellschaft entstunde. Es hat vielmehr die Teilung des gemeinschaftlichen Eigentums zu erfolgen.

Entscheidung vom 17. Juni 1953, 3 Ob 366/53.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Zwischen den beiden Parteien wurde im April 1951 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes gegrundet zum gemeinschaftlichen Betriebe der "Firma Rudolf S., Erzeugung von Gold-, Silber- und Metallwaren". Der Beklagte ist Inhaber der Gewerbeberechtigung und brachte in die Gesellschaft Sachwerte ein. Der Kläger brachte 20.000 S ein. Beide Parteien sind je zur Hälfte am Gewinn und Verlust beteiligt. Alle neu angeschafften Maschinen und Einrichtungsgegenstände und sonstige Betriebsmittel gehen in das gemeinsame Eigentum über. Der Kläger ist verpflichtet, seine ganze Arbeitskraft dem Unternehmen zu widmen. Geschäftsführung und Leitung des Betriebes erfolgen gemeinsam, wobei der Kläger für die kaufmännische Leitung, der Beklagte für die technische Leitung verantwortlich ist. Die Vereinbarung wurde für zehn Jahre geschlossen und kann durch Übereinkommen und Kündigung früher aufgelöst werden.

Mit der vorliegenden Klage behauptet nun der Kläger, der Beklagte habe ihn von der Mitarbeit im Unternehmen ausgeschlossen, und begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, seine Mitarbeit zu dulden, ihm insbesondere die kaufmännische Leitung und die Kassaführung zu überlassen, ihn an der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis nicht zu hindern und nachteilige Handlungen zu unterlassen. Gleichzeitig beantragt er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung dieses Anspruches mit einem im wesentlichen gleichen Begehren, weil die Gefahr eines unwiederbringlichen großen Schadens bestehe. Der Beklagte wendete unter anderem ein, daß der Kläger zur kaufmännischen Leitung unfähig sei, schädigende Rechtsgeschäfte abgeschlossen habe, weshalb er ihn am 23. Feber 1953 - also nach Einbringung der Klage - aus der Gesellschaft ausgeschlossen habe.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Es nahm wohl den Anspruch auf Grund des Gesellschaftsvertrages als bescheinigt an, nicht aber die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens.

Das Rekursgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung, wenn auch mit einer anderen Formulierung. Die Ausschließung könne nicht durch Einwendung, sondern nur durch Klage geltend gemacht werden. Der Beklagte habe daher verbotene Selbsthilfe geübt. Damit sei aber schon die Gefährdung des Anspruches auf Gesamtgeschäftsführung und Gesamtvertretung bescheinigt, ohne daß es darauf ankomme, ob ohne Erlassung der einstweiligen Verfügung dem Kläger ein unwiederbringlicher Schaden drohe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten teilweise Folge und bewilligte die einstweilige Verfügung nur unter der Bedingung, daß eine Sicherheit von 5000 S geleistet werde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Unhaltbar ist die Meinung des Rekurswerbers, der gefährdeten Partei stunde kein Recht auf Geschäftsführung zu, sondern er habe lediglich die Verpflichtung hiezu übernommen. Laut Punkt VII und VIII zeichnen und verfügen die Gesellschafter über das Unternehmen gemeinsam und erfolgt die Geschäftsführung und Leitung gemeinsam. Damit ist das Recht der gefährdeten Partei zur Geschäftsführung sogar ausdrücklich festgelegt.

Mit Recht bekämpft aber der Beklagte die Meinung des Rekursgerichtes, es liege eine verbotene Selbsthilfe vor. Die Ausschließungserklärung hat bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes konstitutive Wirkung. Dies ergibt sich aus § 1213 ABGB., wonach die Wirkung einer zwar bestrittenen, aber in der Folge für rechtmäßig erklärten Ausschließung auf den Tag, an dem sie geschehen ist, zurückbezogen wird (SZ. XXIV/110). Nicht das Urteil über die Klage eines Teiles - und nicht gerade des ausschließenden Teiles - führt die Ausschließung herbei, wie nach § 133 HGB. bei der offenen Handelsgesellschaft, sondern die Ausschließungserklärung selbst, falls sie rechtmäßig abgegeben worden ist. Das über die Klage ergehende Urteil ist somit ein Feststellungsurteil und kein Rechtsgestaltungsurteil. Wird aber die Rechtslage bereits durch die Ausschließungserklärung gestaltet, kann der ausschließende Gesellschafter entgegen der Meinung des Rekursgerichtes diese geänderte Sachlage auch einer Leistungsklage des ausgeschlossenen Gesellschafters durch Einrede entgegenstellen. Es wird deshalb die Frage der Rechtmäßigkeit der Ausschließung auch im vorliegenden Falle als Vorfrage - allerdings mangels eines Zwischenantrages auf Feststellung nur mit Wirkung für diesen Rechtsstreit - zu lösen sein. Die Klärung im Provisorialverfahren ist nicht möglich. Es kann im vorliegenden Falle nicht gesagt werden, daß ein Teil die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der Ausschließung auch nur bescheinigt hätte. Trotzdem wird die von der gefährdeten Partei zugegebene Ausschließungserklärung insoweit zu berücksichtigen sein, als die Möglichkeit besteht, daß die Ausschließung als rechtmäßig erklärt wird und der gefährdeten Partei die ihr im Vertrag eingeräumten Geschäftsführungs- und Vertretungsrechte seit dem Tage, an welchem ihr die Ausschließungserklärung zugekommen ist, nicht mehr zustehen. Es ist daher entgegen der Meinung der beiden Untergerichte der Anspruch des Antragstellers keineswegs vollständig bescheinigt.

Wird aber bereits durch die Ausschließungserklärung die Rechtslage gestaltet und hat die Klage bei Bestreitung der Rechtmäßigkeit lediglichFeststellungscharakter - wobei das Feststellungsbegehren durch eine einstweilige Verfügung nicht gesichert werden könnte -, kann nicht gesagt werden, daß das Verhalten des Antragsgegners, das der Ausschließungserklärung entspricht, eine verbotene Selbsthilfe darstellte, die jedenfalls die Erlassung einer einstweiligen Verfügung rechtfertigt. Da die beantragte einstweilige Verfügung den Prozeßerfolg vorweg nimmt und sie ausdrücklich zur Abwendung eines unwiederbringlichen Schadens beantragt wurde, kann sie nur erlassen werden, wenn diese Voraussetzung, nämlich die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens, bescheinigt ist, wobei allerdings die objektive Gefährdung genügt. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes erachtet der Oberste Gerichtshof diese Gefahr als gegeben. Bei einer bürgerlichen Zweimanngesellschaft bedingt die Ausschließung eines Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft, ohne daß eine Liquidationsgesellschaft entstunde. Es hat vielmehr die Teilung des gemeinschaftlichen Eigentums zu erfolgen. Infolge der Ausschließungserklärung führt der Antragsgegner das Unternehmen nicht mehr auf Rechnung der Gesellschaft und im Namen der Gesellschaft, sondern im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Der Antragsteller erwirbt daher an den aus dem Betriebsvermögen erworbenen Einrichtungsgegenständen und sonstigen Betriebsmitteln kein Miteigentum. Darüber hinaus ist der Antragsgegner in der Lage, Rechtsgeschäfte abzuschließen, die keineswegs im Interesse des Antragstellers liegen, da die Interessen der beiden Streitteile keineswegs übereinstimmen müssen. Es ist klar, daß darin wohl für den Kläger die Gefahr einer unwiederbringlichen Vermögensschädigung liegt. Die objektive Gefahr eines Schadens ist daher bescheinigt.

Mit Rücksicht auf die nicht vollständige Bescheinigung des Anspruches war jedoch die einstweilige Verfügung gemäß § 390 EO. vom Erlage einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Für diese erachtet der Oberste Gerichtshof einen Betrag von 5000 S für angemessen. Schon mit Rücksicht darauf, daß es sich hier um eine Gesamtgeschäftsführung und Gesamtvertretung handelt, ist die Gefahr des Eintrittes eines Schadens für den Antragsgegner nicht allzu groß.

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