Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §961
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §961
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung
Spruch:
Zur Klage eines Erben gegen den Verwahrer des Nachlasses auf Angabe der Nachlaßgegenstände.
Entscheidung vom 29. Mai 1953, 1 Ob 255/53.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Nachlaß nach der Mutter des Klägers wurde, obwohl Nachlaßgegenständevorhanden waren, armutshalber abgetan. Die zum Nachlaß gehörigen Gegenstände blieben in Verwahrung des Vaters des Klägers. Auch dem Kläger gehörige Gegenstände blieben in der Wohnung zurück, als dieser auszog. Der Vater des Klägers heiratete einige Zeit vor seinem Tode die Beklagte.
Der Kläger begehrt nun die Verurteilung der Beklagten
1. zur Angabe jener Fahrnisse und Vermögenswerte, die sie als zum Nachlaß seiner Mutter oder seines Vaters gehörend in Verwahrung hat, und derjenigen, die Eigentum des Klägers darstellen und in der elterlichen Wohnung verblieben sind,
2. zur Angabe des Erlöses oder des Verbleibens gewisser namentlich angeführter Gegenstände, die zum Nachlaß der Mutter des Klägers gehören,
3. zur Angabe dessen, was ihr sonst von jenen Fahrnissen und Vermögenswerten, namentlich Sparbüchern und Wertpapieren oder Rentenleistungen, bekannt ist.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichtes unter Vorbehalt der Rechtskraft aufgehoben und diesem neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Begründung
Die Beklagte ist in die Wohnung der Eltern des Klägers eingezogen und hat damit zunächst die Mitgewahrsame, nach dem Tode des Vaters des Klägers die alleinige Gewahrsame an den in der früheren Wohnung der Eltern des Klägers befindlichen Gegenständen erlangt. Es trifft sie nun die Verpflichtung, sich hinsichtlich aller beim Tode des Vaters in der Wohnung befindlichen und nicht ihr Eigentum bildenden Gegenstände mit dem Kläger auseinanderzusetzen und die dem Kläger gehörigen Gegenstände auszufolgen. Es trifft sie auch die Verpflichtung, an Stelle etwa von ihr nach dem Tode des Vaters des Klägers veräußerter Gegenstände den erzielten Erlös der Auseinandersetzung zu unterziehen, ihn auszufolgen oder Ersatz für unentgeltlich veräußerte Gegenstände zu leisten. Für die Zeit von ihrem Einziehen in die Wohnung des Vaters des Klägers bis zum Tode dessen gilt dasselbe, soweit sie selbst vorhandene Gegenstände veräußert haben sollte die wie sie wußte, zum Nachlaß der Mutter oder dem Kläger gehörten. Soweit diese Verpflichtungen der Beklagten reichen, ist sie aber auch verbunden, dem Kläger die betreffenden Gegenstände bzw. den allenfalls dafür erzielten Erlös oder das Schicksal der Gegenstände bekanntzugeben (3 Ob 667/52). Sollte der Vater des Klägers Gegenstände, die zum Nachlaß der Mutter des Klägers oder dem Kläger selbst gehörten, veräußert und dem Kläger nichts davon mitgeteilt haben, so hätte er dies dem Kläger verheimlicht und die Beklagte wäre verpflichtet, dem Kläger über diese ihr bekannte Verheimlichung seitens des Vaters des Klägers Mitteilung zu machen, dies alles aber nur unter der Voraussetzung, daß es dem Kläger nicht schon ohnedies bekannt ist oder von ihm auf andere zuverlässigere und einfachere Weise in Erfahrung gebracht werden kann.
Auch soweit diese Ansprüche die zum Nachlaß der Mutter des Klägers gehörenden Gegenstände betreffen, kann sie der Kläger im eigenen Namen geltend machen. Der Kläger als präsumptiver Erbe hat selbst ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung der zum Nachlaß gehörigen Werte. Die vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltene Änderung der Parteibezeichnung und die Behebung eines Mangels der gesetzlichen Vertretung ist also entbehrlich.
Wenn auch das Klagebegehren nicht begrundet ist, soweit dem Kläger die Verhältnisse bereits bekannt sind und soweit er sich die Kenntnis auf einfachere Weise verschaffen kann, so genügen doch die Feststellungen des Erstgerichtes nicht zur Abweisung des Klagebegehrens. Dieses hat wohl festgestellt, der Kläger habe sich genaue Listen der elterlichen Habseligkeiten angelegt, doch entkräftet es diese Feststellung wieder durch den Hinweis darauf, daß der Kläger der Mithilfe der Beklagten bei der Aufstellung nicht "nicht", sondern nur "kaum", also doch vielleicht irgendwie bedarf.
Es müßte also festgestellt werden, was der Kläger bereits weiß, wovon er sich leicht auf andere Weise Kenntnis verschaffen kann und welche Anhaltspunkte sich dafür ergeben, daß das Wissen des Klägers noch kein vollständiges ist.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die gesonderte Angabe der Gegenstände, die zum Nachlaß der Mutter, ferner jener, die zum Nachlaß des Vaters gehören, und jener Gegenstände, die sein persönliches Eigentum bilden. Es ist durchaus möglich, daß der Beklagten die Zugehörigkeit zu diesen drei Gruppen nicht bekannt ist.
Aber sie wird wissen, was ihr Eigentum ist. Alles andere wird sie als zum Nachlaß des Vaters gehörend bezeichnen müssen, soweit ihr nicht doch bekannt ist, daß einzelne Gegenstände zum Nachlaß der Mutter gehörten oder Eigentum des Klägers waren.
Das Erstgericht meint auch, der Kläger sei nicht in der Lage, zu beweisen, daß sein verstorbener Vater nicht wirklich der Beklagten alle Gegenstände in der Wohnung ausdrücklich zugesagt hat. Der Erstrichter kann wohl kaum an die Zusage einer testamentarischen Verfügung oder an eine Schenkung auf den Todesfall denken, die formlos ohne jede Wirkung wäre, und nicht hinderte, daß die Gegenstände doch zum Nachlaß gehören. In Betracht käme nur eine Schenkung unter Lebenden mit sofortiger Übergabe. Die Beklagte hat aber die Geschenke, die sie von ihrem Gatten unberechtigt aus den in den Nachlaß der Mutter oder dem Kläger gehörenden Gegenständen erhielt, dem Nachlaß und dem Kläger zurückzustellen. Sie ist also auch verpflichtet, diese Gegenstände anzugeben. Sie ist aber hiezu nur verpflichtet, soweit ihr bekannt ist, daß der Vater des Klägers ihr in den Nachlaß nach der Mutter oder dem Kläger gehörende Gegenstände geschenkt hat, kann also aus diesem Titel nicht zur Angabe sämtlicher Geschenke, die sie vom Vater erhalten hat, verhalten werden. Das wird aber auch in der Klage gar nicht begehrt. Ähnliches gilt ja überhaupt für die Verfügungen, die der Vater des Klägers während der Ehe mit der Beklagten über Gegenstände getroffen hat. Die Beklagte kann nicht zu einer restlosen Angabe dieser Gegenstände verpflichtet werden, sondern nur zur Angabe der Gegenstände, von denen ihr bekannt war, daß es sich um Gegenstände handelt, die in den Nachlaß nach der Mutter des Klägers oder die dem Kläger gehören. Denn nur soweit sie auch dies erfahren hat, weiß sie von einer Verschweigung und Verheimlichung eines aus der Verfügung entstandenen Anspruches gegen den Vater, nur soweit reicht auch das Klagebegehren.
Daß eine Anfechtung der Geschenke des Vaters an die Klägerin nach § 951 ABGB. in Betracht komme, wurde nicht behauptet.
Aber auch die Erwägung, daß der Vater des Klägers gegenüber dem Nachlaß der Mutter Anspruch auf ein Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB. besitzt und ebenso die Beklagte gegenüber dem Nachlaß nach dem Vater des Klägers, vermag den Anspruch nicht von vornherein als unbegrundet erscheinen zu lassen. Die Beklagte darf sich nicht eigenmächtig in den Besitz ihres Vorausvermächtnisses setzen. Es kommt im übrigen nicht darauf an, ob sie dolos handeln und Nachlaßgegenstände dem Kläger entziehen will, sondern nur darauf, ob sie mehr über die Nachlässe und das Eigentum des Klägers weiß, als diesem ohnedies bekannt ist. Wenn der Kläger vielleicht auch verhältnismäßig geringe Ansprüche zu stellen in der Lage sein wird, ist die Beklagte dennoch verpflichtet, durch ihre Bekanntgabe die Grundlagen für die Auseinandersetzung zwischen ihr und dem Kläger zu schaffen. Sie hat durch ihre Angabe und ihren Eid nicht über die Zugehörigkeit der Sachen zu entscheiden, sondern nur wahrheitsgemäß anzugeben, was ihr darüber bekannt ist.
Das Erstgericht ist bei der Abweisung des Klagebegehrens zum Teil von unrichtigen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen, zum Teil reichen seine Feststellungen nicht hin. Das Berufungsgericht hat also das Urteil des Erstgerichtes mit Recht aufgehoben.
Der Rekurs bekämpft den Beschluß des Erstgerichtes, indem er davon ausgeht, der Kläger sei ohnedies über den Umfang des Nachlasses nach seiner Mutter und nach seinem Vater vollkommen unterrichtet. Dies entspricht aber nicht den Feststellungen des Erstgerichtes. Es ist auch nicht richtig, daß nur das Rechtsverhältnis an bekannten Gegenständen eine Rolle spielt. Es handelt sich nach der Klage im Gegenteil nur darum, bisher nicht bekannte Gegenstände zutage zu fördern.
Der Rekurs ist also nicht begrundet.
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