OGH 1Ob93/53

OGH1Ob93/531.4.1953

SZ 26/82

Normen

Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung vom 1. 9. 1939. DRGBl. I S. 1671 §7
Mietengesetz §21
Zivilprozeßordnung §560
Zivilprozeßordnung §562
Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung vom 1. 9. 1939. DRGBl. I S. 1671 §7
Mietengesetz §21
Zivilprozeßordnung §560
Zivilprozeßordnung §562

 

Spruch:

Eine Aufkündigung von bestimmten Räumen darf das Gericht nicht in eine solche einer Unternehmenspacht umdeuten.

Entscheidung vom 1. April 1953, 1 Ob 93/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Zell a. S.; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Die klagende Partei hat in ihrer Aufkündigung ausdrücklich das Bestandverhältnis, betreffend das Geschäftslokal (Verkaufsladen), Backstube, Backküche, Mehlkammer, Küche und Schlafzimmer, Keller, Burschen- und Mädchenzimmer und die Mitbenützung des Bades, des Abortes, des Vorhauses, der Holzablage und des Gartens, nicht auch bezüglich des Bäckereiunternehmens gekundigt und unter Hinweis auf § 19 Abs. 1 MietG. vorgebracht, daß ihr Sohn Erwin G. bei seinem Vater in einem Pachtbetrieb arbeite, dem Gatten der Klägerin dieser Pachtbetrieb aufgekundigt worden und daher damit zu rechnen sei, daß der Sohn nicht mehr im väterlichen Betriebe werde tätig sein können, daß im Alter des Sohnes von 44 Jahren die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses nicht mehr zweckmäßig sei, der Sohn schon lange auf den Betrieb im Hause seiner Mutter warte und schließlich die Anwesenheit des ältesten Sohnes und seiner Familie der 65jährigen Klägerin die Gewähr einer ordentlichen Betreuung biete.

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 29. Mai 1952 die Aufkündigung mit derBegründung aufgehoben, es werde dringender Eigenbedarf für den Sohn Erwin G. behauptet; die Aufkündigung von Geschäftsräumen wegen Eigenbedarfes sei aber nach § 19 Abs. 2 Z. 6 MietG. nur gegen Bestellung eines nach Lage und Beschaffenheit angemessenen Ersatzes zulässig; darüber könne sich die Klägerin nicht unter Berufung auf § 19 Abs. 1 MietG. hinwegsetzen. Soweit es sich um Wohnräume handle, käme zwar der Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. in Frage, die klagende Partei habe aber keine konkreten Behauptungen in dieser Richtung vorgebracht.

Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die erstrichterliche Entscheidung bestätigt, die Revision zugelassen und in der Begründung ausgesprochen, in der Aufkündigung seien die Räumlichkeiten genau angeführt, damit sei klargestellt, daß es sich nicht um eine Unternehmenspacht, sondern um Räume handle, die im Sinne des § 7 der Verordnung vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1671, den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterlägen. Es sei nun nicht richtig, daß Geschäftsräumlichkeiten nur nach § 19 Abs. 2 Z. 6 MietG. unter Anbietung eines angemessenen Ersatzes aufgekundigt werden können. § 19 Abs. 1 MietG. könne jedoch nur in jenen Fällen herangezogen werden, in denen sonst der notdürftige Unterhalt des Bestandgebers gefährdet oder dessen wirtschaftliche Existenz ernstlich bedroht werde. Dies sei aber hier nicht der Fall, da die Klägerin, wie sie in der mündlichen Berufungsverhandlung erklärt habe, einen monatlichen Bestandzins von 1000 S bekomme, und sie Liegenschaftseigentümerin sei. Ihr Sohn sei nach ihrem Vorbringen noch in ungekundigter Stellung bei seinem Vater in Sch. tätig, die Notwendigkeit einer Pflegeperson könne nie einen wichtigen Grund im Sinne des § 19 Abs. 1 MietG. darstellen. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Vermieters oder eines Angehörigen vermöchte die Anwendung des § 19 Abs. 1 MietG. jedenfalls nicht zu rechtfertigen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Rahmen des Revisionsgrundes nach § 503 Z. 2 ZPO. wird gerügt, daß dasBerufungsgericht nicht dem Antrage der Revisionswerberin in ihrer Berufung auf Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles und Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht, da dieses keinerlei Beweise aufgenommen habe, stattgegeben habe, obwohl aus dem Vorbringen in der Aufkündigung nicht klar zu entnehmen sei, ob es sich um Raummiete oder Unternehmenspacht handle.

Gemäß § 562 ZPO. muß in der Aufkündigung der Bestandgegenstand bezeichnet sein. Nun hat die klagende Partei in der Aufkündigung ausdrücklich erklärt, die im Hause Z. a. S, Sch.straße 11, in Bestand gegebenen Objekte, bestehend aus Geschäftslokal u. s. w., wobei sie die einzelnen Räume näher bezeichnet hat, gerichtlich aufzukundigen, und hat auch beantragt, dem Kündigungsgegner die Übergabe des oben angegebenen Bestandgegenstandes aufzutragen. Demnach hat die Klägerin in der Aufkündigung eindeutig vorgebracht, daß Gegenstand des aufgekundigten Bestandvertrages nicht das Bäckereiunternehmen, sondern die angeführten Räume sind. Daß die Gewerbeberechtigung bei der Unternehmenspacht nicht unbedingt mit in Bestand gegeben sein muß, ist zwar richtig, ändert aber nichts daran, daß eine Unternehmenspacht nur dann vorliegt, falls ein lebendes Unternehmen selbst mit seinen wesentlichen Bestandteilen, wenn auch ohne zugrunde liegende Gewerbeberechtigung, und nicht bloß die zum Betrieb eines Unternehmens bestimmten Räumlichkeiten in Bestand gegeben werden. Bilden den Gegenstand des Bestandvertrages nur solche Lokalitäten, so liegt Miete von Geschäftsräumlichkeiten vor, auf die die Bestimmungen des Mietengesetzes schon gemäß § 1 Abs. 1 MietG. anzuwenden sind. Überdies ordnet § 7 der Verordnung vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1671, die Anwendung der Vorschriften des Mietengesetzes über Kündigungsbeschränkungen auf solche Bestandverhältnisse an. Nun wird allerdings in der Begründung der Aufkündigung an einzelnen Stellen vom Bäckereibetrieb gesprochen, dann aber wieder als Hindernis für eine frühere Auflösung des Bestandverhältnisses die erfolgte Ausdehnung des Kündigungsschutzes auf gewerbliche Betriebsstätten angeführt. Dies, in Verbindung mit der ausdrücklichen Erklärung, daß die einzeln angeführtenRäumlichkeiten in Bestand gegeben worden seien, kann nur so aufgefaßt werden, daß eben nur diese Lokalitäten in Bestand gegeben worden sind, und immer dann, wenn gelegentlich von der Bäckerei gesprochen wird, damit eben diese Räumlichkeiten gemeint sind. Wäre dagegen das Bäckereiunternehmen und die dazu bestimmten Räume nur als Teil des Unternehmens verpachtet worden, so müßte das Bestandverhältnis als Ganzes aufgekundigt werden. Eine Aufkündigung nur lediglich bezüglich der Betriebslokalitäten wäre eine Teilkündigung, für deren Rechtfertigung jedoch besondere Gründe angegeben werden müßten, etwa in der Richtung, daß der Pächter selbst über andere, für den Betrieb des Unternehmens geeignete Räume verfüge, oder daß die Räume überhaupt nicht zum Unternehmen gehören und nicht zu dessen Betrieb erforderlich sind. Daß eine solche Teilkündigung von der klagenden Partei gar nicht angestrebt wird, kann aus den Ausführungen der Berufung der klagenden Partei entnommen werden, wo besonders darauf hingewiesen wurde, daß § 19 Abs. 1 MietG. dann, wenn die Geschäftsräume und die anschließenden Wohnräume eine wirtschaftliche Einheit bilden und gemeinsam vermietet werden, auf den gesamten Komplex anwendbar sei, womit gegen die Möglichkeit einer besonderen Behandlung der Wohn- und Nebenräumlichkeiten nach § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. durch den Erstrichter ausdrücklich Stellung genommen wurde. Die Aufkündigung der Klägerin trotz ihrer ausdrücklichen Erklärung, daß sie das Bestandverhältnis hinsichtlich der von ihr bezeichneten Räume aufkundige, in eine Kündigung einer Unternehmenspacht umzudeuten, wäre aber schon deshalb nicht möglich, weil dadurch dem Beklagten die Möglichkeit genommen werden könnte, gegen das Vorliegen eines Bestandverhältnisses über das Unternehmen selbst Stellung zu nehmen oder allfällige weitere Einwendungen aus diesem Vertragsverhältnisse zu erheben, wozu er auf Grund der Aufkündigung in den Einwendungen keinen Anlaß gehabt hatte. Demnach haben die Untergerichte mit Recht ohne Aufnahme von Beweisen entschieden, da die klagende Partei gar nicht behauptet und nicht Beweise dafür angeboten hat, daß es sich um eine Unternehmenspacht handle. Handelt es sich bloß um ein Bestandverhältnis über Geschäftslokalitäten und dazu gehörige Wohnräume, so ist eine Aufkündigung nur aus wichtigen Gründen im Sinne des § 19 MietG. zulässig. Das Berufungsgericht hat nun mit Recht das Vorliegen eines wichtigen Gründes im Sinne des § 19 Abs. 1 MietG. schon auf Grund des Vorbringens der klagenden Partei im erstinstanzlichen Verfahren verneint. In der Revision wurde dagegen Stellung genommen, daß das Berufungsgericht auch eine Bedrohung oder ernstliche Gefährdung der Existenz des Sohnes der Klägerin negiert habe, weil in der Aufkündigung vorgebracht worden sei, daß dem Gatten der Klägerin der Bäckereibetrieb in Sch. aufgekundigt worden sei und deshalb der Sohn nicht mehr lange beim Vater in Sch. tätig sein könne. Dem ist entgegen zu halten, daß in der Aufkündigung keineswegs behauptet wurde, der Sohn habe nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit seinem Vater keine Aussicht, in absehbarer Zeit eine Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb zu finden, vielmehr wurde in der Aufkündigung bloß vorgebracht, es sei im Hinblick auf das Alter des Sohnes nicht zweckmäßig, daß dieser ein neues Arbeitsverhältnis eingehe, und warte er ein Lebensalter lang auf den Betrieb im Hause seiner Mutter. Aus diesem Vorbringen ergibt sich somit eine ernstliche Gefährdung der Existenz des Sohnes nicht. Daß die Klägerin einer Pflegeperson bedarf, kann die Aufkündigung des Bestandverhältnisses über alle diese Geschäfts- und Wohnräume keinesfalls rechtfertigen. Von der Klägerin wurde überdies gar nicht vorgebracht, daß sie wegen Krankheit oder ausnahmsweiser Gebrechlichkeit einer Pflege bedürfe, und daß eine andere Pflegemöglichkeit als die Pflege durch ihren Sohn Erwin und dessen Familie nicht bestehe. Die klagende Partei hat nicht einmal im erstinstanzlichen Verfahren die Behauptung der beklagten Partei, daß dieKlägerin durch den im Hause seiner Mutter wohnenden jüngeren Sohn Markus G. und dessen Gattin betreut werden könne, bestritten.

Demnach liegen die geltend gemachten Revisionsgrunde nicht vor und mußte daher der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

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