OGH 1Ob17/53

OGH1Ob17/534.3.1953

SZ 26/57

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §863
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1017
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1029
HGB §5
HGB §15 Abs2
HGB §125
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §863
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1017
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1029
HGB §5
HGB §15 Abs2
HGB §125

 

Spruch:

Bei Abschluß eines Rechtsgeschäftes durch einen laut Handelsregister nur kollektivvertretungsbefugten Gesellschafter liegt ein äußerer Tatbestand der alleinigen Vertretungsbefugnis nur dann vor, wenn dieser Gesellschafter nicht nur bei dem einen Geschäft als allein vertretungsbefugt aufgetreten ist, sondern dies fortgesetzt geschehen ist und die Gesellschaft die früher von ihm allein abgeschlossenen Geschäfte für sich gelten ließ, ohne erkennbar zu machen, daß sie die einzelnen Geschäfte nur wegen ihrer Nützlichkeit für die Gesellschaft anerkannt hat.

Entscheidung vom 4. März 1953, 1 Ob 17/53.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bezahlung der vereinbarten 10%igen Konventionalstrafe in der Höhe von 650.400 S wegen Nichterfüllung des am 21. August 1950 zwischen der Beklagten als Verkäuferin und dem Kläger als Käufer geschlossenen Zuckergeschäfts.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Bei dem in Frage stehenden Geschäft sei Johann F. allein und nicht die offene Handelsgesellschaft Johann F. & Co. die nur gemeinsam von zwei Gesellschaftern (Johann F., Maria B. bzw. Emmy M.) vertreten werde, aufgetreten. Daß der Kläger die aus dem Handelsregister hervorgehende Art der Vertretung der offenen Handelsgesellschaft nicht gekannt habe oder nicht habe kennen müssen, habe der Kläger weder behauptet noch bewiesen. Er habe auch nicht vorgebracht, daß die anderen Gesellschafter etwa dem Vertragsabschluß zugestimmt hätten. Zur Annahme, daß die Beklagte den äußeren Tatbestand ihrer Vertretung durch Johann F. gesetzt habe, genügt es nicht, daß dieser das Geschäftspapier der offenen Handelsgesellschaft benützt habe. Denn dieser Tatbestand sei nicht von den übrigen Gesellschaftern hervorgerufen worden. Die Klage müsse daher wegen des Mangels der passiven Klagslegitimation der Beklagten abgewiesen werden.

Infolge Berufung der klagenden Partei bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes wäre es die Pflicht des Klägers gewesen, vor dem Abschluß des Rechtsgeschäftes mit der Beklagten in das Handelsregister Einsicht zu nehmen. Es könne auch nicht angenommen werden, daß die Beklagte durch konkludente Handlungen dem Kaufvertrag zugestimmt habe. Denn in den an die Beklagte gerichteten Schreiben des Klägers vom 29. August 1950, Beilage D, vom 31. August 1950, Beilage E, und vom 11. September 1950, Beilage F, werde vom Inhalt des Vertrages nichts erwähnt, sondern über die "Ware" disponiert.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Hinsicht führt die klagende Partei im wesentlichen aus: daß die beklagte Partei Geschäftspartnerin des Hans H. gewesen sei, ergebe sich daraus, daß die gesamte Korrespondenz über das gegenständliche Geschäft in der Zeit von spätestens 21. August 1950 bis mindestens 13. November 1950 auf dem Geschäftspapier der beklagten Partei geschrieben und mit deren Stampiglie versehen worden sei, daß die beklagte Partei die an sie gerichteten Schreiben des Hans H. widerspruchslos hingenommen habe, was nur auf eine Genehmigung des Vertrages oder darauf zurückgeführt werden könne, daß die übrigen Gesellschafter sich um nichts gekümmert haben, und daß schließlich der Mangel der Passivlegitimation weder bei der ersten Tagsatzung noch in der Klagebeantwortung, sondern erst in der Streitverhandlung vom 29. März 1951, also weit mehr als eineinhalb Jahre nach Abschluß des Vertrages, eingewendet worden sei. Der Nebenintervenient führt in seiner Revision dazu noch aus, daß Johann F. den Schlußbrief in den Räumen der beklagten Partei auf deren Briefpapier geschrieben und unter Verwendung der Stampiglie der Firma unterfertigt habe, daß Johann F. nach dem Beweisverfahren als Agent der Beklagten aufgetreten sei und daß seine Lebensgefährtin B. und deren Freundin M. nur zwecks Sicherstellung ihres Lebensunterhaltes in die Firma aufgenommen worden seien, daß Johann F. auch die Vollmacht des Dr. W. in diesem Prozeß und im Rechtsstreit 1 Cg 67/50 unterfertigt habe, daß auch die Richtigstellung der beklagten Partei im Verfahren 1 Cg 67/50 von Johann F. & Co. in Johann F. nur zeige, daß letzterer durch seine Mitgesellschafter zum Handeln namens der Gesellschaft ermächtigt worden sei, daß die Mitgesellschafter das alleinige Auftreten des Johann F. für die beklagte Partei dauernd genehmigt haben und daß es überhaupt im geschäftlichen Leben üblich sei, daß auch bei voller Kollektivzeichnungsberechtigung nur ein Zeichnungsberechtigter allein die Geschäfte abschließe.

Nach den allein maßgebenden untergerichtlichen Feststellungen hat Johann F. allein den Kaufvertrag abgeschlossen. Er hat sich als allein vertretungsbefugt für die beklagte Partei geriert und hat die gesamte Korrespondenz über das klagsgegenständliche Geschäft unter Verwendung des Briefpapiers der beklagten Partei und deren Stampiglie geführt, hat jedoch alle Briefe nur allein unterfertigt. Im Handelsregister ist jedoch die kollektive Vertretung eingetragen.

Eine im Handelsregister eingetragene und bekanntgemachte Tatsache muß jeder Dritte gemäß § 15 Abs. 2 HGB. gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß er sie weder kannte noch kennen mußte. Daß letzteres bei Hans H. der Fall war, hat die klagende Partei gar nicht behauptet. Nun genießt das Handelsregister zwar nicht öffentlichen Glauben wie das Grundbuch, Handelsregistereintragungen haben aber wenigstens die Vermutung der Richtigkeit für sich (vgl. Schlegelberger, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., S. 121, 123, Reichsgerichtsrätekommentar zum Handelsgesetzbuch, S. 195, 196). Daher kann gegen die eingetragene Tatsache der kollektiven Vertretung der Beweis der ursprünglichen oder später eingetretenen Unrichtigkeit, aber auch der Anregung ihres Anscheines, also eines äußeren Tatbestandes, geführt werden (vgl. E. desReichsgerichtes vom 11. Mai 1881, Band 5, S. 16 f.).

Es wäre überdies der Nachweis zulässig, daß die Mitgesellschafter den allein als Vertreter aufgetretenen Gesellschafter zum alleinigen Abschluß des betreffenden Geschäftes bevollmächtigt haben, was eigentlich nichts anderes bedeuten würde, als daß die Gesellschafter eben mit dem Geschäftsabschluß von vornherein einverstanden waren.

Die klagende Partei hat sich im erstinstanzlichen Verfahren im wesentlichen auf die Behauptung beschränkt, daß Johann F. das gegenständliche Geschäft im Namen und im Auftrage der beklagten Partei abgeschlossen habe, daß er sich immer als allein vertretungs- und zeichnungsbefugt für die beklagte Partei geriert habe, daß er dies auch im gegenständlichen Verfahren mit Einwilligung der beklagten Partei getan und daß die beklagte Partei im Prozeß 1 Cg 67/50 die Einwendung des Mangels der Passivlegitimation zurückgezogen habe, sowie daß sich auch die beklagte Partei als Geschäftspartnerin des Hans H. geriert habe. Dieses Vorbringen der klagenden Partei kann nur so verstanden werden, daß diese gar nicht behauptet, die Eintragung der kollektiven Vertretung im Handelsregister sei schon ursprünglich unrichtig gewesen oder später unrichtig geworden, sondern daß Johann F. zum Abschluß des gegenständlichen Geschäftes von seinen Mitgesellschaftern bevollmächtigt worden sei. Daß er sich als allein vertretungs- und zeichnungsberechtigt für die beklagte Partei geriert hat, ist für sich allein völlig bedeutungslos, da auch einem äußeren Tatbestande gegenüber der beklagten Partei eine Wirkung nur dann zukommen kann, wenn die beklagte Partei, also zumindestens zwei kollektivzeichnungsberechtigte Gesellschafter, ihn gesetzt haben. Daß Johann F. von seinen Gesellschaftern zum Abschluß des Kaufvertrages bevollmächtigt worden sei und daß sich auch die beklagte Partei als Geschäftspartnerin des Hans H. geriert habe, konnte aus den als Beweismittel vorgelegten Briefen, die ja, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, durchwegs von Johann F. allein unterfertigt sind - siestammen übrigens mit Ausnahme des Schlußbriefes aus der Zeit nach dembehaupteten Kaufvertragsabschluß -, nicht festgestellt werden. Daß Dr. W. zuerst im gegenständlichen Verfahren eine von Johann F. allein unterfertigte Vollmacht vorgelegt und erst später eine auch von einer Mitgesellschafterin mitgefertigte Vollmachtsurkunde beigebracht und namens der beklagten Partei die bisherige Prozeßführung genehmigt hat, läßt keinerlei Schluß auf eine Bevollmächtigung des Johann F. zum alleinigen Handeln namens der beklagten Partei zu. Es wäre genau so gut möglich, daß die Mitgesellschafter erst anläßlich der Unterfertigung der Vollmacht von der Angelegenheit überhaupt erfahren haben. Überdies hat die beklagte Partei bloß die bisherige Prozeßführung genehmigt und bei derselben Verhandlung vom 29. Mai 1951 den Mangel der Passivlegitimation eingewendet. Diese auch im Prozesse 1 Cg 67/50 erhobene Einwendung ist nach untergerichtlicher Feststellung nicht zurückgezogen worden. Sie wurde allerdings durch die Änderung der beklagten Partei von Johann F. & Co. in Johann F. offenbar gegenstandslos. Hinsichtlich des behaupteten äußeren Tatbestandes ist darauf hinzuweisen, daß dieser von der beklagten Partei, also von den Mitgesellschaftern hätte gesetzt werden müssen und daß überdies bei Prüfung eines mit einer Handelsregistereintragung im Widerspruch stehenden äußeren Tatbestandes, wenn er die Wirkung einer Eintragung beseitigen soll, besonders streng vorgegangen werden muß, soll nicht das Handelsregister geradezu bedeutungslos werden. Handelt es sich darum, daß trotz eingetragener kollektiver Vertretung ein Gesellschafter als allein vertretungsbefugt aufgetreten ist, so kann ein Vertragspartner sich nur dann auf einen dieses Verhalten des Gesellschafters anscheinend rechtfertigenden äußeren Tatbestand berufen, wenn dieser Gesellschafter nicht nur bei dem einen Geschäft als allein vertretungsbefugt aufgetreten ist, sondern dies fortgesetzt geschehen ist und die Gesellschaft die früher von dem einen Gesellschafter abgeschlossenen Geschäfte immer für sich gelten ließ, ohne erkennbar zu machen, daß sie die einzelnen Geschäfte nur wegen ihrer Nützlichkeit (§§ 1016, 1037 ABGB.) für die Gesellschaft anerkannt hat (vgl. E. des Reichsgerichtes v. 11. Mai 1881, Band 5, S. 16 ff.). Durch ein solches Verhalten der Gesellschaft könnte allerdings der Eindruck erweckt werden, daß der einzelne Gesellschafter zum alleinigen Handeln für die Gesellschaft ermächtigt ist, wenn dies auch tatsächlich von der Gesellschaft nicht gewollt war. Daß Johann F. schon früher fortgesetzt allein für die beklagte Partei gehandelt hat, wurde jedoch von der klagenden Partei überhaupt nicht behauptet, geschweige denn bewiesen, zumal sich die aufgenommenen Beweise lediglich auf den gegenständlichen Kaufvertrag beziehen. Das Verhalten des Johann F. selbst ist bedeutungslos und genügt auch die Verwendung von Briefpapier und Stampiglie der beklagten Partei zur Beseitigung der Wirkung der Handelsregistereintragung noch nicht.

Die Behauptung einer nachträglichen Genehmigung des gegenständlichen Kaufvertrages ist aus dem klägerischen Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren ebenfalls noch nicht zu entnehmen. Aber selbst wenn die klagende Partei eine nachträgliche Genehmigung behauptet hätte, so könnte als Beweis dafür nur in Betracht kommen, daß die beklagte Partei auf die Beilagen E bis F gegenüber Hans H. nicht reagiert hat. Hiezu hat das Berufungsgericht mit Recht darauf hingewiesen, daß diese Briefe keine weiteren Angaben über den Kaufvertrag enthalten. Schon deshalb lassen sie einen Schluß im Sinne des § 863 ABGB. auf eine nachträgliche Genehmigung des Kaufvertrages nicht zu. Ob die Mitgesellschafter des Johann F. von diesen Briefen Kenntnis erlangt haben, steht übrigens nicht fest und wurde eigentlich ebenfalls von der klagenden Partei im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht behauptet. Die klagende Partei hat sich bloß zum Nachweis dafür, daß die beklagte Partei selbst das Geschäft als bedingungslos angesehen und die Spedition H. zur Verteilung des angeblich bereits vorhandenen Zuckers im Sinne der Anweisung Hans H. angewiesen habe, auf die Beilagen D bis G berufen. Das mit F. & Co. unterfertigte Schreiben, Beilage G, ist aber wieder nur mit Johann F. gefertigt. Wie schon erwähnt, trifft dies auch bei den Schreiben Beilage J und K, die zum Nachweis dafür dienen sollten, daß sich auch die beklagte Partei als Geschäftspartnerin des Hans H. geriert habe, zu. Demnach hat die klagende Partei weder den Beweis für eine ursprüngliche oder nachträgliche Unrichtigkeit der Eintragung der kollektiven Vertretung im Handelsregister, noch für eine besondere Bevollmächtigung des Johann F. zum Abschluß des gegenständlichen Kaufvertrages seitens seiner Mitgesellschafter, noch für eine nachträgliche Genehmigung des Geschäftes durch die beklagte Partei erbracht. Die klagende Partei muß daher gemäß § 15 Abs. 2 HGB. die Eintragung der kollektiven Vertretung im Handelsregister gegen sich gelten lassen. Ist dies aber der Fall, so ist der mit ihr von Johann F. allein geschlossene Kaufvertrag für die beklagte Partei nicht wirksam zustandegekommen.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist somit zutreffend.

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