OGH 1Ob142/53

OGH1Ob142/5325.2.1953

SZ 26/48

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §888
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §892
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §895
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1438
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1440
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §888
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §892
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §895
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1438
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1440

 

Spruch:

Bei passiver Korrealität kann ein Gesamtschuldner nicht mit den den übrigen Mitschuldnern zustehenden Forderungen aufrechnen. Entscheidung vom 25. Feber 1953, 1 Ob 142/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Landeck; II. Instanz: Landesgericht

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen des Obersten Gerichtshofes:

Der Beklagten wurde vom Erstgericht am 10. Oktober 1952 auf Grund des erstgerichtlichen Beschlusses vom 12. September 1952, C .../52 zur Hereinbringung der restlichen Kostenforderung von 210.91 S die Fahrnisexekution gegen beide Kläger bewilligt. Im genannten Beschluß waren die von den jetzigen Klägern zur ungeteilten Hand an die jetzige Beklagte und ihren Gatten Josef H. ebenfalls zur ungeteilten Hand binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzenden Kosten mit 442.80 S bestimmt worden. In der Fahrnisexekutionssache wurde vom Vollstrecker des Erstgerichtes am 15. Oktober 1952 die Pfändung vorgenommen. Diese Exekution wurde vom Erstgericht am 21. Oktober 1952 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vorliegende Oppositionsklage aufgeschoben.

In der am 20. Oktober 1952 erhobenen Klage begehren die Kläger, ihren Einwendungen gemäß § 35 EO., daß der Anspruch der Beklagten aus dem Beschlusse vom 12. September 1952 durch Aufrechnung getilgt worden sei, stattzugeben. Sie machen geltend, daß Josef H. auf Grund des vor dem Erstgerichte am 22. August 1951 zu U .../51-3 geschlossenen Vergleiche verpflichtet sei, an die Zweitklägerin Lucie H. den Betrag von 324.50 S zu bezahlen, und daß er außerdem der Genannten zufolge der Exekutionsbewilligung des Erstgerichtes vom 7. September 1951, E...../51, den Kostenbetrag von 50.01 S schulde, insgesamt also 374.51 S. Die Zweitklägerin habe die Beklagte sowie ihren Gatten Josef H. von der Aufrechnung dieser Gegenforderung gegenüber dem Anspruch aus dem Beschluß vom 12. September 1952 in Kenntnis gesetzt. Die Kläger seien zufolge des Beschlusses vom 12. September 1952 zur Zahlung des Betrages von 442.80 S zur ungeteilten Hand verpflichtet und zugleich berechtigt, diese Schuld entweder an die Beklagte oder an Josef H. abzustatten. Demnach seien sie auch berechtigt, mit der der Zweitklägerin gegenüber Josef H. zustehenden Forderung aufzurechnen. Die Beklagte hat die Klagsabweisung mit der Begründung beantragt, daß es bezüglich der Gegenforderung von 374.51 S an der Gegenseitigkeit fehle. Außer Streit ist gestellt worden, daß die Beklagte die von den Klägern in dem an den Beklagtenvertreter bzw. an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 25. September bzw. 26. September 1952 erklärte Aufrechnung abgelehnt hat.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es hat unter Hinweis auf die Rechtslehre ausgeführt, daß die Frage, ob die Forderung von 374.51 S zu Lasten der Beklagten gegen deren restliche Forderung aus dem Beschlusse vom 12. September 1951 in der Höhe von 210.91 S aufgerechnet werden könne, ob also die Zweitklägerin ihre Forderung gegen Josef H. im Gesamtschuldverhältnis gegen die Beklagte als Mitgläubigerin des Josef H. zur Aufrechnung einwenden könne, zu verneinen sei. Wäre diese Aufrechnung gestattet, dann würde die Zweitklägerin ihre Schuld an die Beklagte mit einer Forderung gegen Josef H., also mit einer fremden Forderung, tilgen. Es fehle das für die Kompensation in § 1438 ABGB. vorgesehene Erfordernis der Gegenseitigkeit. Eine derartige Aufrechnung würde auch der Regelung des § 892 ABGB. widersprechen. Da somit die Zweitklägerin die Forderung von 374.51 S im Schuldverhältnis zur Beklagten aus dem Beschluß vom 12. September 1952 nicht aufrechnen könne, bleibe die Forderung der Beklagten im Restbetrage von 210.91 S ungetilgt.

Der von den Klägern gegen das erstinstanzliche Urteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung hat das Berufungsgericht Folge gegeben und in Abänderung des Urteils des Erstgerichtes dem Klagebegehren stattgegeben. Es hat unter Hinweis auf die Lehre ausgeführt, daß die gesetzliche Aufrechnung eintrete, wenn sich zwei Forderungen aufrechenbar gegenüberstunden und entweder der Gläubiger oder der Schuldner die Aufrechnung einseitig erkläre. Eine Annahme der Aufrechnungserklärung sei für ihre Wirksamkeit nicht erforderlich. Sie führe die Tilgung der beiderseitigen Forderungen herbei, auch wenn der Gegner nicht zustimme. Daraus folge, daß die Forderung der Beklagten durch die Gegenforderung der Zweitklägerin gegen Josef H. getilgt worden sei,

u. zw. schon vor Einbringung des Exekutionsantrages, bevor also die betreibende Partei (Beklagte) die Klägerin um Zahlung der Gesamthandforderung angegangen sei. Wenn jedoch die Aufrechnung nur mit Zustimmung des Gegners wirksam wäre, müßte das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur Neudurchführung der Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen werden, weil nach dem ganzen Sachverhalt das Interesse der Kläger an der Aufrechnung möglicherweise deshalb zu beachten wäre, weil nur ein Manöver zwischen den Mitgläubigern vorliegen könnte, um den Klägern die Deckung für ihre Gegenforderung zu rauben.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes hat die Beklagte Revision erhoben und dieses Urteil vollinhaltlich aus dem Revisionsgrunde des § 503 Z. 4 ZPO. angefochten.

Die Kläger haben die Revision bekämpft und beantragt, ihr nicht

Folge zu geben.

Die Revision ist begrundet.

Im österreichischen Recht fehlt eine der Regelung des § 422 Abs. 2 BGB. entsprechende ausdrückliche Bestimmung, daß bei der passiven Korrealität ein Mitschuldner nicht mit Forderungen der übrigen Mitschuldner aufrechnen kann (das Entsprechende gilt gemäß § 429 Abs. 3 BGB. für die aktive Korrealität (vgl. Danckelmann in dem von Palandt herausgegebenen Beckschen Kurzkommentar zum BGB., 12. Aufl., S. 439 ff. sowie S. 437)). Nach der herrschenden Lehre (vgl. Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, 1928, S. 101 und 332, ferner Gschnitzer in Klangs Kommentar, 1. Aufl., zu § 893 ff., S. 299, sowie 2. Aufl., zu § 1441, S. 518) gelten jedoch auch im österreichischen Rechte diese Grundsätze, weil es in derartigen Fällen an der für die Kompensation in § 1438 ABGB. geforderten Gegenseitigkeit mangelt. Denn nach dieser Gesetzesbestimmung entsteht die gegenseitige Aufhebung der Verbindlichkeiten - abgesehen von den anderen Voraussetzungen - dann, wenn Forderungen gegenseitig zusammentreffen, die so beschaffen sind, daß eine Sache, die dem einen als Gläubiger gebührt, von diesem auch als Schuldner dem andern entrichtet werden kann. Zutreffend hat das Erstgericht dargelegt, daß im gegenständlichen Prozeß entscheidend sei, ob die Zweitklägerin ihre Forderungen gegen Josef H. in der Höhe von 324.50 S und 50.01 S im Gesamtschuldverhältnis aus C 141/52 des Erstgerichtes gegen die Mitgläubigerin des Josef H. zur Aufrechnung einwenden könne, und ebenso zutreffend im Sinne der herrschenden Lehre hat das Erstgericht diese Frage verneint. Lore H. ist zufolge des erstgerichtlichen Beschlusses vom 12. September 1952, C .../52, mit ihrem Gatten Josef H. Gesamtgläubigerin beider Kläger. Der Zweitklägerin steht nur gegen Josef H. und nicht gegen die betreibende Partei und jetzige Beklagte eine Gegenforderung zu. Der Hinweis des Berufungsgerichtes darauf, daß die Annahme der Aufrechnungserklärung für die Wirksamkeit der Aufrechnung nicht erforderlich sei, greift im gegenständlichen Falle deshalb nicht durch, weil es zunächst darauf ankommt, ob die Forderungen gegenseitig zusammentreffen, was nur dann der Fall wäre, wenn auch Lore H., die betreibende Partei und Beklagte, neben ihrem Gatten Schuldnerin der Zweitklägerin wäre. Das Berufungsgericht hat die Besonderheiten des Gesamtforderungsverhältnisses, wie sie in den §§ 892 ff. ABGB. normiert sind, in bezug auf die Zulässigkeit der Kompensation nicht berücksichtigt und ist daher zu einem unrichtigen Ergebnis gelangt. Gemäß § 892 ABGB. muß der Schuldner das Ganze demjenigen der Gesamtgläubiger entrichten der ihn zuerst darum angeht. Die Aufrechnung des Schuldners mit Forderungen gegen andere Gläubiger müßte zur Aufrollung des Innenverhältnisses der Mitgläubiger führen, womit aber der Gläubiger gegen seinen Willen vom Schuldner nicht befaßt werden darf, zumal gemäß § 895 letzter Satz ABGB. zwischen Mitgläubigern eine Ausgleichungspflicht im Zweifel nicht besteht (vgl. Gschnitzer in KlangsKommentar, 1. Aufl., zu § 893 f., S. 299 f.).

Schon aus diesen Erwägungen muß der Rechtsrüge der Revision Berechtigungzuerkannt werden, weshalb es sich erübrigt, auf das Vorbringen der Revisionswerberin über die Bedeutung des Umstandes, daß aus dem Vergleiche vom 22. August 1951 bloß Lucie H. forderungsberechtigt sei und nicht auch Alois H., näher einzugehen. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß bei der Gesamtforderung das Interesse des Schuldners, kompensieren zu können, dann zu beachten sein werde, wenn nur ein Manöver zwischen den Mitgläubigern vorliege, um ihm die Deckung für seine Gegenforderung zu rauben, entspricht der Lehre (vgl. Gschnitzer, a. a. O., S. 300). Dennoch kann der in diesem Zusammenhange vom Berufungsgerichte für den Eventualfall ausgesprochenen Ansicht, daß die Sache nicht spruchreif sei, nicht beigepflichtet werden, weil die Kläger im erstinstanzlichen Verfahren in dieser Hinsicht nichts vorgebracht haben. Aus demselben Gründe war auch nicht zu erörtern, ob die Verpflichtung der Kläger aus dem Beschluß vom 12. September 1952 bereits wirksam sei (§ 426 ZPO.). Die Wirksamkeit dieser Verpflichtung ist von den Parteien vor dem Erstgerichte als gegeben angenommen worden, zumal die Exekutionsbewilligung vom 10. Oktober 1952 unangefochten geblieben ist.

Aus diesen Erwägungen war der Revision Folge zu geben und in Abänderung des angefochtenen zweitinstanzlichen Urteils das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

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