OGH 3Ob5/53

OGH3Ob5/5314.1.1953

SZ 26/13

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §863
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1154
JN §87a
JN §88
JN §104
ZPO §228
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §863
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1154
JN §87a
JN §88
JN §104
ZPO §228

 

Spruch:

Zur Ausschließlichkeit des Gerichtsstandes nach § 104 JN.

Wenn eine Schweizer Firma mit einer inländischen als ausschließlichen Gerichtsstand den allgemeinen Gerichtsstand vereinbart, so muß angenommen werden, daß sie damit auch Feststellungsklagen einschließen wollte.

Entscheidung vom 14. Jänner 1953, 3 Ob 5/53.

I. Instanz: Landes- als Handelsgericht Linz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Linz.

Text

Die Klägerin begehrt in der Klage Cg 198/51 die Verurteilung der beklagten Partei zur Bezahlung eines Betrages von sFr 336.243.16 s. A. als Kaufpreis für geliefertes Roheisen und Bleche und in der mit dieser verbundenen Klage Cg 199/51 die Feststellung, daß das zwischen den Streitteilen am 14. September 1950 abgeschlossene Übereinkommen mit dem im Klagebegehren angeführten Wortlaut rechtsgültig und wirksam sei bzw. daß das Vertragsverhältnis zwischen den beiden Streitteilen laut schriftlichem Übereinkommen vom 17. Feber 1948 mit Wirksamkeit vom 30. Oktober 1950 aufgelöst ist; die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes wurde bezüglich der Klage Cg 198/51 auf die Gerichtsstände der §§ 87a, 88 und 99 JN., hinsichtlich der weiteren Klage Cg 199/51 auf den des § 99 JN. gestützt. Die beklagte Partei erhob die Einrede der örtlichen und sachlichen Unzuständigkeit.

Das Prozeßgericht wies beide Klagen wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Es stellte fest, daß die Streitteile im Vertrag vom 17. Feber 1948 die schriftliche Vereinbarung getroffen haben, der Gerichtsstand für Streitigkeiten sei Linz, sofern sich diese Streitigkeiten aus Verpflichtungen der Klägerin ergeben, hingegen für Streitigkeiten, welche Verpflichtungen der Beklagten betreffen, das zuständige Handelsgericht in Zürich ist. Diese Vereinbarung ist nach Ansicht des Prozeßgerichtes eine ausschließliche, da sich aus der Urkunde ergebe, daß die Parteien mit dieser Vereinbarung bezwecken, daß Klagen gegen die Beklagten bei dem zuständigen Handelsgericht in Zürich und solche gegen die Klägerin beim Landesgericht Linz ausschließlich eingebracht werden müssen. Dies gelte auch für die Feststellungsklage, da die Parteien offenbar alle Streitigkeiten im Auge hatten, die sich aus der Tatsache des Vertragsabschlusses ergeben. Diese Gerichtsstandvereinbarung habe auch Gültigkeit, obwohl die klagende Partei behauptet, daß der Vertrag vom 17. Feber 1948 durch die Vereinbarung vom 14. und 27. September 1950 einverständlich aufgelöst worden sei. Die Gerichtsstandvereinbarung sei auch nicht dadurch derogiert worden, daß den einzelnen Warenlieferungen Auftragsbestätigungen seitens der klagenden Partei beigelegt wurden, in denen der ausschließliche Gerichtsstand Linz festgelegt wurde, da durch die unbeanstandete Annahme diese Auftragsbestätigungen eine Vereinbarung auf Abänderung der Gerichtsstandvereinbarung nicht erfolgt sei. Mit Rücksicht auf die Ausschließlichkeit der Gerichtsstandvereinbarung sei das Handelsgericht Zürich ausschließlich zur Entscheidung zuständig, weshalb beide Klagen wegen örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurückzuweisen seien.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über die Unzuständigkeitseinreden nach Verfahrensergänzung auf, wobei es aussprach, daß das Verfahren erst nachRechtskraft seiner Entscheidung fortzusetzen sei. Es vertrat unter Hinweis auf die Entscheidungen SZ. XVII/95 und SZ. XIX/228 die Ansicht, daß ein gemäß § 104 JN. vereinbarter Gerichtsstand im Zweifel nicht als ausschließlicher anzusehen sei, daß vielmehr aus der Urkunde selbst die Absicht, daß der vereinbarte Gerichtsstand ein ausschließlicher sein solle, hervorgehen müßte. Der Wortlaut des Pkt. X des Vertrages vom 17. Feber 1948 lasse aber nicht die Deutung zu, daß es sich um eine ausschließliche Gerichtsstandvereinbarung handle. Der Gerichtsstand des § 87 a JN. komme allerdings nicht in Betracht, da dieser nur bei Warenlieferungen auf Grund von Verkaufsgeschäften im engeren Sinne anwendbar sei, im vorliegenden Falle aber derartige Verkaufsgeschäfte nicht vorliegen, es sich vielmehr um Ansprüche aus einem Vertretungsverhältnis handle. Hingegen könne der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 88 Abs. 1 JN. Anwendung finden, da nach den Behauptungen der klagenden Partei anläßlich jeder Lieferung Auftragsbestätigungen an die beklagte Partei gesendet und von dieser unbeanstandet angenommen wurden, die auf der Rückseite den Vermerk enthalten, daß bei allen Vertragsabschlüssen als Erfüllungsort Linz gelte und für alle Rechtsstreitigkeiten ausschließlich Linz als Gerichtsstand in Betracht komme. Dieser Gerichtsstand beziehe sich aber auch auf Ansprüche aus einem Vertretungsverhältnis. Es sei daher festzustellen, ob die Auftragsbestätigungen vor oder zugleich mit den Lieferungen der beklagten Partei übermittelt wurden und ob die beklagte Partei die Auftragsbestätigungen beanstandet habe. Hinsichtlich der Klage Cg 199/51 sei noch zu erörtern und festzustellen, ob die beklagte Partei zur Zeit der Klagseinbringung fällige Provisionsforderungen gegen die klagende Partei hatte, die nicht durch Kompensation erloschen seien, in welchem Falle der Gerichtsstand nach § 99 JN. gegeben wäre. Überdies sei noch über die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit zu entscheiden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei Folge und stellte den Beschluß des Prozeßgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist zwar richtig, daß nach dem überwiegenden Teil der Lehre und Rechtsprechung die vereinbarte Zuständigkeit nur dann als ausschließliche zu gelten hat, wenn wich dies aus der Urkunde über die Vereinbarung oder aus der Absicht der Parteien ergibt. Allein aus der vorliegenden Vereinbarung geht entgegen der Meinung des Rekursgerichtes eindeutig die Absicht der Parteien hervor, daß der vereinbarte Gerichtsstand ein ausschließlicher sein sollte. Nach Pkt. X des Vertrages vom 17. Feber 1948 soll Gerichtsstand für Streitigkeiten Linz sein, sofern sich diese Streitigkeiten aus Verpflichtungen der Klägerin ergeben, hingegen das zuständige Handelsgericht in Zürich für alle Streitigkeiten, die Verpflichtungen der beklagten Partei betreffen. Da nach der Bestimmung des § 65 JN. für Klagen gegen die klagende Partei ohnedies das Gericht in Linz, für solche gegen die beklagte Partei das Gericht in Zürich zuständig wäre, ist nicht einzusehen, welchen anderen Sinn und Zweck die vorliegende Vereinbarung haben sollte, als den, daß die angerufenen Gerichte für die erwähnten Streitigkeiten ausschließlich, d. h. unter Ausschluß jedes anderen Wahlgerichtsstandes, zuständig sein sollten. Es ergibt sich daher entgegen der Meinung des Rekursgerichtes bereits aus der Urkunde, bzw. nach der aus dieser hervorleuchtenden Absicht der Parteien, daß die vereinbarte Zuständigkeit eine ausschließliche sein sollte. Die im Rekurs gegen den Beschluß des Prozeßgerichtes geäußerte Ansicht der klagenden Partei, nach der Entscheidung SZ. VIII/16 (richtig VII/16) könne die Vereinbarung eines Gerichtsstandes im Auslande niemals die Wirkung der Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes haben, ist vollkommen verfehlt; denn diese Entscheidung besagt mit keinem Worte, daß die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes im Auslande keine Rechtswirksamkeit habe, sie berührt vielmehr diese Frage überhaupt nicht. Auch der Umstand, daß die Klägerin ein verstaatlichtes Unternehmen ist, steht der Annahme, daß für Klagen gegen die Beklagte aus Streitigkeiten, die sich aus Verpflichtungen der Beklagten ergeben, ein ausländisches Gericht ausschließlich zuständig sein solle, keineswegs entgegen, da ja die bezügliche Vereinbarung auch die Bestimmung enthält, daß für Klagen gegen die klagende Partei aus Streitigkeiten, die sich aus Verpflichtungen der klagenden Partei ergeben, das Gericht in Linz zuständig sein soll.

Da sich somit bereits aus der Urkunde eindeutig ergibt daß es sich um die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes handelt, war eine Erörterung der Frage, ob die Voraussetzungen für andere Wahlgerichtsstände wie die der §§ 87a, 88 Abs. 1 oder 99 JN. gegeben sind, entbehrlich, da durch die erwähnte Vereinbarung jeder andere Wahlgerichtsstand ausgeschlossen werden sollte. Ob durch den Auflösungsvertrag, dessen Rechtswirksamkeit im Verfahren Cg 199/51 festgestellt werden soll, auch die Vereinbarung über den Gerichtsstand aufgehoben werden sollte, ist in diesem Verfahren schon deshalb nicht zu untersuchen, weil zwischen den Parteien darüber ein Streit besteht, ob dieser Auflösungsvertrag überhaupt abgeschlossen wurde, und hierüber erst durch Urteil entschieden werden soll.

Was schließlich den Umstand anlangt, daß die von der Klägerin der Beklagten jeweils übersandten Auftragsbestätigungen auf der Rückseite allgemeine Verkaufsbedingungen enthalten, in denen unter Pkt. 11 angeführt ist, daß bei allen Vertragsabschlüssen als Erfüllungsort für Lieferung und Zahlung Linz als vereinbart gilt und dieser Ort auch ausschließlicher Gerichtsstand für alle Rechtsstreitigkeiten ist, so kann daraus, daß die beklagte Partei diese Auftragsbestätigungen oder den erwähnten Vermerk nicht beanstandet hat, nicht gemäß § 863 ABGB. geschlossen werden, daß durch das Stillschweigen der beklagten Partei diese ihre Zustimmung zu dem erwähnten Punkte der allgemeinen Verkaufsbedingungen erteilt habe, da die Parteien ja einen Vertrag geschlossen haben, in welchem ausdrücklich eine bestimmte Gerichtsstandvereinbarung enthalten ist, und eine Änderung dieser ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung daher der ausdrücklichen Zustimmung der beklagten Partei bedurft hätte. Eine ausdrückliche Gerichtsstandvereinbarung wird nicht durch eine nach dieser Vereinbarung erfolgte unbeanstandete Annahme einer Faktura oder Auftragsbestätigung unwirksam, deren Erfüllungsort- oder Gerichtsstandklausel mit der Vereinbarung in Widerspruch steht (GlUNF. 7429).

Aus allen diesen Erwägungen ergibt sich, daß es sich bei der gegenständlichen Gerichtsstandvereinbarung um eine ausschließliche handelt, die jedenfalls im Zeitpunkte der Klagseinbringung noch wirksam war und die jeden anderen Wahlgerichtsstand ausschließt, weshalb die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes für die Leistungsklage nicht gegeben ist.

Aber auch rücksichtlich des Feststellungsbegehrens kommt dem Revisionsrekurs Berechtigung zu.

Wenn auch die Gerichtsstandvereinbarung nur für Streitigkeiten, die sich aus Verbindlichkeiten der Beklagten ergeben, den ausschließlichen Gerichtsstand Zürich vorsieht, so glaubt der Oberste Gerichtshof doch, daß es nicht angängig ist, zwischen Feststellungsklagen rücksichtlich Verbindlichkeiten der Parteien und anderen Feststellungsklagen zu unterscheiden und letztere, also insbesondere Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Vertrages, aus der Gerichtsstandvereinbarung auszuschließen. Eine solche am Wortlaut klebende Auslegung würde dem Sinn und Zweck der Ausschließlichkeitsklausel nicht gerecht, es muß vielmehr angenommen werden, daß die Parteien mit der Vereinbarung ganz allgemein bezweckt haben, daß jeder Teil nur bei seinem natürlichen Gerichtsstand, dem allgemeinen Gerichtsstand, geklagt werden darf.

Das muß im vorliegenden Fall um so mehr angenommen werden, da eine Schweizer Firma beteiligt ist, weil nach Art. 59 der schweizerischen Bundesverfassung aufrechte Schuldner für persönliche Ansprüche nur vor dem Richter ihres Wohnsitzes - Prorogationsabreden ausgenommen - geklagt werden dürfen. Obwohl die Bundesverfassung von persönlichen Ansprüchen spricht, ist es in der schweizerischen Judikatur unbestritten, daß auch Feststellungsklagen unter die genannte Bestimmung fallen (BGE. 35, 1, 425).

Wenn demnach eine Schweizer Firma ihren heimatlichen Vorschriften entsprechend als ausschließlichen Gerichtsstand den allgemeinen Gerichtsstand vereinbart, so muß angenommen werden, daß sie damit auch Feststellungsklagen einschließen wollte. Das muß aber auch der österreichische Vertragsteil gegen sich gelten lassen, weil auch, wie oben dargelegt, nach österreichischem Recht die genannte

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