Spruch:
Vorpachtrechte sind höchstpersönliche, nicht übertragbare Rechte.
Kein Erlöschen eines Vorpachtrechtes, weil es bei einer an sich möglichen Gelegenheit nicht ausgeübt wurde.
Entscheidung vom 5. November 1952, 1 Ob 726/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Favoriten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Am 26. August 1926 haben die Eheleute Josef und Karoline H. der Beklagten und ihrem seitdem verstorbenen Gatten Lokale im Hause Wien, XI., S.straße 389, zum Zwecke des Betriebes eines Gast- und Schankgewerbes vermietet. In Punkt VIII räumten die Bestandgeber den Bestandnehmern ein Vorkaufsrecht und die Bestandnehmer den Bestandgebern ein Vorpachtrecht ein. 1935 hat die Beklagte, bevor sie das von ihr betriebene Gast- und Schankgewerbe an einen gewissen D. verpachtete, das Vorpachtrecht den Bestandgebern angeboten, doch haben diese damals die Pachtung abgelehnt.
Seither haben die ursprünglichen Bestandgeber das Eigentum an der gegenständlichen Liegenschaft mit Schenkungsvertrag dem Kläger (ihrem Sohn bzw. ihrer Schwiegertochter) übertragen. Nach Beendigung des Pachtvertrages mit D. hat die Beklagte das Gast- und Schankgewerbe ihrer Tochter verpachtet, ohne vorher die Pacht den Klägern anzubieten.
Die Kläger haben auf Grund dieses Sachverhaltes unter Berufung auf Punkt X des Vertrages, wonach dieser Vertrag auf die Erben und Rechtsnachfolger der Bestandgeber und Bestandnehmer übergeht, das Bestandverhältnis auf Grund des § 19 Abs. 1 und § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. aufgekundigt.
Das Berufungsgericht hat in Abänderung der erstrichterlichen Entscheidung die Kündigung aufrecht gehalten.
Das Berufungsgericht meint, daß die Auffassung, daß ein Vorpachtrecht ein höchst persönliches Recht sei, das in analoger Anwendung des § 1074 ABGB. an Dritte nicht abgetreten werden könne, im Gesetz nicht begrundet sei. Auch sei das Vorpachtrecht nicht dadurch erloschen, daß die Bestandgeber anläßlich der Verpachtung des Betriebes an die Ehegattin D. seinerzeit die Pachtung ausgeschlagen hätten. Das ergebe sich aus der Natur der Sache, aber auch aus dem offenkundigen Zweck der Vertragsbestimmung, in erster Linie den Bestandgebern die Möglichkeit zu geben, als Pächter den Bestandnehmern den Gastwirtschaftsbetrieb auf ihrer eigenen Liegenschaft selbst zu führen.
Dieses Urteil wurde von der Beklagten mit Revision angefochten. Der Oberste Gerichtshof stellte das erstrichterliche Urteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Was zunächst die Frage anbelangt, ob ein Vorpachtrecht erlischt, wenn es einmal nicht ausgeübt wird, so glaubt der Oberste Gerichtshof diese Frage verneinen zu müssen. Eine analoge Anwendung des letzten Satzes des § 1075 ABGB. ist nicht angängig. Es liegt in der Natur der Sache eines Vorkaufsrechtes, daß es nur einmal ausgeübt werden kann, weil die- Sache in der Regel, wenn die Einlösung durch den Berechtigten nicht erfolgt, an einen Dritten verkauft wird und damit die Möglichkeit wegfällt, das Vorkaufsrecht noch einmal geltend zu machen. Nur in dem Ausnahmsfall, daß der Kauf mit dem Dritten dann doch nicht zustande kommt, wäre die theoretische Möglichkeit gegeben, ein persönliches Vorkaufsrecht noch einmal auszuüben. Bei einem dinglichen Vorkaufsrecht wäre es zwar denkbar, es fortbestehen zu lassen, wenn es einmal nicht ausgeübt worden ist, doch würde dies über die ratio des Gesetzes hinausgehen, das durch die bücherliche Eintragung nur den Berechtigten dagegen schützen will, daß sein Recht durch Weiterverkauf frustiert wird. Man wollte aber nicht ein echtes dingliches Recht schaffen; daher war es sinnvoll, das Vorkaufsrecht mit der einmalig erfolgten Anbietung erlöschen zu lassen.
Anders ist es aber beim Vorpachtrecht. Bei diesem ist auch im Verhältnis zwischen den ursprünglichen Kontrahenten eine wiederholte Ausübung der Rechte möglich, weil durch die Pacht, anders als beim Kauf, die Sache, auf die sich das Vorrecht bezieht, nicht aus dem Vermögen des Verpflichteten ausscheidet. Es sprechen auch keine rechtspolitischen Gründe dafür, dem Berechtigten das Vorpachtrecht deshalb ein für allemal zu entziehen, weil er es einmal nicht ausgeübt hat. Das Vorpachtrecht muß daher als ein wiederkehrendes Recht angesehen werden, das abweichend vom Vorkaufsrecht durch einmalige Nichtausnützung nicht erlischt.
Dagegen ist der Oberste Gerichtshof der Rechtsmeinung, daß auch ein Vorpachtrecht von den Rechtsnachfolgern des Berechtigten nicht geltend gemacht werden kann und daß § 1074 ABGB. sinngemäß auf das Vorpachtrecht anzuwenden ist. Bei der Einräumung eines Vorkaufsrechtes spielt die Persönlichkeit des Käufers eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle, weil mit der Übergabe und der Zahlung des Kaufpreises das Verhältnis zwischen beiden Teilen beendet ist. Die Person des Käufers ist nur bei Kreditkäufen bedeutsam, weil es hier auf die Zahlungsfähigkeit des Erwerbers ankommt. Wenn das Gesetz nichtsdestoweniger die Übertragbarkeit ausschließt, so geschieht dies offenbar in der Erwägung, daß keine Dauerbindungen geschaffen werden sollen, die über die Lebensdauer der Berechtigten hinausgehen.
Die gleiche Erwägung gilt aber auch bei der Einräumung eines Vorpachtrechtes. Auch hier müssen Dauerbelastungen ausgeschlossen bleiben. Es ist nicht angängig, daß noch die Erben und Rechtsnachfolger unter völlig geänderten Verhältnissen berechtigt sein sollen ein Vorpachtrecht auszuüben. Dazu kommt noch, daß der intuitus personae bei einem Pachtverhältnis eine viel bedeutendere Rolle spielt als bei einem Vorkaufsrecht, da das Pachtgut wieder in die Hände des Verpächters nach Ablauf der Pacht zurückkehrt.
Alle diese Erwägungen führen zum Ergebnis, daß das Vorpachtrecht nicht als übertragbar anzusehen ist.
Die Kläger als Rechtsnachfolger der ursprünglichen Eigentümer konnten daher nicht verlangen, daß ihnen die Pacht angeboten wird.
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