Normen
EO §56 (2)
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §11
EO §56 (2)
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §11
Spruch:
Eine Auswertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen durch einen ehemaligen Dienstnehmer ist sittenwidrig, wenn der Dienstnehmer planmäßig, also mit Vorbedacht und unbefugt, sich in Kenntnis von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gesetzt hat, um sie dann nach Dienstaustritt zum Zweck des Wettbewerbes zu verwerten.
Entscheidung vom 1. Oktober 1952, 1 Ob 643/52.
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Nach dem Inhalt der Klage ist der Beklagte im Betriebe der klagenden Partei vom 6. März 1951 bis 31. Jänner 1952 zur Unterstützung des Werkmeisters in der Arbeitsvorbereitung tätig gewesen. Ebenfalls mit 31. Jänner 1952 ist der ab 18. Juli 1950 als Zeichner für das Konstruktionsbüro bei der klagenden Partei tätig gewesene Hubert B. aus dem Dienst der Klägerin getreten. Anläßlich der Beendigung dieser Dienstverhältnisse haben der Beklagte und Hubert B. gegenüber der klagenden Partei die schriftliche Erklärung abgegeben, daß sie keine wie immer gearteten Zeichnungen und Angebotsunterlagen der klagenden Partei in ihren Besitz genommen, oder dritten Personen zugänglich gemacht haben.
Der Beklagte hat nunmehr den Maschinenbaubetrieb des Alois St. in L. übernommen und ist in diesem Betrieb auch der Hubert B. tätig.
Unter Hinweis auf seine Erfahrung auf dem Gebiet des Textilmaschinenbaues versende der Beklagte nunmehr ein Fertigungsprogramm, das mit dem der klagenden Partei im wesentlichen identisch sei. Die Konstruktionszeichnungen, die den Offerten angeschlossen seien, decken sich im wesentlichen mit den von der klagenden Partei entworfenen Konstruktionen. Solche Ähnlichkeiten hätten sich bei den Schergattern im Profil und bei anderen Maschinen, wie z. B. dem Velourhebe-Apparat, den Kettenbaumscheiben und den Dämpftischen ergeben. Hiedurch habe der Beklagte Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm und dem Hubert B. vermöge des Dienstverhältnisses bei der klagenden Partei anvertraut worden seien, für sich zum Zwecke des Wettbewerbes ausgewertet, was gegen die guten Sitten verstoße.
Die klagende Partei beantragte, der beklagten Partei die Erzeugung, den Vertrieb und die Werbung für eine Reihe von im Urteilsbegehren angeführten Maschinen zu untersagen.
Gleichzeitig wurde die Erlassung einer einstweiligen Verfügung begehrt, wonach der beklagten Partei bis zur rechtskräftigen Entscheidung die Erzeugung, der Vertrieb und die Werbung hinsichtlich der obgenannten Maschinen untersagt werden sollen.
Die beklagte Partei hat sich zu diesem Antrag, obwohl sie hiezu mit E-Formular 143 aufgefordert worden war, nicht geäußert.
Das Erstgericht hat daraufhin die einstweilige Verfügung unter Hinweis auf die Bestimmung des § 56 Abs. 2 EO., wonach die beklagte Partei infolge Nichtäußerung als dem Antrage auf Erlassung der einstweiligen Verfügung zustimmend zu behandeln ist, bewilligt.
Dem Rekurs der beklagten Partei hat das Rekursgericht Folge gegeben und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen.
Wenn auch, so führte das Rekursgericht aus, gemäß § 56 Abs. 2 EO. die Partei, die sich innerhalb der gesetzten Frist nicht äußert, als dem Antrag zustimmend anzusehen sei, so sei das Gericht hiedurch der Pflicht nicht enthoben die rechtlichen Voraussetzungen des gestellten Antrages zu prüfen.
Auch der im E-Formular 143 enthaltene Rechtsmittelverzicht sei wirkungslos, da ein vorheriger Verzicht auf ein Rechtsmittel nur dann zulässig und wirksam sei, wenn dem Verzichtenden der Inhalt der Entscheidung bekannt ist. Aus diesen Erwägungen sei daher meritorisch über den Rekurs zu entscheiden gewesen. Dem Rekurse komme Berechtigung zu. Denn wenn auch nach § 24 UWG. eine Bescheinigung der Gefährdung nicht notwendig sei, so sei aber im Gesetz dennoch gefordert, daß der Unterlassungsanspruch der klagenden Partei bescheinigt wurde. Dies treffe aber im gegenständlichen Falle nicht zu. Denn daß der Dienstnehmer ohne Verstoß gegen die Bestimmungen des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb seine bei dem früheren Dienstgeber gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen in einem eigenen Unternehmen zu eigenem Nutzen im Rahmen des Wettbewerbes verwerten dürfe, könne wohl nicht bestritten werden. Ein sittenwidriges Verhalten sei aber im Sinne des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb nur dann gegeben, wenn ein Dienstnehmer mit Vorbedacht und unbefugt, somit planmäßig, während des Dienstverhältnisses Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Dienstgebers ermittle und diese nach seinem Austritt zum Zwecke des Wettbewerbes ausnütze. Da für diese Annahme jede Behauptung in der Klage fehle, zumal die Umstände, daß der Beklagte und Hubert B. während des Dienstverhältnisses sich um Angelegenheiten kümmerten, die mit ihren Dienstverrichtungen in keinem Zusammenhang gestanden seien, daß sie ferner zur gleichen Zeit das Dienstverhältnis gelöst haben und bei ein und derselben Firma derzeit tätig sind, nicht hinreichen, um ein derartiges planmäßiges und vorbedachtes Vorgehen zu bescheinigen, sei der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was zunächst die Frage anlangt ob mit Rücksicht auf die Nichtäußerung seitens der beklagten Partei das Erstgericht der Verpflichtung enthoben war, die Voraussetzung für die Erlassung der einstweiligen Verfügung zu prüfen, tritt der Oberste Gerichtshof der Rechtsansicht des Rekursgerichtes bei.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung vom 2. Juli 1914, amtl. Slg. NF. 1585, SprR. Nr. 244, zum Ausdruck gebracht hat, sind die Voraussetzungen für die Gewährung des beschleunigten Rechtsschutzes durch einstweilige Verfügung in der Exekutionsordnung durch zwingendes Recht festgesetzt und können durch Parteiabrede oder durch Heranziehung einer Zustimmungsfiktion nicht abgeändert werden. Im gleichen Sinn erging die Entscheidung 1 Ob 623/50. Demnach ist das Gericht durch den Umstand, daß der Gegner der gefährdeten Partei sich zur einstweiligen Verfügung nicht geäußert hat, der Pflicht nicht enthoben, die Voraussetzungen für eine derartige Maßnahme, im gegenständlichen Fall also die Bescheinigung des Anspruches zu prüfen. Damit ist aber auch die Einwendung der klagenden Partei widerlegt, die meint, daß gemäß § 56 Abs. 2 EO. infolge Nichtäußerung des Gegners das Gericht die Beweisstärke des tatsächlichen Vorbringens nicht mehr überprüfen könne. Vielmehr hat das Gericht die Frage der Bescheinigung des Anspruches kraft zwingender Rechtsnorm selbst einer Prüfung zu unterziehen (Pollak ZPR. S. 497).
Auch hinsichtlich der Frage des Rechtsmittelverzichtes teilt der Oberste Gerichtshof die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes. Wenn auch im E-Formular 143 ein Rechtsmittelverzicht für den Fall der Nichtäußerung des Antragsgegners enthalten ist, so ändert dies nichts an dem Umstand, daß es sich hiebei um einen Vorausverzicht handelt. Während die ältere Rechtsprechung GlUNF. 6170 und die Fragebeantwortung zu § 472 ZPO. einem einseitigen Vorausverzicht bindende Wirkung zuerkannte, hat die Lehre (Sperl, S. 295, 597) und die neuere Rechtsprechung (SZ. VII/354, 2 Ob 751/51) mit eingehender und zutreffender Begründung den Rechtsmittelverzicht nur für wirksam erklärt, wenn er nach Fällung bzw. Zustellung des Urteiles ausdrücklich und schriftlich abgegeben wird. Auf eine solche Verzichtserklärung können nicht die Grundsätze des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches angewendet werden, weil die prozessualen Handlungsbefugnisse keine subjektiven Rechte oder Verfahrensansprüche wider die Gegenpartei darstellen. Sie gehören nicht dem Privatrecht an, unterliegen somit nicht der Parteidisposition. Der Verzicht auf ein Rechtsmittel kann nicht als privatrechtliche Auflassung eines wider den Gegner zustehenden Anspruches stattfinden, sondern nur nach Maßgabe des Prozeßrechtes. Läßt dieses den Verzicht zu, so muß dieser in Form einer Prozeßhandlung, demnach ausdrücklich erklärt werden. Der Vorausverzicht vor Prozeßbeginn oder vor Urteilsfällung bzw. Erlassung des diesbezüglichen anfechtbaren Beschlusses ist daher ungültig.
Was schließlich die Voraussetzung für die Erlassung der einstweiligen Verfügung selbst anlangt, ist davon auszugehen, daß der Beklagte sich nicht mehr im Dienste der klagenden Partei befindet und ihm die Verwertung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, die ihm während der Dienstzeit bei der klagenden Partei anvertraut wurden, zum Vorwurf gemacht wird. Es ist richtig, daß es sich im § 11 UWG. lediglich um einen Strafschutz der geschäftlichen Betriebsgeheimnisse während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses handelt; dies bedeutet aber nicht, daß die Verwertung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nach Auflösung des Dienstvertrages zivilrechtlich im Sinne des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb nicht verfolgbar wäre. Eine solche Verwertung ist gemäß § 1 UWG. sittenwidrig, wenn diese Sittenwidrigkeit durch besondere Umstände begrundet wird, was dann der Fall ist, wenn der Dienstnehmer planmäßig, also mit Vorbedacht und unbefugt, sich in Kenntnis von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gesetzt hat, um sie dann nach Austritt aus dem Dienstverhältnis zum Zwecke des Wettbewerbes zu verwerten (Callmann, UWG., § 17 Anm. 9 a, S. 534; § 17 Anm. 22 b, S. 539; SZ. XIII/62).
Da für eine derartige Annahme jegliche Behauptung in der Klage fehlt, sind die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht bescheinigt, weshalb mit Recht das Rekursgericht den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen hat.
Wenn die klagende Partei in ihrem Revisionsrekurs darauf verweist, daß der Beklagte während seiner Dienstzeit den Zeichner angestiftet habe, Duplikate der technischen Zeichnungen für ihn herzustellen, so handelt es sich diesbezüglich um ein neues Vorbringen in der dritten Instanz, auf das einzugehen sich erübrigte.
Dem Revisionsrekurs war daher aus diesen Erwägungen der Erfolg zu versagen.
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