Normen
ABGB §870
ABGB §1233
ABGB §1235
ABGB §1295 (2)
ZPO §411
ABGB §870
ABGB §1233
ABGB §1235
ABGB §1295 (2)
ZPO §411
Spruch:
Wird bei einer allgemeinen Gütergemeinschaft unter Lebenden ein Ehegatte rechtskräftig zu einer Leistung verurteilt, so haftet der andere Ehegatte sachlich mit dem gemeinsamen Vermögen. In dem Rechtsstreit gegen den zweiten Gatten ist daher regelmäßig nur festzustellen, ob ein rechtskräftiges Urteil gegen den ersteren vorliegt und ob eine allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden besteht, nicht aber ob das gegen den anderen Gatten ergangene Urteil materiellrechtlich richtig ist. Der zweite Ehegatte kann aber wohl die Einrede der Arglist oder des Verstoßes gegen die guten Sitten erheben.
Es verstößt gegen die guten Sitten, einen Widerstreit zwischen dem formalen Recht und der materiellen Rechtslage auszunützen, der selbst arglistig herbeigeführt wurde.
Entscheidung vom 24. September 1952, 1 Ob 735/52.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Das Erstgericht hat mit Urteil vom 26. April 1952 der auf Leistung von 49.600 S s. A. gerichteten Klage mit der Begründung stattgegeben, der Gatte der Beklagten Josef R. sei mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 26. Jänner 1952, 14 Cg 305/51, zur Zahlung von 49.600 S s. A. rechtskräftig verurteilt worden, die Beklagte habe mit ihrem Gatten mit Notariatsakt vom 8. Feber 1900 Ehepakte über eine allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden abgeschlossen, wonach sich die Gemeinschaft auf das beiderseitige gegenwärtige und zukünftige Vermögen erstrecke und ein gegenseitiges Belastungs- und Veräußerungsverbot bestehe; vermöge dieser Gütergemeinschaft hafte die Beklagte mit dem den Gegenstand der Gemeinschaft bildenden Vermögen für die Schulden ihres Gatten, die Beklagte könne die Frage nach der meritorischen Richtigkeit des gegen ihren Gatten ergangenen Urteiles nicht mehr aufrollen. Es könne auch nicht gesagt werden, daß das Klagebegehren gegen sie wider die guten Sitten verstoße und offenbar nur den Zweck habe, die Beklagte zu schädigen. Falls das Belastungs- und Veräußerungsverbot im Grundbuch eingetragen sei, werden die Kläger auch nicht im Exekutionswege die Belastung oder Zwangsversteigerung der Liegenschaft erwirken können.
Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Es hat in der Begründung ausgeführt, die Beklagte habe im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, daß den Klägern keinerlei Lohnansprüche zustunden, daß ihre Forderungen zumindest maßlos übertrieben seien und die Kläger ohne jeglichen Rechtsgrund die Forderung von 10.000 S geltend gemacht hätten. Sowohl die zu 14 Cg 305/51 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz gegen Josef R. erhobene Klage, sowie die vorliegende Klage stellten Versuche dar, die Beklagte in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zu zwingen, die Josef R. und der Beklagten gehörige Landwirtschaft den Klägern zu übergeben. Es sei nicht von der Hand zu weisen, daß das Nichterscheinen des Josef R. bei der ersten Tagsatzung in der Rechtssache 14 Cg 305/51 absichtlich herbeigeführt und vereinbart gewesen sei, das Vorgehen der Kläger widerspreche daher den guten Sitten und habe offenbar nur den Zweck, die Beklagte zu schädigen und sie den Absichten der Kläger gefügig zu machen. Die Beklagte werfe damit Josef R. und den Klägern ein einverständliches und arglistiges, somit den guten Sitten widerstreitendes Vorgehen gegen die Beklagte vor. Die vom Erstgericht vernachlässigte Frage, ob die Kläger durch ein arglistiges Zusammenspiel mit Josef R. gegen diesen ein Versäumnisurteil für zumindest zum Teil nicht existente Ansprüche erwirkt haben, wodurch die Beklagte im Hinblick auf die abgeschlossenen Ehepakte einen Schaden erleiden sollte, sei daher von wesentlicher Bedeutung. Das Verbot der materiellrechtlichen Überprüfung des gegen Josef R. ergangenen Versäumnisurteiles könne deshalb gegenüber der Beklagten keine Wirkung auslösen, wenn Arglist der Kläger bei Erwirkung des Versäumnisurteiles im Spiele gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei einer allgemeinen Gütergemeinschaft unter Lebenden haftet das der Gemeinschaft unterworfene Vermögen für die Schulden jedes Gatten. Ist daher ein Ehegatte rechtskräftig zu einer Leistung verurteilt, so steht die Schuld dieses Gatten endgültig fest und haftet der andere sachlich mit dem gemeinsamen Vermögen (vgl. SZ. XII/101, XVIII/179, XIX/98, 198). In dem Rechtsstreit gegen den zweiten Gatten ist daher regelmäßig nur festzustellen, ob ein rechtskräftiges Urteil gegen den anderen vorliegt und ob eine allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden besteht, nicht aber, ob das gegen den anderen Gatten ergangene Urteil materiellrechtlich richtig ist. Es handelt sich hiebei jedoch nicht darum, daß die Rechtskraft dieses Urteiles sich etwa auch auf den anderen Gatten, der im ersten Prozeß ja nicht Partei war, erstreckt, sondern um die Tatbestandswirkung, daß die Verpflichtung des Verurteilten zu der im Urteil bezeichneten Leistung festgestellt ist (vgl. die bei Michlmayr - Stagel, ZPO., 10. Aufl., S. 880 unter G, Nr. 3 zu § 411 zitierte Rechtsprechung). Der nichtverurteilte Gatte könnte daher an sich die Unrichtigkeit dieses Urteiles behaupten, er muß aber gegen sich gelten lassen, daß der verurteilte Gatte zumindest infolge dieses Urteiles Schuldner geworden ist (vgl. Ehrenzweig, Allgemeiner Teil 1951, S. 351). Da es sich somit hier nicht um die Wirkung der Rechtskraft handelt, kann der mit der zweiten Klage belangte Gatte die Einrede der Arglist bzw. des Verstoßes gegen die guten Sitten erheben. Nun verstößt es gegen die guten Sitten, einen Widerstreit zwischen dem formalen Recht und der materiellen Rechtslage auszunützen, der selbst arglistig herbeigeführt wurde (vgl. Ehrenzweig, Obligationenrecht 1928, S. 624). Hätten daher die Kläger und Josef R. vereinbart, daß erstere gegen den letzteren allein eine zumindest zu einem größeren Teil nicht bestehende Forderung im Klageweg geltend machen und daß sich Josef R., ohne Einwendungen zu erheben, verurteilen lasse, um auf diesem Wege die Beklagte zur Übergabe ihrer mit Josef R. gemeinsamen Landwirtschaft unter ihr nicht genehmen Bedingungen an die Kläger zu bringen und sie so zu schädigen, so wäre dieses Vorgehen der Kläger als gegen die guten Sitten verstoßend im Sinne des § 1295 Abs. 2 ABGB. rechtswidrig und ihre Klage gegen die Beklagte insoweit abzuweisen.
Das Berufungsgericht ist demnach mit Recht der Meinung, daß das dahingehende Vorbringen der beklagten Partei im erstinstanzlichen Verfahren von entscheidender Bedeutung ist und deshalb das Erstgericht die darüber angebotenen Beweise nicht ablehnen durfte.
Der angefochtene Beschluß ist somit zutreffend und war daher dem Rekurse ein Erfolg zu versagen.
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