OGH 3Ob521/52

OGH3Ob521/5227.8.1952

SZ 25/223

Normen

ABGB §812
AußStrG §125
AußStrG §127 (1)
ABGB §812
AußStrG §125
AußStrG §127 (1)

 

Spruch:

Zum Antrag nach § 127 Abs. 1 AußstrG. sind nur erbserklärte Erben, nicht aber Noterben berechtigt. Hingegen sind Noterben, die zwar eine Erbserklärung abgegeben haben, aber gemäß § 125 AußstrG. auf den Rechtsweg verwiesen wurden, zur Antragstellung nach § 812 ABGB. legitimiert, jedoch nur aus Gründen, die mit dem Tod des Erblassers und einer Vermengung des Vermögens mit dem Nachlaß im Zusammenhang stehen.

Entscheidung vom 27. August 1952, 3 Ob 521/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht gab im Punkte 2 seines Beschlusses vom 29. Mai 1952 dem Antrag der Söhne des Erblassers Paul und Werner V. auf Nachlaßseparation Folge und bestellte einen Separationskurator. Im Punkt 4 wurde das vom Verlassenschaftskurator ausgesprochene Verbot, das dem erbl. Sohn Paul V. und der erbl. Witwe Hildegund V. die Räume der Firma C. A. V. zu betreten untersagte, genehmigt und diesen beiden das Betreten der Räume bei Exekution verboten. Im Punkt 5 wird die vom Verlassenschaftskurator verfügte Kündigung der Witwe und Entlassung des Sohnes Paul V. abhandlungsbehördlich genehmigt. Punkt 2 wird damit begrundet, daß unbestrittenermaßen die erbl. Witwe ein immerhin bedeutendes Vermögen in der Ehe erworben habe, sich in die Geschäftsführung der Firma eingemischt habe und daher zu befürchten sei, daß eine Vermengung der Erbschaft mit dem Vermögen der Erbin die Pflichtteilsforderung der erbl. Söhne zumindest teilweise in Frage stellen könnte; Punkt 4 damit, daß Paul V. den Angestellten der Firma verboten habe, irgendwelche Anordnungen der Frau Hildegund V. zu befolgen, ohne hiezu berechtigt gewesen zu sein, die Angestellten seine Verfügungen befolgten, obwohl ihnen bekannt war, daß seine Berechtigung bestritten sei. Es sei untunlich, daß die Witwe irgendwelche Anordnungen im Betriebe treffe. Aus diesen Gründen sei auch die Entlassung des Paul V. und die Kündigung der Witwe gerechtfertigt (Punkt 5).

Infolge Rekurses beider Erbengruppen änderte das Rekursgericht den Beschluß im Punkt 2 dahin ab, daß der Separationsantrag abgewiesen wurde, die Punkte 4 und 5 wurden bestätigt. Hinsichtlich der Vermögensseparation wurde den erbl. Söhnen wohl die Antragsberechtigung zuerkannt, weil sie auch als Pflichtteilsberechtigte in Betracht kämen, doch sei eine Absonderung nicht notwendig, weil ohnedies ein Verlassenschaftskurator bestellt worden sei. Hingegen seien die Punkte 4 und 5 zu bestätigen gewesen, weil nach den Feststellungen des Erstgerichtes sowohl die Witwe als auch Paul V. ihre Differenzen mit Hilfe ihrer Stellung im Unternehmen auszutragen versucht hätten, wobei es jeder Teil unternommen habe, einen maßgebenden Einfluß auf das Unternehmen zu gewinnen. Es sei daher das Betretungsverbot und die Entlassung berechtigt gewesen. Ob die Entlassung nach den Vorschriften des Angestelltengesetzes berechtigt sei, würde vom Arbeitsgericht zu entscheiden sein. Dieser Entscheidung des Arbeitsgerichtes werde durch die Genehmigung der Verfügungen des Verlassenschaftskurators nicht vorgegriffen. Da die Beteiligten nur dort zu vernehmen seien, wo dies ausdrücklich im Gesetze vorgeschrieben sei, liege keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin, daß die Söhne nicht vernommen und den Vernehmungen der Auskunftspersonen nicht beigezogen wurden. Dem Betriebsrat stehe eine Beteiligung am Verfahren nicht zu, es könne daher seine Stellungnahme nicht ausschlaggebend sein.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs, soweit er sich gegen Punkt 2 der Entscheidung des Rekursgerichtes richtet, nicht Folge und wies ihn im übrigen zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zu Punkt 2. Die Antragsberechtigung der erbl. Söhne muß anerkannt werden. Wohl haben sie die bedingte Erbserklärung zum Nachlaß abgegeben, die auch zu Gericht angenommen wurde. Allein es wurden zu diesem Nachlasse widersprechende Erbserklärungen abgegeben und die Söhne mit ihren Ansprüchen als Kläger auf den Rechtsweg verwiesen. Je nach dem Ausgang des Rechtsstreites besteht die Möglichkeit, daß sie nur pflichtteilsberechtigt sind, also gegen den Nachlaß nur einen Geldanspruch haben. Aus diesem Gründe mußte ihnen auch das Recht zur Antragstellung nach § 812 ABGB. zuerkannt werden. Allerdings können sie dann auch nur jene Umstände zur Begründung ihres Antrages heranziehen, die sich auf ihre Stellung als Noterben beziehen, daher nicht, daß angeblich der Erblasser testamentarisch über das Nachlaßvermögen nicht verfügen durfte, weil zugunsten der Söhne eine fideikommissarische Substitution bestehe, oder daß das Testament ungültig sei, usw.; denn alle diese Umstände beziehen sich auf ihre Erbenstellung, deretwegen sie aber keine Vermögensabsonderung begehren können.

Richtig ist, daß der Verlassenschaftsgläubiger, daher auch der Noterbe, eine Gefährdung nicht bescheinigen muß; es genügt vielmehr, daß er Befürchtung für die Einbringlichkeit seiner Forderung hegt. Allerdings müssen jene Umstände angegeben werden, welche die subjektive Besorgnis begrunden. Die Besorgnis muß in dem durch den Tod des Erblassers entstandenen rechtlichen und tatsächlichen Gefahrenmoment ihre Ursache haben, sie kann nicht auf Umstände gegrundet werden, die mit dem Tode des Erblassers und der Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen des Erben in keinem Zusammenhang stehen (1 Ob 588/50). Nun brachten die Söhne in ihrem ersten Antrage vor, die Testamentserbin habe den schwerkranken Erblasser veranlaßt, die bis dahin mit seinen Söhnen gemeinsam bewohnte Wohnung überfallsartig aufzusuchen und unter Mißachtung des Testamentes ihrer Mutter alles von Wert zu rauben. Sie habe den Erblasser veranlaßt, die Substanz des Vermögens zu vermindern, sie reichlich zu beschenken und strafbare Handlungen zu begehen. Sie habe dadurch schon vor dem Tode des Erblassers namhafte Vermögenswerte an sich gebracht. All dies sind keine Umstände, die mit dem Tode des Erblassers im Zusammenhang stehen und die eine Befürchtung wegen Vermengens des Nachlaßvermögens mit dem Erbenvermögen gerechtfertigt erscheinen lassen. Die Tatsache, daß die erbl. Witwe nach dem Vorbringen der Antragsteller über namhaftes Vermögen verfügt, spricht allein schon gegen eine solche Befürchtung. Eine Einmengung in das Unternehmen ist aber nach der Entfernung der Witwe und dem Verbot, die Räume in der Firma zu betreten, nicht mehr möglich. Mit Recht wurde daher der Antrag auf Vermögensabsonderung vom Rekursgericht abgewiesen.

Wenn der Revisionsrekurs hiezu ausführt, in diesem Antrag sei auch der Antrag auf Sequestration des Nachlasses enthalten gewesen, so ist dies verfehlt. Der Antrag auf Vermögensabsonderung steht den Söhnen nur als möglichen Noterben zu, nicht aber als erbserklärten Erben. Hingegen sind sie zu einem Antrag nach § 127 Abs. 1 AußstrG. nur als erbserklärte Erben berechtigt. Aber selbst wenn es richtig wäre, daß sie einen Antrag auf Sequestration gestellt hätten, wäre diesem nicht stattzugeben. Auf Antrag aller Beteiligten wurde vom Erstgericht ein Verlassenschaftskurator bestellt, da mit Rücksicht auf die widersprechenden Erbserklärungen keiner der erbserklärten Erben zur Vertretung und Besorgung des Nachlasses zugelassen werden konnte. Die Behauptung, daß der bestellte Kurator ein solcher nach § 77 AußstrG. für den mj. Werner V. sei, ist aktenwidrig. Für den Minderjährigen wurde ein Vormund bestellt, der ihn auch im Verlassenschaftsverfahren vertreten kann. Für einen Kurator nach § 77 AußstrG. wäre daher kein Raum. Dr. U. als Verlassenschaftskurator ist berechtigt und verpflichtet, den gesamten Nachlaß (nicht nur das Unternehmen) zu vertreten und zu verwalten, und hat dafür Sorge zu tragen, daß der Nachlaß nicht verschleppt wird. Da somit bereits eine gerichtliche Nachlaßverwaltung besteht, erübrigt sich ein Antrag nach § 127 Abs. 1 AußstrG.

Was nun die Punkte 5 und 4 des erstgerichtlichen Beschlusses anlangt, so liegt ein bestätigendes Erkenntnis des Rekursgerichtes vor. Ein weiteres Rechtsmittel ist gemäß § 16 AußstrG. nur wegen Nullität, offenbarer Gesetzwidrigkeit oder Aktenwidrigkeit zulässig. Eine Nichtigkeit wird darin erblickt, daß die Rekurswerber bzw. ihr Vertreter der Vernehmung der Auskunftspersonen nicht zugezogen wurden und sie auch vor Beschlußfassung nicht vernommen wurden. Nun hat aber das Rekursgericht mit Recht darauf hingewiesen, daß eine Beziehung der Parteien zur Vernehmung von Auskunftspersonen im Gesetz nicht vorgesehen ist. Es ist auch die Vernehmung der Parteien vor Beschlußfassung im Falle der Genehmigung einer Verfügung des Verlassenschaftskurators im Gesetze nicht vorgeschrieben. Aber selbst wenn die Parteien in erster Instanz nicht in ausreichendem Maße gehört worden wären, stand ihnen ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluß zu, worin sie, da das Neuerungsverbot im Verfahren außer Streitsachen nicht besteht, all das ausführen konnten, was ihnen infolge eines mangelhaften Verfahrens in erster Instanz verwehrt gewesen wäre. Sie haben von diesem Rechte auch Gebrauch gemacht. Eine Nichtigkeit liegt sonach nicht vor.

Eine weitere Nichtigkeit wird darin erblickt, daß das Verlassenschaftsgericht für die Genehmigung der Verfügungen des Verlassenschaftskurators und zur Erlassung eines Betretungsverbotes nicht zuständig gewesen sei, da dies ausschließlich in die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes falle. Auch hier kann dem Revisionsrekurs nicht gefolgt werden. Die Kündigung von Dienstverträgen und auch Entlassungen gehören zur ordentlichen Verwaltung, wozu die Genehmigung des Verlassenschaftsgerichtes nicht erforderlich wäre. Wenn im besonderen Falle, weil der Angestellte gleichzeitig auch als Erbe auftritt, die Genehmigung des Verlassenschaftsgerichtes vom Kurator eingeholt wurde, so hatte das Gericht nur die Handlungsweise des Kurators zu prüfen, hat aber nicht darüber abgesprochen, ob die Entlassung nach dem Angestelltengesetz zulässig war. Diese Entscheidung hierüber fällt in die ausschließliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes. Dieser Entscheidung des Arbeitsgerichtes wurde durch die Genehmigung ebensowenig vorgegriffen wie bei Erteilung einer Prozeßermächtigung oder Genehmigung der Kündigung eines Bestandvertrages der Entscheidung des Prozeßgerichtes. Daß einem entlassenen Angestellten das Betreten der Betriebsräume auch ohne Genehmigung des Verbotes durch das Gericht versagt ist, braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Paul V. ist aber nicht nur Angestellter des Unternehmens, sondern auch gesetzlicher Erbe, dessen Erbserklärung zu Gericht angenommen worden ist. Er könnte daher als Erbe das Recht in Anspruch nehmen, die Betriebsräume zu betreten. Durch das Verbot des Abhandlungsgerichtes kann daher nur sein Recht aus der Erbenstellung betroffen sein, da dem Rekurswerber als Erben (und nicht als Angestellten) das Betreten der Räume untersagt worden ist. Hierüber hat aber ausschließlich das Verlassenschaftsgericht und niemals das Arbeitsgericht zu entscheiden. Auch in diesem Punkte liegt daher eine Nichtigkeit nicht mehr vor.

Mit den sonstigen Ausführungen des Revisionsrekurses wird aber lediglich die sachliche Berechtigung des angefochtenen Beschlusses bekämpft bzw. die darin ausgesprochene Rechtsansicht, allenfalls werden damit Mängel des Verfahrens gerügt. Aus all diesen Gründen ist aber die Erhebung eines a. o. Revisionsrekurses gemäß § 16 AußstrG. unzulässig.

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