OGH 3Ob509/52

OGH3Ob509/5227.8.1952

SZ 25/222

Normen

ABGB §91
ABGB §1042
Kirchenbeitragsgesetz §§1 ff
ZPO §1
ABGB §91
ABGB §1042
Kirchenbeitragsgesetz §§1 ff
ZPO §1

 

Spruch:

Die Diözesen sind hinsichtlich der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Kirchenbeitragsgesetz prozeßfähig.

Der unterhaltspflichtige Ehemann haftet weder nach § 91 noch nach § 1042 ABGB. für Kirchenbeiträge der Ehegattin.

Entscheidung vom 27. August 1952, 3 Ob 509/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Liezen; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Die Diözese S., vertreten durch die Finanzkammer G., begehrte von den Beklagten, einem Ehepaar, zur ungeteilten Hand die Zahlung von 290 S an rückständigen Kirchenbeiträgen sowie 3 S Mahnspesen. Die Verpflichtung der Zweitbeklagten leitete die Klägerin aus deren Zugehörigkeit zur katholischen Kirche, die des Erstbeklagten, der schon seit Jahren der katholischen Kirche nicht angehört, aus seiner gegenüber seiner Gattin, der Zweitbeklagten, bestehenden Unterhaltspflicht gemäß § 91 ABGB. ab.

Das Erstgericht hat die Beklagten zur ungeteilten Hand im Sinne des Klagebegehrens verurteilt.

Auf die Berufung der beiden Beklagten hat das Berufungsgericht das angefochtene Urteil hinsichtlich der Zweitbeklagten aufgehoben und hinsichtlich des Erstbeklagten im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens geändert. Bei der Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich des Erstbeklagten ging das Berufungsgericht von der Annahme aus, daß die Bezahlung von Kirchenbeiträgen nicht als ein Bestandteil der aus § 91 ABGB. fließenden Unterhaltspflicht des Ehemannes anzusehen sei, es sich dabei vielmehr um eine höchstpersönliche Verpflichtung der Ehefrau infolge ihrer Zugehörigkeit zur katholischen Kirche handle.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst hatte sich der Oberste Gerichtshof mit der von der beklagten Partei erhobenen Einwendung, daß die Klägerin prozeßunfähig und darum das ganze Verfahren nichtig sei, auseinanderzusetzen. Der Einwand trifft nicht zu. Nach § 1 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich vom 28. September 1939, Gesetzblatt für Österreich Nr. 543, ist die katholische Kirche befugt, nach Maßgabe der von ihr zu erlassenden Kirchenbeitragsordnung Kirchenbeiträge zu erheben, und nach § 6 Abs. 2 dieses Gesetzes hat der Reichsstatthalter mit Zustimmung des Reichsministers für die kirchlichen Angelegenheiten die zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes erforderliche Verordnung zu erlassen. Im Sinne dieser Ermächtigung wurde die Verordnung, LGBl. für Österreich Nr. 718/1939, erlassen, die im § 2 den Diözesanordinariaten die Befugnis zur Erhebung von Kirchenbeiträgen einräumte. Nach § 33 Abs. 2 der einheitlichen Kirchenbeitragsordnung vom 15. März 1940, die vom Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten in Wien staatsaufsichtlich genehmigt wurde, sind zur Geltendmachung des Anspruches der Diözesen auf die Kirchenbeiträge die kirchlichen Finanzkammern berufen. Die Auffassung der erstbeklagten Partei, daß der klagenden Partei die Prozeßfähigkeit abgehe, ist daher haltlos. Nur nebenbei sei bemerkt, daß auch, wenn es sich nicht um Kirchenbeiträge handelte, die Meinung der erstbeklagten Partei, es komme nur der katholischen Gesamtkirche Rechtspersönlichkeit zu, mit den Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der katholischen Kirche, RGBl. Nr. 50 vom Jahre 1874, (insbesondere mit den §§ 35, 44, 45) in Widerspruch stunde.

Allerdings vermag sich das Revisionsgericht der Auffassung nicht anzuschließen, daß die Befriedigung religiöser Bedürfnisse nicht Bestandteil des Unterhaltes sein könne. Die Unterhaltspflicht des Ehemannes umfaßt nicht nur die Verbindlichkeit zur Befriedigung materieller, sondern auch geistiger und in diesem Rahmen auch religiöser Bedürfnisse der Ehefrau. Trotzdem muß die Passivlegitimation des Erstbeklagten verneint werden. § 91 ABGB., auf den die Klage gegen den Erstbeklagten gegrundet wird, bezieht sich nur auf das Verhältnis der Ehegatten untereinander, nicht aber auch auf Verpflichtungen gegenüber Dritten, hier also gegenüber dem Diözesanordinariate. Ein Dritter könnte Ansprüche aus der Unterhaltspflicht des Ehemannes nur auf dem Umweg über den § 1042 ABGB. stellen. Nun handelt es sich hier aber nicht um einen Aufwand, den die Kirche für die unterhaltsberechtigte Ehegattin des Erstbeklagten gemacht hat, es handelt sich nicht um Leistungen, für die etwa Stolgebühren zu entrichten wären. Die Zahlung von Kirchenbeiträgen ist ganz unabhängig davon, ob der Gläubige irgendwelche gottesdienstliche Leistungen in Anspruch nimmt, ob er an gottesdienstlichen Handlungen teilnimmt, sich seelsorglich betreuen läßt und dergleichen mehr. Die Kirchenbeiträge sind daher eine von irgendwelchen Leistungen der Kirche unabhängige Verpflichtung, die aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft fließt, und darum eine Schuld des Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft. Weder aus § 91 noch auch aus § 1042 ABGB. folgt aber eine Haftung des Unterhaltsverpflichteten für Schulden des Unterhaltsberechtigten. Aus diesen Erwägungen war das Urteil des Berufungsgerichtes zu bestätigen, ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf die nur bei der Entscheidung über den Anspruch gegen die Zweitbeklagte aufgetauchte Frage einzugehen, ob das Gericht, wenn es über den Anspruch auf Kirchenbeiträge zu entscheiden hat, an die Veranlagungsgrundlagen der kirchlichen Stellen gebunden ist.

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