Normen
ABGB §863 (2)
ABGB §1198
ABGB §1295 (2)
HGB §118
HGB §166
HGB §338
HGB §346
ABGB §863 (2)
ABGB §1198
ABGB §1295 (2)
HGB §118
HGB §166
HGB §338
HGB §346
Spruch:
Art und Umfang der Ausübung des Rechtes der Einsicht in Bücher und Belege.
Entscheidung vom 6. August 1952, 1 Ob 626/52.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Parteien haben unbestrittenerweise am 21. September 1949 vereinbart, daß bei bestimmten Geschäften die vom Kläger verdiente Einkaufsprovision und der Verkaufserlös der Beklagten nach Abzug der Kosten zwischen dem Kläger und dem Beklagten je zur Hälfte geteilt werden sollten. In der Vereinbarung ist auch bestimmt: "Einsicht in alle Belege, die auf die gemeinsamen Geschäfte Bezug haben, muß beiderseits als selbstverständlich gewährt werden". Mit der Klage wurde Rechnungslegung und Einsicht in die Belege für die Zeit vom 21. September 1949 bis zum Klagetag (21. September 1950) begehrt.
Das Erstgericht erkannte die Beklagten schuldig, der klagenden Partei auf Grund des Übereinkommens vom 21. September 1949 über die ab 1. Jänner 1950 bis 21. September 1950 getätigten Geschäfte Rechnung zu legen und in die Belege Einsicht zu geben. Das Mehrbegehren für die Zeit vom 21. September 1949 bis 31. Dezember 1949 wies es ab. Zu dieser Abrechnung für 1949 ist unbestritten, daß am 19. Jänner 1950 Rechnung gelegt wurde. Ferner stellt das Erstgericht fest, daß der Kläger in die Belege für 1949 Einsicht nehmen konnte, wovon er auch Gebrauch gemacht habe. Ende Jänner 1950 sei jedoch dem Kläger der Zutritt zur Buchhaltung und zu den Belegen nach einem Streit mit Dr. P., dem Geschäftsführer der beiden Beklagten, verwehrt worden.
Infolge der Berufung des Klägers und der Beklagten bestätigte das Berufungsgericht den verurteilenden Teil des Ersturteils, also die Verurteilung zur Rechnungslegung und Belegvorlage für die Zeit ab 1. Jänner 1950. Insoweit ist das Ersturteil rechtskräftig. Für die Zeit vom 21. September 1949 bis 31. Dezember 1949 wurde das Ersturteil dahin abgeändert, daß die Beklagten verurteilt wurden, dem Kläger in die Belege Einsicht zu geben. Dagegen blieb das Mehrbegehren auch für diese Zeit, also der Anspruch auf Rechnungslegung, abgewiesen. Ende Jänner 1950 sei dem Kläger die Einsichtsmöglichkeit in die Belege entzogen worden. Es bedürfe keiner weiteren Erörterung, daß dem Kläger auf Grund des Gesellschaftsverhältnisses nicht nur einmal, sondern jederzeit die Belegeinsicht auch für das Jahr 1949 möglich sein müsse, insolange das Verlangen nach dieser Einsicht nicht schikanös sei. Dies könne aber keineswegs gesagt werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Über die Art und Dauer der Belegeinsicht ist in der oben wiedergegebenen Parteienvereinbarung ebensowenig enthalten wie hinsichtlich der Bucheinsicht in § 1198 ABGB. oder §§ 118, 166, 338 HGB. Die Lücke ist dahin zu schließen, daß sich Art und Umfang der Ausübung des Einsichtsrechts nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte regeln (§ 863 Abs. 2 ABGB., § 346 HGB.). Die Einsicht wird jedenfalls so lange und so oft zu gewähren sein, als sie eine sachgemäße Prüfung erfordert.
Im vorliegenden Fall ist nun zwar, wie die das Revisionsgericht bindenden Feststellungen der Untergerichte ergeben, Belegeinsicht gewährt worden. Ihr Ende hat sie aber nicht infolge Abschlusses der Prüfung gefunden. Der Zugang zur Buchhaltung ist dem Kläger vielmehr infolge eines Streites verwehrt worden. Bei diesem Sachverhalt kann nicht gesagt werden, daß das Recht auf Belegeinsicht verbraucht wäre. Von dem Kläger - wie dies die Revision haben will - zu verlangen, daß er den Zweck, den er durch die Belegeinsicht verfolge, dartue, geht zu weit und verkennt das Wesen des Einsichtsrechtes. Durch dieses soll gerade die Möglichkeit einer Prüfung und eines Überblicks geschaffen werden und es kann vom Einsichtsberechtigten nicht verlangt werden, daß er zur Begründung seines Rechtes Absicht und vielleicht auch noch vermutliches Ergebnis im vorhinein behaupte und beweise. Es muß genügen, daß möglicherweise durch die bisherige Einsichtnahme Umstände noch nicht ausreichend geklärt sind, und daß eine weitere Klarstellung durch die Fortsetzung der Einsicht nicht ausgeschlossen ist. Für die Zwecklosigkeit der weiteren Einsicht spricht im vorliegenden Fall schon deswegen nichts, weil, wie bereits erwähnt, die Einsicht wegen Streites zwischen den Parteien und nicht wegen ihrer sachlichen Beendigung verwehrt wurde. Ihre Grenze findet die Belegeinsicht jedenfalls in der Schikane (§ 1295 Abs. 2 ABGB.). In dieser Beziehung wäre aber Sache der Beklagten gewesen, Umstände zu behaupten und darzutun, die das Verlangen des Klägers als schikanös erkennen lassen. Dies ist nicht geschehen.
Der unbegrundeten Revision war daher nicht Folge zu geben.
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