Normen
MarkSchG §1
MarkSchG §6
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
MarkSchG §1
MarkSchG §6
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Spruch:
Schutz nichtbenützter registrierter Marken nach § 9 UWG.
Entscheidung vom 30. Juli 1952, 1 Ob 606/52.
I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Für die gefährdete Partei ist im Markenregister mit der Priorität vom 25. April 1927 die Wortmarke "Mirabell" zur Bezeichnung von Bäckereien, Bonbons, Schokoladen und Zuckerwaren eingetragen; desgleichen ist für die Antragsgegner die gleiche Wortmarke "Mirabell" seit 1950 für "Kakao, Schokoladen, Zuckerwaren, Back- und Konditoreiwaren" eingetragen. Die unteren Instanzen haben als bescheinigt angesehen, daß die gefährdete Partei die genannte Wortmarke seit 1938 nicht mehr benützt hat, dagegen wurde als glaubhaft gemacht angesehen, daß die Gegnerin ihre Marke seit 1943 verwendet.
Die erste Instanz hat auf Antrag der gefährdeten Partei der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung untersagt, im geschäftlichen Verkehr Bäckereien, Bonbons, Schokoladen, Schokoladewaren und Zuckerwaren aller Art mit der Marke "Mirabell" zu bezeichnen und derart bezeichnete Waren in Verkehr zu bringen und feilzuhalten.
Das Rekursgericht wies die beantragte einstweilige Verfügung ab, weil eine Verwechslung mit den Erzeugnissen der gefährdeten Partei, da sie die Marke "Mirabell" nicht besitze, nach § 9 UWG. nicht möglich sei.
Der Oberste Gerichtshof stellte den erstrichterlichen Beschluß wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Entscheidend ist, ob die registerierten Marken nach dem Unlauteren Wettbewerbsgesetz an sich Schutz genießen oder nur dann, wenn weitere Voraussetzungen vorliegen. Der Oberste Gerichtshof schließt sich aus nachstehenden Erwägungen der erstangeführten Auffassung an:
Vor Erlassung des Unlauteren Wettbewerbsgesetzes haben die österreichischen Gerichte die Zulässigkeit einer zivilen Markenrechtsunterlassungsklage in ständiger Rechtsprechung verneint und auch eine Schadenersatzklage nur dann aufrecht erledigt, wenn ein strafbarer Markeneingriff vorlag. Dieser Praxis verdankt § 9 (3) UWG. seine Entstehung. Man wollte, wie die Motive ausführen, durch diese gesetzliche Bestimmung "den registrierten Marken, die zu der wichtigsten und wertvollsten unterscheidenden Kennzeichnung im Wettbewerb gehören, den privatrechtlichen Schutz im gleichen Ausmaß wie den übrigen Unternehmenskennzeichen zuerkennen." Dabei wurde ausdrücklich betont, daß aus der Fassung der vorgeschlagenen Bestimmung hervorgehe, daß die registrierten Marken den Schutz nach dem Entwurfe ebenso wie nach dem Markenschutzgesetze auf Grund ihrer Registrierung genießen, ohne daß es der Feststellung bedarf, ob sie tatsächlich im Verkehr als Kennzeichen des Unternehmers gelten."
Es ging also die klare Absicht des Gesetzgebers dahin, der registrierten Marke an sich den Zivilrechtsschutz zu gewähren, den die Gerichtspraxis bisher verweigert hatte. Daß dies in der Praxis nicht immer beachtet wurde, hängt damit zusammen, daß man bestrebt war, § 9 UWG. so auszulegen, wie die deutschen Gerichte § 16 deutsches UWG. auslegen, wobei man freilich übersah, daß man die von den deutschen Gerichten entwickelten Rechtssätze deshalb nicht übernehmen darf, weil nach deutschem Recht eine nichtbenützte Marke zu löschen ist, während dieser Löschungsgrund dem österreichischen Recht fremd ist, und daß es daher durchaus folgerichtig ist, wenn im Deutschen Reich einem nichtbenützten Warenzeichen der Schutz entzogen wird, während nach unserem Recht eine solche Lösung systemwidrig wäre.
Die vom Obersten Gerichtshof abgelehnte Auffassung übersieht, daß § 9 UWG. den Schutz der registrierten Marken nicht einschränken, sondern erweitern will, wenn er von Verwechslungsgefahr spricht. Der Inhaber einer registrierten Marke soll nicht nur die Verwendung seiner Marke durch einen Dritten untersagen dürfen, sondern auch die einer ähnlichen, die mit seiner Marke verwechslungsfähig ist. Ebensowenig Beifall verdient die Auffassung, daß die Verwechslungsfähigkeit schon "begrifflich" voraussetze, daß beide Marken nebeneinander gebraucht werden.
Diese Behauptung ist weder schlüssig noch richtig. Man kann vielleicht mit der tschechoslowakischen Praxis sagen, daß eine Unterlassungsklage trotz Registrierung des Gegenzeichens insolange nicht möglich ist, als es gar nicht verwendet wird - die Markenlöschungsklage setzt jedenfalls Verwertung des Eingriffszeichens nicht voraus -, man kann aber nicht umgekehrt in einem Rechtssystem, das der nicht verwendeten Marke einen strafrechtlichen Schutz zuerkennt, den zivilrechtlichen Schutz verweigern, weil sie nicht verwendet wird. Wenn diese Anschauung richtig wäre, müßte in jedem Fall, in dem ein ausländischer Inhaber einer international registrierten Marke gegen ein im Inland verwendetes Gegenzeichen einschreitet, obwohl unser Recht für die Anerkennung einer internationalen Marke keinen Benützungszwang statutiert, erst festgestellt werden, ob die Ausländermarke hier überhaupt verwendet wird. Das wäre mit Artikel 6 Pariser Union nicht vereinbar und würde den internationalen Markenschutz in seinem Wert bedeutend herabsetzen.
Wäre die vom Rekursgericht vertretene Auffassung richtig, so käme man zu dem Ergebnis, daß wir zwar seit Erlassung des Unlauteren Wettbewerbsgesetzes einen zivilrechtlichen Markenschutz haben, daß dieser aber weniger weitgehend ist, als der Strafrechtsschutz: Wer bewußt eine nicht benützte Marke verwendet, riskiert Bestrafung, auf Unterlassung kann er aber nur geklagt werden, wenn die Verwendung der registrierten Marke feststeht.
Dieses ungereimte Ergebnis zeigt, daß die Auffassung des Rekursgerichtes nicht richtig sein kann.
Es war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der erstrichterliche Beschluß wieder herzustellen.
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