Spruch:
§ 77 Abs. 2 JN. bezieht sich nicht auf eine Klage auf Aufhebung einer Gemeinschaft an einem Unternehmen, das auf Grund eines Erbübereinkommens gemeinschaftlich betrieben wurde.
Entscheidung vom 23. Juli 1952, 1 Ob 619/52.
I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Klägerin und den drei Beklagten ist am 25. August 1944 unter A 523/44 des damaligen Amtsgerichtes N. der Nachlaß ihrer am 29. Juni 1944 verstorbenen Mutter Maria P., geborene B., zu gleichen Teilen eingeantwortet worden. Gemäß dem Erbübereinkommen vom 21. August 1944 übernahmen die Erben das gesamte Nachlaßvermögen ins gemeinsame Eigentum und setzten auch die zum Nachlaß gehörende Gastwirtschaft auf gemeinsame Rechnung fort. Das Übereinkommen enthält Bestimmungen, insbesondere über die Geschäftsführung und Ertragsverteilung und sieht auch vor, daß es von jedem Erben vierteljährlich im vorhinein gekundigt werden könne.
In der Klage trägt die Klägerin vor, sie habe das Erbübereinkommen aufgekundigt und versucht, eine Einigung über die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft herbeizuführen. Da ihr dies nicht gelungen sei, begehre sie das Urteil, die Eigentumsgemeinschaft der klagenden und der beklagten Parteien an dem Gast- und Schankgewerbebetrieb in N. werde durch gerichtliche Feilbietung aufgehoben. In der mündlichen Verhandlung stellte die Klägerin auch noch das "Eventualbegehren" auf Rechnungslegung über den im gemeinsamen Eigentum der klagenden Partei und der beklagten Parteien stehenden Gast- und Schankgewerbebetrieb für das Jahr 1951.
Das Erstgericht wies das letztere Begehren als unzulässige Klageänderung mit Beschluß zurück und erkannte mit Urteil auf Abweisung des Klagebegehrens. Die gerichtliche Feilbietung des Gewerbes sei rechtlich unmöglich, weil die Konzession, die dem Erstbeklagten zustehe, unveräußerlich sei. Ein weiterer Abweisungsgrund liege darin, daß der Drittbeklagte seinen Anteil an Wilhelm P. übertragen habe, weshalb die Teilungsklage nicht mehr gegen alle Gemeinschafter gerichtet sei.
In ihrer wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobenen Berufung beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß der Beschluß über die Zurückweisung des Eventualbegehrens aufgehoben und dem Erstgericht die Verhandlung und Entscheidung über das gestellte Eventualbegehren aufgetragen und ferner dahin, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde, oder das angefochtene Urteil aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung die Rechtssache an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Die Beklagten bekämpfen die Berufungsgrunde und beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.
Das Berufungsgericht hat in der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Vortrag des Berichterstatters die Verhandlung auf die Frage der Zuständigkeit beschränkt und sodann aus Anlaß der Berufung das angefochtene Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen. Das Erbübereinkommen habe nur die durch den Erbgang begrundete Gemeinschaft am Nachlaßvermögen fortgesetzt und geregelt. Es sei daher die zwingend rechtliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes für die gegenständliche Klage nach § 77 Abs. 2 JN. gegeben geblieben. Die Klage habe noch immer die Teilung der Erbschaft zum Gegenstand (ÖRZ. 1934 S. 26; ZBl. Bd. 48 Nr. 54).
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen der beklagten Parteien Folge, hob den zweitinstanzlichen Beschluß auf und trug dem Berufungsgerichte die neuerliche Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 77 Abs. 2 JN. gehören Klagen, welche die Teilung der Erbschaft zum Gegenstand haben, vor das Gericht, bei welchem die Nachlaßabhandlung anhängig ist. Es handelt sich dabei um Erbteilungs-(Erbschafts-)Klagen, also um Klagen, bei denen der Kläger die Abtretung der ganzen Verlassenschaft oder eines Erbteiles wegen seines besseren oder gleichen Erbrechtes begehrt. Daß der Rechtsgrund der "Klagen welche die Teilung der Erbschaft zum Gegenstand haben", im Erbrecht des Klägers liegt, ergibt sich nicht nur aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang, sondern wird auch in den Materialien zu den Zivilprozeßgesetzen, Band I, Seite 74, deutlich ausgesprochen, wenn sie darauf verweisen, daß das Recht, Teilung zu verlangen, entweder in der Einantwortung begrundet oder durch das über die Erbrechtsklage ergangene Urteil festgestellt sein müsse. Erbrechts- und Erbschaftsklage können dabei miteinander verbunden werden. In der erbrechtlichen Grundlage des Anspruches finden die Materialien auch den gesetzgeberischen Grund für die Schaffung des Gerichtsstandes des § 77 Abs. 2 JN. Sie führen dazu aus, daß über die Art der Teilung zu entscheiden, kein anderes Gericht so sehr berufen sei, als das der Nachlaßabhandlung. Hier seien in der Kenntnis der Nachlaßverhältnisse seitens des Richters und in den Gerichtsakten alle Vorbedingungen für diese Entscheidung gegeben, nirgends anderswo finde sich das Prozeßmaterial gleich gut vorbereitet.
Im vorliegenden Fall verlangt die Klägerin keineswegs die Abtretung der Verlassenschaft oder eines Erbteiles. Die Erbrechte sind unter den Parteien nicht streitig. Die Klägerin behauptet auch nicht, daß ihr die Beklagten die Herausgabe eines Erbteiles vorenthalten. Über die Erbschaft haben sich die Parteien durch Abschluß des Erbübereinkommens in der Weise geeinigt, daß sie das Gasthausunternehmen gemeinschaftlich fortführten. Die dadurch festgelegte Erwerbsgesellschaft hat die Klägerin nach ihrer Klagsbehauptung vertragsmäßig aufgekundigt und verlangt nun die Aufhebung der Gemeinschaft (§ 830 ABGB.). Sie begehrt also nicht die Herausgabe eines Erbteiles, sondern die Teilung einer gemeinschaftlichen Sache und findet den Rechtsgrund dieses Begehrens nicht in ihrem Erbrecht sondern in der dem Miteigentümer zustehenden Befugnis, Teilung zu verlangen. Damit ist die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Gerichtsstand des § 77 Abs. 2 JN. eingreife, als rechtsirrig dargetan. Zu bemerken bleibt noch, daß der Sachverhalt, der den vom Berufungsgericht bezogenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 10. Juli 1933, RZ. 1934 S. 20, und des OG. Brünn vom 2. März 1929, ZBl. 1930 Nr. 54, zugrunde lag, dem gegenständlichen Rechtsfall keineswegs entsprach. In jenem Fall haben Kläger und Beklagter als Erben außergerichtlich die Naturalteilung des Nachlasses vereinbart und der Kläger verlangte nach der Einantwortung die Zuhaltung der Vereinbarung. In diesem Fall war die Ausfolgung einzelner Erbschaftssachen auf Grund eines Erbteilungsübereinkommens begehrt worden. Hier wie dort ging daher das Begehren auf Herausgabe von Nachlaßsachen und lag der Klagegrund im Erbrecht der Kläger, wobei im Erbübereinkommen Einzelheiten vereinbart waren. Den vorliegenden Rechtsstreit vor das Abhandlungsgericht zu verweisen, würde schließlich auch dem gesetzgeberischen Grund für die Bereitstellung des Gerichtsstandes des § 77 Abs. 2 JN. nicht entsprechen. Es ist in keiner Weise einzusehen, warum das Bezirksgericht, das vor Jahren den Nachlaß abgehandelt hat, in besonderer Weise zur Entscheidung des jetzt anhängigen Rechtsstreites geeignet sein sollte.
Den Rekursen war daher, wie im Spruch geschehen, Folge zu geben.
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