OGH 4Ob26/52

OGH4Ob26/526.5.1952

SZ 25/118

Normen

Vertragsbedienstetenordnung der Stadt Wien §25 (2) litc
Vertragsbedienstetenordnung der Stadt Wien §26 .1.litc
Vertragsbedienstetenordnung der Stadt Wien §25 (2) litc
Vertragsbedienstetenordnung der Stadt Wien §26 .1.litc

 

Spruch:

Es liegt keine gewöhnliche, sondern eine sogenannte Verschuldenskündigung mit Verlust der Abfertigung (§ 26 Abs. 1 lit. c Vertragsbedienstetenordnung der Stadt Wien) auch dann vor, wenn das Verschulden des Dienstnehmers an der Kündigung feststeht, aber im Kündigungsschreiben nicht angeführt wurde.

Entscheidung vom 6. Mai 1952, 4 Ob 26/52.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht gab der auf Zahlung einer Abfertigung gerichteten Klage statt. Die Klägerin, die vertragsbedienstete Schaffnerin der Beklagten gewesen sei, sei wegen dreier ordnungswidriger und verbotener Manipulationen bei der Fahrscheinverrechnung (16. Juli 1949, 5. Juli 1950 und 13. November 1950) am 29. November 1950 zweimonatig gekundigt worden. Wenngleich nach § 26 Abs. 1 lit. c der Vertragsbedienstetenordnung der Stadt Wien dann, wenn den Dienstnehmer ein Verschulden an der Kündigung treffe, keine Abfertigung gebühre, könne die Klägerin eine solche verlangen, weil sie ohne Hinweis auf ihr Verschulden gekundigt worden sei. Dies hätte nach Ansicht des Erstgerichtes in das Kündigungsschreiben aufgenommen werden müssen (§ 869 ABGB.).

Infolge Berufung der Beklagten änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß die Klage abgewiesen wurde. Die Klägerin habe durch ihre Fahrscheinmanipulationen, deren jede einen Entlassungsgrund abgegeben hätte, ihre Kündigung verschuldet. Dies genüge, um ihr den Abfertigungsanspruch zu entziehen. Ein ausdrücklicher Hinweis auf das Verschulden im Kündigungsschreiben sei nicht vorgeschrieben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Vertragsbedienstetenordnung der Stadt Wien schreibt im § 23 nicht vor, daß die Gründe für die Kündigung in das Kündigungsschreiben aufzunehmen wären. Dies ist auch nicht für den Fall vorgesehen, daß den Dienstnehmer ein Verschulden an der Kündigung trifft (§ 26 Abs. 1 lit. c). Es genügt der bloße Ausspruch der Kündigung, wie es auch bei Entlassungen nicht erforderlich ist, die Entlassungsgrunde dem Dienstnehmer sogleich bekanntzugeben. Der Einwand der Revisionswerberin, es hätte zur Klarstellung des Willens der Beklagten, ob eine gewöhnliche Kündigung oder eine Verschuldenskündigung beabsichtigt sei, eines entsprechenden Hinweises im Kündigungsschreiben bedurft, ist nicht richtig. Denn die Rechtsfolge des Abfertigungsverlustes nach § 26 Abs. 1 lit. c VBO. und die rechtliche Qualifikation der Kündigung als einer Verschuldenskündigung tritt auf Grund der objektiven Tatsache ein, daß den Dienstnehmer im konkreten Fall ein Verschulden an der Kündigung trifft, und kommt diesem durch die Verweigerung der Abfertigung zur Kenntnis. Eines besonderen Ausspruches bedarf es auch in dieser Hinsicht nicht.

Die von den Untergerichten festgestellten Manipulationen der Klägerin mit den Fahrscheinen stellen mit Rücksicht auf die besondere Vertrauensstellung der Straßenbahnschaffner grobe Mißbräuche dar, die zur Entlassung berechtigen (§ 25 Abs. 2 lit c). Der Umstand, daß die Klägerin kurz nach der letzten Beanstandung gekundigt wurde, mußte ihr klarmachen, daß sie wegen ihrer Unregelmäßigkeiten gekundigt werde und daß ihr deshalb ein Abfertigungsanspruch nicht zusteht. Wenn auch zwei der Bemängelungen durch Ordnungsstrafen geahndet wurden, hinderte dies nicht, sie im Zusammenhang mit einer dritten als Grund für die Kündigung der Klägerin heranzuziehen.

Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Klägerin der Abfertigungsanspruch nicht zusteht. Der Revision mußte der Erfolg versagt werden.

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