OGH 3Ob189/52

OGH3Ob189/5216.4.1952

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Zweiten Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Etz als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernard, Dr. Deutsch und Dr. Kisser sowie den Rat des Oberlandesgerichtes Dr. Meyer-Jodas als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Jakob W*****, vertreten durch die erbserklärte Erbin Hermine W*****, vertreten durch Dr. Albert Schueller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Franz S*****, 2.) Franziska S*****, dessen Gattin, ***** beide vertreten durch Dr. Hein, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zustimmung zur Einverleibung von Löschungen, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22.Jänner 1952, GZ 2 R 918/51-49, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20.Juli 1951, GZ 18 Cg 164/48-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.794,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Zwangsfolge zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht erkannte die Beklagten schuldig, in die Einverleibung der Löschung der Pfandrechte, die zugunsten der Beklagten auf der zur klägerischen Verlassenschaft gehörigen Liegenschaft EZ. ***** Kat.Gem.W***** für eine vollstreckbare Forderung von S 50.000,-- und S 17.137,-- samt Zinsen und Kosten haften, sowie in die Löschung der darauf Bezug habenden Anmerkungen einzuwilligen.

Unangefochten blieb, daß bei der auf der Liegenschaft zugunsten der Kreditanstalt-Bankverein bis zur Höhe des Betrages von S 50.000,-- alt einverleibten Kredithypothek auf Grund des Versäumungsurteiles des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26.10.1937, 1 Cg 18/37, womit der Erblasser Jakob W***** zur Zahlung des damaligen Kontokorrentsaldos von S 67.137,-- samt 6 % seit 21.4.1937 verurteilt worden war, die Wirksamkeit des Pfandrechtes in Ansehung der existent gewordenen Forderung von S 50.000,-- alt = RM.33.333.33, sowie die Vollstreckbarkeit dieser Forderung angemerkt wurde. Gleichzeitig wurde auf derselben Liegenschaft das Pfandrecht für die restliche vollstreckbare Hypothekarschuld im Betrag von S 17.137,-- alt samt 6 % Zinsen von S 67.137,-- seit 21.4.1937, sowie für einige Kostenbeträge einverleibt. Diese Pfandrechte wurden mit den ihnen zugrunde liegenden Forderungen laut Übereinkommen vom 9.2.1940 auf die Beklagten bücherlich übertragen. Vor der Übertragung sind zur Hereinbringung dieser Forderung der Kreditanstalt Bankverein und nach der Übertragung den Beklagten Kosten erwachsen, die nur zum Teil gerichtlich bestimmt wurden. Dagegen hat sich die Forderung um S 3.018,38 durch Eingäng aus der Exekutionsführung zu deren Hereinbringung verringert. Im Jahre 1940 wurde zwecks Tilgung der urteilsmäßigen Forderung der Verkauf der Liegenschaft an die Beklagten erfolglos versucht und auch ein nach Beendigung des Krieges von der klägerischen Verlassenschaft unternommener Versuch, die Schuld zu bereinigen, blieb ohne Erfolg. Im November 1947 ließ der Machthaber von fünf erbserklärten Erben, Dr. Georg Grießer, zur Abstattung der Pfandforderungen den Beklagten den Betrag von S 90.000,-- anbieten. Zur Annahme des Betrages seitens der Beklagten kam es jedoch nicht; deren Bevollmächtigter Dr. Hein erklärte, die Höhe der Gesamtforderung, da aufgelaufene Kostenbeträge noch nicht bestimmt waren, in kurzer Zeit nicht bekanntgeben zu können. Darauf erlegte Dr. Grießer im Namen der Verlassenschaft nach Jakob W***** den Betrag von S 90.000,-- gemäß § 1425 ABGB zu Gericht. Das Erstgericht gelangte zur Annahme, daß Dr. Grießer als Machthaber von 5 Erben zum Erlag mit Wirksamkeit gegenüber den Beklagten berechtigt war, zumal auch die den Erben Rudolf W***** repräsentierende Erbin Hermine W***** den durch Dr. Grießer bewirkten Erlag durch ihren Bevollmächtigten nachträglich genehmigt hat. Es bejahte auch das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der gerichtlichen Hinterlegung nach § 1425 ABGB, wobei es von der Feststellung ausging, daß Dr. Grießer, nachdem er vergeblich bemüht war, die genaue Höhe der Gesamtforderung telefonisch von Dr. Hein in Erfahrung zu bringen, die Kanzleiangestellte C***** zu den Beklagten selbst entsandte und diesen zur Abstattung der vollstreckbaren Pfandforderungen den Betrag von S 90.000,-- anbieten ließ, dessen Annahme jedoch unter Verweisung an Dr. Hein verweigert wurde. Das Erstgericht gelangte aber auch zu dem Ergebnis, daß der angebotene Betrag von S 90.000,-- zureichend war, um die an die Beklagten übertragene vollstreckbare Forderung samt Zinsen und Kosten voll zu decken; da der urteilsmäßig zuerkannte letzte Kontokorrentsaldo per S 67.137,-- spätestens mit Erlassung des Versäuungsurteiles aus dem Kontokorrentverhältnis ausgeschieden sei, das zwischen dem Erblasser und der Kreditantstalt-Bankverein bestanden hatte, und der Nachweis einer mit der klägerischen Verlassenschaft vereinbarten Fortsetzung der kontokorrentmäßigen Verzinsung der Schuld anläßlich der Forderungsabtretung an die Beklagten und auch späterhin nicht habe erbracht werden können. Unter Annahme der urteilsmäßigen 6 %igen Verzinsung des letzten Kontokorrentsaldos von S 67.137,-- erstelle sich jedoch der noch ausstehende Gesamtbetrag der Forderung einschließlich der vom Beklagtenvertreter selbst genannten Kostenbeträge nach Berechnung des Erstgerichtes lediglich auf ca. S 80.000,--, sodaß der angebotene Betrag von S 90.000,-- jedenfalls voll ausreichend gewesen sei. Es wurde daher dem auf Löschung der exekutiven Pfandrechte gerichteten Klagebegehren stattgegeben. Der gegen dieses Urteil von den Beklagten erhobenen Berufung wurde vom Berufungsgericht, das die tatsächlichen Feststellungen und die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes vollinhaltlich übernahm, nicht Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Parteien, mit welcher unter Anrufung der Revisionsgründe des § 503 Z 2, 3 und 4 ZPO ihre Abänderung im Sinne der kostenpflichtigen Klagsabweisung, allenfalls ihre Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung beantragt wird.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet, mit welcher die geltend gemachten Revisionsgründe bekämpft werden und kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Revision gerügte Aktenwidrigkeit ist nach keiner Richtung gegeben.

Die ergänzungsweise Feststellung des Berufungsgerichtes, wonach Dr. Georg Grießer zur Zeit des Erlages (22.11.1947) - auf Grund der von ihm gelegten und auch späterhin nicht widerrufenen Vollmachten ausgewiesener Machthaber sämtlicher erbserklärter Erben nach Jakob W***** mit Ausnahme der Erbin Hermine W***** war, welchen Erben seit 4.6.1938 die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zustand, steht im vollen Einklang mit dem Inhalt des Abhandlungsaktes des Bezirksgerichtes Döbling, 6 A 51/42 (siehe S. 272, 273, 649). Daß die Vollmachten nicht bei den Akten zurückbehalten wurden und daher auch im Zeitpunkte des Erlages Vollmachtsurkunden nicht mehr vorhanden waren, erscheint für die Frage der Bevollmächtigung selbst, die das Abhandlungsgericht als ausgewiesen angenommen hat, bedeutungslos. Wenn die Revision weiter aus dem Gesichtspunkte der Aktenwidrigkeit Widersprüche zwischen den Feststellungen der Untergerichte und den Aussagen der Zeugen Dr. Grießer und C***** über den Zeitpunkt der Telefongespräche mit Dr. Hein geltend macht, so kann ihr auch darin nicht gefolgt werden. Die Feststellungen des Erstgerichtes, wonach Dr. Grießer, nachdem er vergeblich bemüht war, die genaue Höhe der Gesamtforderung telefonisch von Dr. Hein in Erfahrung zu bringen, die Kanzleiangestellte C***** zu den Beklagten selbst entsandte und diesen zur Abstattung der vollstreckbaren Forderung den Betrag von S 90.000,-- anbieten ließ, dessen Annahme jedoch unter Verweisung an Dr.Hein verweigert wurde, sind vom Berufungsgericht trotz gewisser Widersprüche und sprachlicher Ungenauigkeit der erwähnten Zeugenaussagen hinsichtlich der zeitlichen Reihenfolge der Vorgänge, die mit Erinngerungslücken erklärt wurden, vollinhaltlich übernommen worden. Das Berufungsgericht billigte hiebei die erstrichterliche Beweiswürdigung, davon ausgehend, daß mehrmalige Telefongespräche mit Dr. Hein, wie dies die genannten Zeugen bestätigten, schon zwischen der Einbringung des Erlagsantrages am 12.11.1947 und dem tatsächlichen Erlag am 22.11.1947 durchaus wahrscheinlich seien. Wenn daher das Berufungsgericht, nachdem es sich mit den von der Revision aufgezeigten teilweise widersprechenden Beweisergebnissen hinsichtlich der zeitlichen Reihenfolge der Vorgänge auseinandersetzte, der Beweiswürdigung des Erstgerichtes dennoch gefolgt ist und dessen Feststellungen übernommen hat, so stellt die Rüge der Aktenwidrigkeit in Wahrheit nur eine Bekämpfung der Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellungen der Untergerichte dar. Diese Feststellungen sind jedoch sowohl für den Revisonswerber unanfechtbar als auch für das Revisionsgericht bindend. Wenn gleichfalls unter dem Gesichtspunkte der Aktenwidrigkeit geltend gemacht wird, die Feststellung des Berufungsgerichtes, daß die urteilsmäßige Saldoforderung spätestens mit der Abtretung der Forderung an die Beklagten aus dem Kontokorrentverhältnis ausgeschieden sei, ohne daß der Nachweis einer mit der klagenden Partei vereinbarten Fortsetzung des Kontokorrentverhältnisses erbracht wurde, setze sich mit den vom Erstgericht gewonnenen Entscheidungsgrundlagen in Widerspruch, so ist darauf zu verweisen, daß die Untergerichte auf Grund des Inhaltes der Abtretungsurkunden im Zusammenhalte mit den übrigen Beweisergebnissen eine Vereinbarung über die Fortsetzung der kontokorrentmäßigen Verzinsung der vollstreckbaren Pfandschuld schon im Hinblick darauf als nicht erwiesen angenommen haben, daß im Zeitpunkte der Abtretung gegenüber der Zedentin lediglich eine Judikatsschuld auf Zahlung des letzten Kontokorrentsaldos mit einfacher 6 %iger Verzinsung seit 21.4.1937 bestanden hat. Das Erstgericht hat daher in den von ihm festgestellten Tatsachen, daß beim Abtretungsübereinkommen vom 9.2.1940 in Anwesenheit von zwei Erben von einer Kontokorrentschuld die Rede war und die Beklagten die gleichen Rechte verlangten, wie sie der Zedentin zustanden, was zustimmend von den Vertretern der Verlassenschaft zur Kenntnis genommen wurde, denkrichtig keinen Widerspruch mit seiner Annahme erblickt, daß die urteilsmäßige Saldoforderung per S 67.137,-- schon mit Fällung des Versäumungsurteiles aus dem Kontokorrentverhältnis endgültig ausgeschieden ist. Wenn nun die Revision gerade diese vom Erstgericht festgestellten Tatsachen heranzieht, um einen Widerspruch des Berufungsurteiles zu den Entscheidungsgrundlagen des Ersturteiles darzutun, so mißversteht sie das Berufungsurteil völlig, das die tatsächlichen Schlußfolgerungen des Erstgerichtes vollinhaltlich übernommen hat, und aus den selben Erwägungen zu den gleichen Feststellungen gelangt ist. Auch hier liegt der Versuch vor, aus dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit die Beweiswürdigung der Untergerichte zu bekämpfen, der jedoch an der bindenden Wirkung der Tatsachenfeststellungen der Untergerichte scheitern muß. Was die Ausführungen der Revision über die Errechnung der Kostehöhe anbelangt, so gehen diese ins Leere, da im Berufungsurteil keineswegs ausgesprochen wird, daß Kosten, insoweit sie bisher gerichtlich noch nicht bestimmt wurden, als Anhang der vollstreckbaren Forderung von der klagenden Partei nicht zu tragen seien, und die Untergerichte bei Errechnung der Gesamtforderung von den vom Beklagtenvertreter selbst genannten Kostenbeträgen ausgegangen sind.

Wenn die Revision weiters unter Anrufung des Revisionsgrundes des § 503 Z 2 ZPO geltend macht, daß es die Untergerichte unterlassen hätten, die von den Beklagten im Schriftsatz OZ 32 angebotenen Beweise zwecks Überprüfung der tatsächlich aufrechten Bevollmächtigung Dris. Grießer, sowie darüber, daß der erlegte Betrag von S 90.000,-- nicht aus Mitteln der Verlassenschaft stammte, schließlich die Vernehmung des Zeugen Dr. K***** über den aufrechten Bestand des Kontokorrentverhältnisses durchzuführen, so liegt der geltend gemachte Revisionsgrund schon deswegen nicht vor, weil das Revisionsgericht nur Mängel des Berufungsverfahrens wahrnehmen kann, nicht aber angebliche Mängel des erstinstanzlichen Beweisverfahrens, welche wie im vorliegenden Fall bereits in der Berufung geltend gemacht wurden, die jedoch das Berufungsgericht nicht für gegeben erachtet hat. Das Gegenteil würde dem Grundsatze widersprechen, daß immer nur einmal in der nächst höheren Instanz überprüft werden darf, ob ein Verfahrensmangel vorliegt (Entscheidung vom 20.7.1949, 1 Ob 313/49 ua).

Aber auch die von der Revision erhobene Rechtsrüge ist nicht begründet.

Wenn die Revision hiezu ausführt, die im Jahre 1938 erfolgte Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die von Dr. Grießer vertretenen fünf Erben könne nicht mehr als aufrecht gelten, wenn schon seit Jahren Vollmachten nicht mehr im Akte erliegen und die Erben längst verschollen und verstorben sind, so ist dem entgegenzuhalten, daß die Frage, ob einzelne Erben verstorben sind bzw die gesetzlichen Erfordernisse der Todeserklärung vorliegen, derzeit noch nicht geklärt ist. Auch die Bestellung Dr. Grießer zum Abhandlungskurator mit Beschluß vom 12.11.1945, 6 A 51/42-226, die späterhin mit Beschluß vom 22.1.1946 (OZ 232) widerrufen wurde, ist lediglich wegen Unbekanntheit des Aufenthaltes der erbserklärten Erben erfolgt (§ 77 Abs 1 Z 2 AP). Insolange jedoch nicht der Beweis des Todes einzelner Erben durch öffentliche Urkunden bzw durch eine Todeserklärung im Sinne des § 2 VerschollGes erbracht ist, tritt auch eine Änderung der durch den Beschluß des Abhandlungsgerichtes vom 4.6.1938, 6 A 51/42-/15 hergestellten Rechtslage nicht ein, wonach den durch Dr. Grießer vertretenen erbserklärten Erben gemeinsam mit dem von Hermine W***** repräsentierten Erben Rudolf W***** die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft überlassen wurde. Das gleiche gilt hinsichtlich der Fortdauer der Dr. Grießer seitens der erbserklärten Erben erteilten Vollmacht, die insoweit es sich um verschollene Erben handelt, erst mit der Todeserklärung als erloschen anzusehen wäre (Slg 3988). Aber selbst wenn der Nachweis des Todes einzelner oder aller von Dr. Grießer vertretener Erben im Zeitpunkte des Erlages erbracht werden könnte, wäre der durch den Erbenmachthaber am 22.11.1947 erwirkte Erlag durch die ihm erteilte Vollmacht jedenfalls gedeckt. Dies im Hinblick darauf, daß der Erlag in den Rahmen der den Erben zustehenden Besorgung und Verwaltung des Nachlasses fällt und zur Erwirkung der Löschung exekutiver Pfandrechte notwendig war. Wenn daher der Erbenmachthaber zur Tilgung einer drückenden Schuld den Betrag von S 90.000,-- gemäß § 1425 ABGB zu Gericht erlegt hat, sobald die nötigen Mitteln hiefür bereit standen, liegt der Fall vor, wonach der Machthaber auch nach dem Tode des Vollmachtsgebers jedenfalls berechtigt und verpflichtet ist, ein angefangenes Geschäft zu vollenden, da es sich ohne offenbaren Nachteil der Erben des Vollmachtsgebers nicht unterbrechen läßt (§ 1022 ABGB). Die rechtlichen Bedenken der Revision gegen den Aufrechtbestand der Vollmacht des Erbenmachthabers bei Tätigung des Erlages können daher nicht geteilt werden. Wenn die Revision weiters ausführt, daß der Erlag als eine rechtlich und wirtschaftlich bedeutsame Maßnahme grundsätzlich der Kontrolle des Verlassenschaftsgerichtes bedurft hätte und hiezu die abhandlungsbehördliche Genehmigung erforderlich gewesen wäre, so kann auch dieser Rechtsansicht nicht beigetreten werden. Im Falle der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft durch einzelne Erben bedürfen nur die im § 145 AußSG aufgezählten Geschäfte einer gerichtlichen Genehmigung. Nur solche Geschäfte betreffen auch die von der Revision herangezogenen Entscheidungen. Für die Auseinandersetzung der Erben mit den Nachlaßgläubigern wird jedoch, wie sich aus den §§ 811, 813, 814 und 815 ABGB klar ergibt, von Amts wegen nicht Sorge getragen, sondern die Befriedigung der Gläubiger bleibt den Erben überlassen. Eine abhandlungsbehördliche Genehmigung war daher zu dem Erlag nicht erforderlich. Wenn die Revision weiters ausführt, daß das Berufungsgericht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1425 ABGB im vorliegenden Fall zu Unrecht als gegeben angesehen habe, so ist bei Prüfung dieser Frage von folgenden Erwägungen auszugehen:

Das Gesetz gestattet die gerichtliche Hinterlegung auch aus anderen als den im § 1425 ABGB genannten, jedoch wichtigen Gründen. Die einzelnen dort angeführten Tatbestände haben demnach nur die Bedeutung einer beispielsweisen Aufzählung. Es wird auch nicht gesagt, daß es sich um einen wichtigen Grund in der Person des Gläubigers handeln müsse. Erforderlich ist also nur, daß die Schuld nicht bezahlt, dh nicht erfüllt werden kann. Somit rechtfertigen die Hinterlegung auch solche Umstände, die weder auf Seite des Gläubigers noch auf Seite des Schuldners gelegen sind. Jedenfalls kann aber ein "wichtiger" Grund im Sinne des Gesetzes nur dann angenommen werden, wenn sich dieser aus dem betreffenden Rechtsverhältnis selbst ergibt (Gschnitzer in Klangs Kommentar 2. Auflage, S. 409). Wird nun in Betracht gezogen, daß nach den Feststellungen der Untergerichte Dr. Grießer wegen noch ausstehender, jedoch nicht bekanntgegebener Kostenbeträge vergeblich bemüht war, den genauen Stand der Gesamtforderung telefonisch von Dr. Hein in Erfahrung zu bringen, worauf nach Anbietung eines Betrages von S 90.000,-- dessen Entgegennahme auch von den Beklagten selbst abgelehnt wurde, so ist ein solcher vom Gesetz geforderter "wichtiger" Grund, welcher der Erfüllung entgegenstand, jedenfalls auch im vorliegenden Fall anzunehmen, wenngleich dieses Hindernis auf solche Umstände zurückzuführen war, die weder in der Person des Gläubigers noch des Schuldners gelegen waren. Auch ergibt sich der wichtige Grund, der im vorliegenden Fall der Erfüllung entgegenstand, aus dem Rechtsverhältnis selbst. Wenn die Revision ausführt, daß in Anbetracht der durch viele Jahre hindurch erforderlichen Exekutionsführungen die Bekanntgabe der genauen Höhe der Gesamtforderung vom Gläubiger nicht binnen kurzer Zeit gefordert werden könne, so ist dem entgegenzuhalten, daß es auch dem Schuldner nicht zugemutet werden kann, mit der Tilgung einer fälligen Schuld nach Gutdünken des Gläubigers zuzuwarten, wenn er in der Lage ist, sich von einer drückenden Schuld zu befreien. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist es auch gleichgültig, ob die Beklagten erkennen konnten, daß der angebotene Betrag von S 90.000,-- zur Tilgung der vollstreckbaren Forderung samt Anhang zureichend war, und ob sie an der mangelnden Feststellung der genauen Höhe der Gesamtforderung ein Verschulden trifft. Maßgebend ist lediglich, ob in dem vom Schuldner gewählten Zeitpunkt der Tilgung ein objektiv zu beurteilendes Hindernis vorhanden war, das der Erfüllung entgegenstand. Dies steht auch mit dem vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.9.1949, 2 Ob 414/49 ausgesprochenen Rechtssatz im Einklang, daß der Annahmeverzug so wenig ein Verschulden voraussetzt, wie der Leistungsverzug und daß es beim Annahmeverzug genügt, daß das Hindernis der Erfüllung auf Seiten des Gläubigers eingetreten ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen der gerichtlichen Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB wurden daher von den Untergerichten mit Recht als gegeben angesehen.

Der unbegründeten Revision war somit der Erfolg zu versagen. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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