OGH 3Ob176/52

OGH3Ob176/5226.3.1952

SZ 25/77

Normen

Angestelltenversicherungsgesetz §47
Angestelltenversicherungsgesetz §49
Angestelltenversicherungsgesetz §47
Angestelltenversicherungsgesetz §49

 

Spruch:

Zur Auslegung des § 47 des Angestelltenversicherungsgesetzes.

Entscheidung vom 26. März 1952, 3 Ob 176/52.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Am 5. März 1947 starb Adolf G. an den Folgen eines von der beklagten Partei zu vertretenden Verkehrsunfalles. Auf Grund des § 28 AngVersG. zahlt die klagende Versicherungsanstalt seit 1. April 1947 an die Hinterbliebenen des Verstorbenen, nämlich an seine Witwe und an seine beiden minderjährigen Kinder, Hinterbliebenenrenten. Auf Grund des § 6 der Verordnung über die Krankenversicherung der Rentner vom 4. November 1941, DRGBl. I, S. 689, zahlt sie ferner für die Hinterbliebenen die Krankenversicherungsbeiträge an die Wiener Gebietskrankenkasse. Bezüglich dieser von ihr nach dem Gesetz zu erbringenden Leistungen nimmt die klagende Versicherungsanstalt auf Grund des § 49 AngVersG. gegen die beklagte Partei Rückgriff und begehrt von ihr den an die Hinterbliebenen des Adolf G. für die Zeit vom 1. April 1947 bis 31. März 1951 an Witwen- und Waisenrenten und Krankenversicherungsbeiträgen ausbezahlten Betrag von insgesamt 7828.50 S und weiter die ab 1. April 1951 und in Zukunft fälligen Beträge in der jeweiligen gesetzlichen Höhe der Hinterbliebenenrentenleistungen bzw. der gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträge.

Die beklagte Partei wendete gegenüber dem Klagsanspruch ein, daß Adolf G. von der Angestelltenversicherungsanstalt eine monatliche Rente (Ruhe- und Invalidengeld) bezogen habe, die höher gewesen sei, als die Witwen- und Waisenrente sowie die Krankenversicherungsbeiträge zusammen genommen. Mit dem Ableben des Adolf G. sei diese Rente weggefallen, sodaß der klagenden Partei durch den Tod des Adolf G. nicht nur kein Schaden erwachsen sei, sondern sie aus dieser Tatsache sogar noch einen vermögensrechtlichen Vorteil ziehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im vollen Umfang statt.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren, soweit es auf Bezahlung der ab 1. April 1951 fällig werdenden gesetzlichen Hinterbliebenenrente und der gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträge gerichtet ist, mangels genügender Bestimmtheit (§ 226 Abs. 1 ZPO.) ab, bestätigte im übrigen aber das erstrichterliche Urteil. Hiebei ging es in wesentlicher Übereinstimmung mit dem Erstrichter von folgender Rechtsanschauung aus: Die Geltendmachung eines Regreßanspruches gemäß § 49 AngVersG. vom 28. Mai 1924, DRGBl. I S. 563, sei an zwei Voraussetzungen geknüpft:

1. müßten infolge des Versicherungsfalles vom Sozialversicherungsträger Leistungen gewährt worden sein, 2. müsse aus dem gleichen Anlaß den Bezugsberechtigten (Hinterbliebenen) ein gesetzlicher Schadenersatzanspruch gegen Dritte zustehen.

Beide Voraussetzungen treffen im vorliegenden Falle zu. Es gehe daher der Schadenersatzanspruch der Hinterbliebenen gemäß § 49 AngVersG. "bis zum Betrage derjenigen Leistungen auf die Angestelltenversicherungsanstalt über, die sie infolge des Schadens zu tragen hat". Dennoch sei die Regreßforderung des Sozialversicherungsträgers ihrem Wesen nach kein Schadenersatzanspruch, sondern ein Regreßanspruch rechtseigener Art, der durch eine lex specialis der klagenden Partei eingeräumt sei. Richtig sei, daß der Anspruch auf Regreß sich von dem Schadenersatzanspruch des Geschädigten ableite und daher derivativer Natur sei. Deshalb habe aber auch der regreßberechtigte Versicherungsträger nicht seinen eigenen Schaden nachzuweisen, sondern einzig und allein den Schaden des Geschädigten. Überdies könne dem Versicherungsträger aus der Gewährung einer Versicherungsleistung überhaupt niemals ein eigentlicher Schaden erwachsen, da die Leistungen keine Ausgabsposten darstellten, die auf Verlustkonto zu buchen seien, sondern als in der versicherungstechnischen Gebarung begrundete Gegenwerte der Beitragszahlung gewertet werden müßten (SZ. XIII/237). Der Regreßanspruch gemäß § 49 AngVersG. stelle daher keinen Anspruch auf Ersatz eines Schadens dar, der im Vermögen des Versicherungsträgers dadurch entstanden sei, daß dieser infolge des Schadensfalles nunmehr Hinterbliebenenrenten zu zahlen habe. Es handle sich demnach nicht um einen originären, sondern um einen abgeleiteten Anspruch, dem die Einwendung der Vorteilsausgleichung, die in der Person des Versicherungsträgers entstanden sei, überhaupt nicht entgegengesetzt werden könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 49 AngVersG. vollzieht sich der Rechtsübergang des Ersatzanspruches des Versicherten auf den Versicherungsträger kraft Gesetzes mit dem Eintritt der Leistungspflicht des Versicherungsträgers. Der Umfang des Ersatzanspruches beruht auf öffentlichem Recht. § 49 AngVersG. verfolgt in erster Linie den Zweck, eine doppelte Entschädigung des Versicherten zu vermeiden. Es soll hiedurch anderseits auch erreicht werden, daß der Dritte den von ihm zu vertretenden Schaden voll ersetze (Heller - Kurzwelly, die Angestelltenversicherung, Handkommentar, Anm. 1, zu § 49). Es liegt nicht in der Absicht des Gesetzes, daß dem Dritten die fremde Versicherung wie eine eigene Haftpflichtversicherung zugute kommt. Wäre ein Übergang der Ansprüche auf den Versicherungsträger nicht gesetzlich festgelegt, so würde entweder der Ersatzpflichtige durch die Einrede der Vorteilsausgleichung auf Kosten der Versicherungsanstalt weniger zu leisten haben, als er leisten müßte, wenn der Verletzte nicht der gesetzlichen Versicherungspflicht unterläge, oder aber, wenn man die Einrede der Vorteilsausgleichung nicht zuließe, dann würde der Verletzte zweimal seinen Schaden ersetzt bekommen (vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 3. Aufl., S. 267). Um solche, dem Rechtsempfinden widersprechende Wirkungen zu vermeiden, wurde im § 49 AngVersG., ähnlich wie im § 1542 RVO., ein gesetzlicher Übergang der Ansprüche des Verletzten auf den Versicherungsträger statuiert.

An diesen aus dem Gesetz hervorleuchtenden rechtspolitischen Erwägungen müssen aber alle Revisionsausführungen der beklagten Partei scheitern, die, indem sie unter dem Gesichtspunkt einer "Bereicherung" der Angestellten-Versicherungsanstalt deren Rückgriffsrecht bestreitet, aus der Tatsache der Versicherung des Adolf G. in der Weise Vorteil ziehen will, daß sie sich einen Teil der Ersatzleistungen erspart.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte