OGH 2Ob218/52

OGH2Ob218/5225.3.1952

SZ 25/73

Normen

ABGB §879
ABGB §914
ABGB §914
ABGB §923
ABGB §932
ABGB §879
ABGB §914
ABGB §914
ABGB §923
ABGB §932

 

Spruch:

Fehlen der zugesagten Generalüberholung eines Kraftfahrzeuges wesentlicher (Haupt-) Mangel.

Sittenwidrigkeit einer Gewährleistungsausschließungsklausel hinsichtlich geheimer Mängel, wenn nicht klar zum Ausdruck kommt, daß der Käufer in Kenntnis der Möglichkeit einer unwahren Zusage und des Bestehens verborgener Mängel auf jeden Gewährleistungsanspruch verzichten will.

Entscheidung vom 25. März 1952, 2 Ob 218/52.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die Kläger machten Gewährleistungsanspruch nach §§ 922, 932 ABGB. geltend, weil der Beklagte ihnen einen LKW., den er schon kurz vorher in einer Zeitungsannonce als "generalüberholt" offeriert hatte, mit derselben Bezeichnung und als in tadellosem Zustand befindlich mit Kaufvertrag vom 24. Mai 1949 verkaufte mit dem Beifügen, der Motor sei im Herbst zuvor (1948) neu eingebaut worden, das Chassis stamme von der Fa. S. Nach der Übernahme des Fahrzeuges stellte sich jedoch heraus, daß diese Zusagen nicht zutrafen, vielmehr traten schwere Mängel zu Tage. Vor allem war das Chassis nur zusammengestückelt und vernietet gewesen, das Fahrzeug hatte auch kurz vor dem Verkauf eine schwere Havarie erlitten und hätte ohne besondere behördliche Bewilligung nicht benützt werden dürfen. Die Kläger grundeten ihre auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages gerichteten Ansprüche darauf, daß ausdrücklich zugesagte Eigenschaften (Generalüberholung) nicht vorhanden, anderseits aber verschwiegen und unbehebbare Mängel (Zusammenstückelung des Chassis) gegeben seien.

Das Erstgericht sprach aus, daß der zwischen den Klägern und dem Beklagten abgeschlossene Kaufvertrag aufgehoben sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Steht fest, daß der Beklagte den Verkauf eines generalüberholten Wagens sowohl in der Annonce, wie bei den Verkaufsverhandlungen zugesagt hat, so liegt eine ausdrückliche Zusage im Sinne des § 923 ABGB. vor, die Zusage einer nicht vorhandenen Eigenschaft, für die der Beklagte, wenn das Widerspiel hervorkommt, als für einen Hauptmangel einzustehen hat. Es bedarf keiner näheren Ausführung, daß der Erwerber eines überfahrenen und darum hinsichtlich seiner Dauerhaftigkeit immer bedenklichen und gefährdeten Wagens durch die Zusage, der Wagen sei vor kurzem generalüberholt worden, ganz wesentlich in seinen Entschlüssen beeinflußt wird, da er in diesem Fall damit rechnen kann, für längere Zeit der Notwendigkeit neuerlicher Reparaturen enthoben zu sein. Eine solche Zusage hat also verpflichtenden Charakter und läßt sich nicht einer beliebigen Äußerung des Übergebers über die Ware schlechthin gleichsetzen, sondern ist als eine "ausdrücklich oder vermöge der Natur des Geschäftes stillschweigend bedungene Zusicherung einer Eigenschaft" zu werten. Das Fehlen dieser zugesagten Eigenschaft bedeutet einen wesentlichen (Haupt-) Mangel ohne Rücksicht darauf, ob die sonstigen Erfordernisse eines solchen (§ 932 ABGB.) vorliegen. Anderseits ist der Beklagte für den Inhalt der Annonce, Beilage A, in welcher der LKW. bereits als generalüberholt wahrheitswidrig angegeben wurde, auch wenn er sie weder selbst formuliert, noch auf ihre Fassung Einfluß genommen hat, deswegen verantwortlich, weil der Agent K., der als Angestellter des Vermittlers A. nach Auftrag des Beklagten inserierte, als dessen Erfüllungshilfe anzusehen ist, aber auch deswegen, weil die Käufer, als sie mit ihm in direkte Verhandlungen traten, sich auf die Annonce beriefen und davon auszugehen ist, daß, wer eine Verkaufsannonce in eine Zeitung einschaltet, sich auch davon überzeugt, ob und mit welchem Wortlaut sie erschienen ist. Dem Beklagten mußte also bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt sein, daß die Annonce einen wahrheitswidrigen Inhalt habe, und er hätte deshalb sogleich die Kauflustigen darauf aufmerksam machen sollen, daß eine Generalüberholung des LKW. nicht stattgefunden habe. Dies hat er nicht nur nicht getan, sondern nach den Feststellungen der Vorinstanzen noch während der Verhandlungen die unrichtige Zusage einer bestimmten Eigenschaft aufrecht erhalten und wiederholt. Er haftet darum nach §§ 923, 932 ABGB. für das als Hauptmangel anzusehende Fehlen dieser zugesicherten Eigenschaft.

Eine unrichtige rechtliche Beurteilung liegt aber auch nicht darin, daß die Vorinstanzen den die Gewährleistungspflicht einschränkenden Klauseln keine befreiende Wirkung zugebilligt haben.

Es handelt sich nach der Natur dieses Mangels um einen verborgenen, da der Zustand des Getriebes und der Hinterachse nicht augenfällig, ja nicht einmal bei Besichtigung, sondern erst nach fachkundiger Zerlegung des Wagens durch einen Mechaniker erkennbar war. Wollte man also in der Klausel "wie besichtigt und probegefahren" die Vereinbarung eines sogenannten "Kaufes nach Besichtigung" finden, so haftet der Verkäufer doch auch in diesem Falle nur für solche Mängel nicht, die - wenn auch nicht in die Augen fallend - doch durch Besichtigung erkennbar waren. Dazu kommt, daß der Käufer bei Vorliegen einer bestimmten Zusage zur Prüfung und Besichtigung nicht verbunden ist, sondern sich auf diese Zusage verlassen und die Ware kaufen kann, sogar ohne sie anzusehen. Die Kläger waren also keineswegs verpflichtet, etwa den Wagen zerlegen und durch einen Sachverständigen untersuchen zu lassen, um zu prüfen, ob die Zusage der Generalüberholung den Tatsachen entspricht. Die Klausel "wie besichtigt und probegefahren" vermag also die Haftung des Beklagten nicht auszuschließen, ebensowenig der Verzicht auf nachträgliche Einwendungen. Sollte darin ein dem Käufer zugemuteter Verzicht auch auf Gewährleistungsansprüche wegen geheimer Mängel verstanden werden, so würde dies gegen die guten Sitten verstoßen und müßte äußerstenfalls in einer Form bedungen werden, die jeden Zweifel darüber ausschließt, daß der Käufer in voller Kenntnis der Möglichkeit einer unwahren Zusage und Bestehens verborgener Mängel auf jeden Gewährleistungsanspruch verzichten wollte. Davon kann hier keine Rede sein. Die Klausel ist gemäß §§ 914, 879 ABGB. unwirksam.

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