OGH 1Ob142/52

OGH1Ob142/525.3.1952

SZ 25/55

Normen

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9

 

Spruch:

Die Wortmarken "Nicro" und "Nicron" sind verwechslungsfähig, nicht aber die verschieden aussehenden Wortbildmarken, in denen diese Worte vorkommen.

Entscheidung vom 5. März 1952, 1 Ob 142/52.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die gefährdete Partei, die B. Metallwarenfabrik Aktiengesellschaft in B. erwirkte beim Erstgericht eine einstweilige Verfügung gegen ihre Gegnerin, Firma Johann C., Bestecke- und Tafelgerätefabrik in H. Der Beschluß enthielt das Verbot, die registrierte Wortmarke "Nicron", für die Erzeugnisse der Gegnerin, deren Prospekte, Reklamen, Ankündigungen und sonstigen Gegenständen zu verwenden, sei es als Wort (Marke), allein oder in Verbindung mit ihrer registrierten Bildmarke "Steinbock im Dreieck" und dem Namen C.; der Beschluß enthält ferner das Verbot, "in Werbeverlautbarungen und Werbeankündigungen Hinweise auf die Verwendung von Spitzenfachkräften der B. Metallwarenfabrik Aktiengesellschaft aufzunehmen und diese Verlautbarungen und Ankündigungen mit solchen Hinweisen weiterhin zu verbreiten". Hingegen wurden die weiteren Anträge der gefährdeten Partei, es wolle dem Antragsgegner verboten werden, "die Bildmarke Steinbock im Dreieck in Verbindung mit dem Namen C. für die Erzeugnisse, Prospekte, Reklamen, Ankündigungen und sonstige Gegenstände der Gegnerin der gefährdeten Partei zu verwenden" sowie die "Besteckmodelle der Gegnerin der gefährdeten Partei Nr. 2200, 2600, 2300 in der derzeitigen Form auszustatten und auszuführen sowie bildlich und wörtlich darzustellen, anzupreisen, zu erzeugen, zu verkaufen und weiterzugeben" abgewiesen.

Gegen diesen Beschluß erhoben beide Teile Rekurs.

Dem Rekurs der beklagten Partei wurde teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß nur verboten wurde, die Wortmarke Nicron "als Wort für sich allein" zu verwenden und in den Werbeverlautbarungen und Werbeankündigungen Hinweise über Verwendung von Spitzenfachkräften der B. Metallwarenfabrik ... aufzunehmen und diese Verlautbarungen und Ankündigungen ... weiterhin zu verbreiten. Da die übrigen Anträge der gefährdeten Partei neuerlich abgewiesen wurden, ist zum Unterschied von der abweislichen Erledigung des Erstgerichtes nunmehr die Verwendung der Wortmarke "Nicron" in Verbindung mit der Bildmarke "Steinbock im Dreieck" mit dem Namen C. nicht mehr verboten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei, der sich nur gegen den abweislichen Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung richtet, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es handelt sich im vorliegenden Fall um den Schutz einer Beschaffenheitsangabe, u. zw. sowohl für die Wortmarke "Nicron" als auch für die kombinierte Wort-Bildmarke "Nicro" (Bär im Fünfeck mit Überschrift "Nicro"); hiedurch wird die Zusammensetzung des Materials der Erzeugnisse beider Firmen, nämlich Nickelchromstahl bezeichnet. Ob das Wort "Nicro" oder das Wort "Nicron" registrierungsfähig war, ist hier nicht zu erörtern, weil auch Beschaffenheitsangaben als Marke registriert werden können, wenn sie in den beteiligten Verkehrskreisen (Zwischenhändlern, Kleinhändlern, Verbrauchern - 1 Ob 135/27) als Kennzeichen der Waren eines bestimmten Unternehmens gelten (§ 3 Abs. 2 Markenschutzgesetz). Daß dies aber der Fall ist, erscheint durch die Registrierung glaubhaft gemacht (1 Ob 201/52).

Im vorliegenden Falle geht es nur um die Frage der Verwechslungsfähigkeit der beiden Marken, u. zw. um die objektive Möglichkeit, Verwechslungen herbeizuführen, auch ohne dahinzielende Absicht (SZ. XI/141). Das Rekursgericht hat die Verwechslungsfähigkeit bejaht. Diese Ansicht ist deshalb zu billigen, weil beim Durchschnittskäufer die Verwechslungsfähigkeit dadurch eintritt, daß beide Marken in ein Erinnerungsbild verschmelzen und der Durchschnittskäufer in der Regel nicht in der Lage ist, die beiden Kennzeichen miteinander zu vergleichen, sondern nur mehr verblaßte Erinnerungsbilder miteinander vergleicht. Es war daher der Hinweis der gefährdeten Partei richtig, daß es nicht auf den Verkehr mit dem branchekundigen Großunternehmer ankommt, sondern, daß die Marken dazu bestimmt sind, ihren Weg bis zum Verbraucher, das ist bis zu einem Betrachter von durchschnittlicher Intelligenz und Aufmerksamkeit zu nehmen. Im vorliegenden Falle ist die Verwechslungsfähigkeit der beiden Marken nicht schon durch das von den Markenworten geschaffene Wortbild, wohl aber nach dem Wortklang und nicht zuletzt auch durch den Wortsinn gegeben (Verw.GH. A 160/29). Denn es ist kaum - ohne ausdrückliche Betonung (Artikulation) - der Wortklang "Nicro" von "Nicron" zu unterscheiden. Dazu kommt, daß hier eine ausgesprochene Warenverwandtschaft (siehe die Prospekte der beiden Firmen) herrscht (SZ. XI/141). Die Entscheidung XXIII/65, die darauf verweist, daß es insbesondere in der chemischen Industrie üblich sei, daß der Markenname, der mit einem nicht schutzfähigen Stamme beginnt, in eine abgenützte Endsilbe zum Beispiel "on" ausläuft, ist im vorliegenden Falle nicht anzuwenden, weil alle speziellen Voraussetzungen hiefür fehlen.

Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist jedoch im Unrecht, wenn er dagegen Stellung nimmt, daß die Verwendung der Wortmarke "Nicron" zusammen mit der Bildmarke "Steinbock" und der Nennung der Firma C. nicht verboten wurde. Die Frage der Verwechslungsfähigkeit ist ein Rechtsbegriff, die Beurteilung ihres Vorhandenseins daher durch den Obersten Gerichtshof überprüfbar (4 Ob 217/31 und 4 Ob 386/34). Im vorliegenden Fall teilt der Oberste Gerichtshof die Ansicht der zweiten Instanz, daß nur dort, wo die Wortmarken "Nicro" oder "Nicron" allein verwendet werden, die Verwechslungsfähigkeit besteht. Die Ansicht des Revisionsrekurses, wonach dann, wenn die beiden Wortmarken mit den Bildmarken verwendet werden, das Auge des Beschauers nur auf die Wortmarken fällt und nicht auf die Bildmarken, kann nicht geteilt werden. Die Bildmarken sind, wie vom Rekursgericht einwandfrei festgestellt wurde, so auffallend, daß eine Verwechslung eines durch die Hörner besonders gekennzeichneten Steinbockes mit einem Bären nicht in Frage kommt, obwohl nach der Rechtsprechung das Dreieckzeichen (und somit wohl auch ein Fünfeck) als "schwaches" Zeichen mit keiner besonderen Unterscheidungskraft gewertet wird (siehe Entscheidung bei Langer - Saxl, 1937, zu § 9 in den Anmerkungen III/2 unter Nr. 83).

Soweit der Revisionsrekurs zur Stützung seines Begehrens den Gebrauch der Marke "Nicron" schlechthin zu verbieten, auch noch darauf verweist, daß das Verhalten der Gegnerin der gefährdeten Partei ein absichtliches war, und deshalb betont, daß sich aus den Prospekten und Ankündigungen der Gegnerin die Herabsetzung des Unternehmens der gefährdeten Partei schon dadurch ergebe, daß die Gegnerin von der Beschäftigung - früher bei der gefährdeten Partei im Dienste gestandener - Spitzenkräfte spricht, so ist dem entgegenzuhalten: Bei Durchsetzung eines Anspruches nach § 9 UWG. kommt es auf die Absicht gar nicht an. Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob in einer Geschäftsanzeige des Inhaltes, daß der Ankundigende bisher im Betriebe eines anderen Unternehmens als allererste Spezialkraft tätig war, wenn diese Nachricht auf Wahrheit beruht, ein Verstoß nach § 1 oder § 9 UWG. überhaupt gelegen ist; es handelt sich vielmehr in diesem Falle (4 Ob 323/28) wie auch in einem ähnlich gelagerten Fall (EvBl. 1934 Nr. 536) nur um ein erlaubtes Lockmittel. Die Ausführungen dieser beiden Entscheidungen hält der Oberste Gerichtshof auch dann für zutreffend, wenn es sich - wie im vorliegenden Falle - nicht um den Geschäftsinhaber, sondern um bei diesem beschäftigte Personen handelt.

Es erwies sich daher der Revisionsrekurs als unbegrundet, weshalb ihm keine Folge zu geben war.

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