OGH 3Ob109/52

OGH3Ob109/5227.2.1952

SZ 25/53

Normen

ABGB §1295 (1)
JN §1
StPO §381
ABGB §1295 (1)
JN §1
StPO §381

 

Spruch:

Für das Begehren des von der fahrlässigen Herbeiführung eines Unfalles Freigesprochenen gegen den anderen am Unfall Beteiligten auf Ersatz der Verteidigerkosten ist der Rechtsweg zulässig.

Entscheidung vom 27. Februar 1952, 3 Ob 109/52.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Die klagende Partei macht aus einem Kraftfahrzeugunfall, der sich am 9. April 1950 ereignet hat, gegen den Beklagten als Halter und Führer eines Personenkraftwagens Schadenersatzansprüche in der Höhe von 4165 S s. A. geltend. In dem Klagsbetrag sind auch die Kosten der Verteidigung des Klägers in einem Strafverfahren im Betrage von 1000 S und für ein Sachverständigengutachten im Betrage von 300 S enthalten. Hiezu bringt die klagende Partei vor, daß wegen des Kraftfahrzeugunfalles gegen sie Anklage nach § 431 StG. erhoben worden sei. In erster Instanz sei sie verurteilt, jedoch in der Berufungsinstanz von der Anklage freigesprochen worden.

Die beklagte Partei beantragt in der Klagebeantwortung Abtretung der Streitsache an das Bezirksgericht gemäß § 60 Abs. 3 JN. wegen übermäßiger Bewertung der Streitsache und Zuspruch der durch den erhöhten Streitwert entstandenen Kosten der ersten Tagsatzung und der Klagebeantwortung.

Das Erstgericht hat die Streitsache wegen Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz an das offenbar zuständige Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz - Umgebung abgetreten und der klagenden Partei die mit 382.52 S bemessenen Kosten der ersten Tagsatzung und der Klagebeantwortung zur Zahlung aufgetragen.

Das Erstgericht ging dabei von der Auffassung aus, daß die Kosten der Verteidigung des in einem Strafverfahren Freigesprochenen nicht abgesondert, sondern nur als Prozeßkosten des folgenden Zivilprozesses durch Aufnahme in das Kostenverzeichnis geltend gemacht werden könnten. Dasselbe gelte nach Auffassung des Erstgerichtes für die Kosten des privaten Sachverständigengutachtens. Es handle sich dabei um vorprozessuale außergerichtliche Kosten.

Das Rekursgericht hat aus Anlaß des gegen diesen Beschluß von der klagenden Partei erhobenen Rekurses das Verfahren ab Zustellung der Klage als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen. Das Rekursgericht ließ sich hiebei von der Erwägung leiten, daß zwar die Kosten der Verteidigung des Klägers in dem Streitverfahren, da es sich dabei nicht um Kosten der Privatbeteiligung im Sinne des § 393 StPO. handle, im Schadenersatzprozeß vor dem Zivilgericht geltend gemacht werden könnten. Das Rekursgericht war aber ebenso wie das Erstgericht der Ansicht, daß die Kosten des privaten Gutachtens in der Höhe von 300 S als vorprozessuale Kosten des Zivilrechtsstreites nicht selbständig geltend gemacht werden könnten. Da hinsichtlich des Teilbetrages von 300 S Unzulässigkeit des Rechtsweges vorliege, der nach Abzug dieses Betrages übrigbleibende Streitwert die bezirksgerichtliche Grenze aber nicht übersteige, hat das Rekursgericht gemäß § 43 JN. die Klage als vor einem unheilbar unzuständigen Gericht eingebracht zurückgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers Folge und trug dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Klägers auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Revisionsrekurs muß Berechtigung zuerkannt werden. Dem Rekursgericht muß zunächst insoweit beigepflichtet werden, als es die Geltendmachung der Kosten der Strafverteidigung in dem vorliegenden zivilrechtlichen Schadenersatzprozeß für zulässig erachtet. Da der Ersatz der Verteidigungskosten von einem im Strafverfahren Freigesprochenen begehrt wird und dieser Kostenanspruch sich nicht gegen einen Privat- oder Subsidiarankläger richtet, fallen die Ersatzansprüche nicht unter § 381 StPO., es steht für sie der Zivilrechtsweg offen (vgl. Hoegel, JBl. 1895 S. 532).

Es läßt sich aber nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes aus den Klagsangaben keineswegs mit eindeutiger Sicherheit entnehmen, daß sich der Kläger das Sachverständigengutachten nur zu dem Zwecke des Gebrauches in dem nun angestrengten Zivilprozeß erstatten ließ. Daraus, daß der Kläger selbst angibt, daß auch er wegen Übertretung nach § 431 StG. angezeigt wurde, und er weiter vorbringt, das Gutachten sei zu dem Ergebnis gekommen, daß er sich schon außerhalb der Fahrbahn befunden habe, als er das Haltesignal gab, läßt sich mit ebenso großer Berechtigung der Schluß ziehen, daß das Gutachten für Zwecke des Strafprozesses eingeholt wurde. Im übrigen hat der Beklagte schon in der Klagebeantwortung behauptet, daß der Kläger im Strafverfahren nur wegen dieses Gutachtens seinen Freispruch erzielen konnte. Da der Aufwand für private Gutachten niemals als Strafprozeßkosten behandelt worden kann (vgl. Lohsing, Strafprozeßuale Fragmente, JBl. 1911 S. 554), muß aus dem gleichen Rechtsgrund, aus dem das Rekursgericht die Zulässigkeit der Geltendmachung der Kosten der Verteidigung in einem zivilgerichtlichen Verfahren abgeleitet hat, auch die Zulässigkeit der Einbeziehung der Kosten des Privatgutachtens in das Schadenersatzbegehren anerkannt werden.

Da danach für einen Teil des eingeklagten Betrages der Rechtsweg verschlossen ist, war der Beschluß des Rekursgerichtes, betreffend die Nichtigerklärung des Verfahrens und die Zurückweisung der Klage, als rechtsirrig aufzuheben und war dem Rekursgericht, das über den Rekurs des Klägers noch keine Entscheidung gefällt hat, die Nachholung dieser Entscheidung aufzutragen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte