OGH 1Ob125/52

OGH1Ob125/5220.2.1952

SZ 25/44

Normen

ABGB §918
ABGB §1151
ABGB §918
ABGB §1151

 

Spruch:

Wer sich von einem anderen eine Jazzkapelle zum Spielen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellen läßt, schließt einen Dienstverschaffungsvertrag. Er kann vom Vertrag zurücktreten, wenn die zur Verfügung gestellten Musiker für die Darbietung von Tanzmusik nicht geeignet sind.

Entscheidung vom 20. Februar 1952, 1 Ob 125/52.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die drei Kläger betreiben als Unternehmer in W. das R.-Theater. Der Beklagte ist Inhaber des Varietes und Tanzlokales M. Im Herbst 1949 haben die Kläger für das von ihnen betriebene Theater eine neunköpfige Negerkapelle verpflichtet, die vorher im Auftrag des Erstklägers in Holland als Schau- und Tanzorchester spielte. Nach der Vereinbarung mit den Klägern mußte diese Negerkapelle gegen ein Gesamtpauschale von 40.000 S in der Zeit vom 1. Oktober 1949, bis 31. Oktober 1949 überall dort spielen, wo die Kläger es verlangten, und war verpflichtet, sowohl Schaumusik als auch Tanzmusik zu Gehör zu bringen. Durch Vermittlung der Theater-Agentur Oskar F. kam es am 20. September 1949 zwischen den Streitteilen zu einer Vereinbarung, wonach die Kläger die für Schau- und Tanzzwecke erprobte Negerkapelle zum Spielen im Betrieb des Beklagten im Monat Oktober 1949 täglich für zwei Stunden nach Programmschluß des R.-Theaters für Tanzmusik gegen Bezahlung einer Tagesgage von 1075 S zur Verfügung stellten.

Wenn auch der Vertrag auf einem für Artisten üblichen Formular für Engagementsverträge schriftlich festgehalten wurde, in dem die einzelnen Artisten als Vertragspartner aufscheinen, so diente dieser Vordruck nur als Unterlage und war es den Parteien vollkommen klar, daß der Vertrag nur zwischen den Klägern und dem Beklagten abgeschlossen wurde.

Die Kläger hatten nach diesem Vertrag nur die bei ihnen auftretende Negerkapelle dem Beklagten zur Verfügung zu stellen, so daß die tatsächliche Änderung in der Zusammensetzung der Kapelle durch Auswechslung zweier Musiker seit der Holland-Tournee dieser Kapelle an dem Zustandekommen des Vertrages nichts änderte, da die gleiche Zusammensetzung der Kapelle wie in Holland nicht zum Inhalt des abgeschlossenen Vertrages gehörte.

Nach einem zweimaligen Auftreten dieser Kapelle im M. wurde vom Beklagten ein ferneres Auftreten eingestellt und die Bezahlung jedweder Gage an die Kläger abgelehnt, weil das Spiel nicht entsprechend sei.

Die beiden unteren Instanzen wiesen ab, der Oberste Gerichtshof hob auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Während nach den sonstigen Begriffen der klassischen oder üblichen Unterhaltungsmusik die Instrumentierung sich aus der musikalischen Idee ergibt, ging die nach dem ersten Weltkrieg entstandene Jazzmusik eigene Wege, wobei im Jazz das Instrument selbst schon die Umrisse der Musik schafft.

Ohne auf die Frage der verschiedenen Arten des Jazz eingehen zu müssen, ist für diese Art der Musik die Improvisation das grundlegende Wesensmerkmal.

Ausgehend von einem Thema oder einer Melodie wird durch die einzelnen Musiker in freier Improvisation, worunter ein ungeschriebener, bewußt erarbeiteter und von Vortrag zu Vortrag sorgfältig aufgebauter Kompositionsvorgang verstanden wird, dieses Thema umspielt.

Mag auch diese Improvisation als Grundlage des Jazz anzusehen sein, so stehen doch bei dieser Musik, mag es sich um diesen oder jenen Stil des Jazz handeln, den Melodieinstrumenten die Instrumente gegenüber, die die niemals abreißende rhythmische Fundierung bilden müssen, die notwendig ist, um auf Grund dieser Jazzmusik tanzen zu können.

Wird von diesen Grundsätzen ("Jazz" von Sidney Finkelstein; "Triumph des Jazz" von Jack Back) ausgegangen, so ist es richtig, daß trotz der Möglichkeit zur freien Improvisation beim Jazz stets ein Zusammenspielen aller Musiker einer Kapelle erforderlich ist, um trotz Betonung der umspielten Melodie den Rhythmus des Tanzes zur Geltung zu bringen.

Die unteren Instanzen haben nun festgestellt, daß im gegenständlichen Falle das Spiel der auftretenden Kapelle nicht die Eignung als Tanzmusik hatte, u. zw. nicht deshalb, weil man zu den gebotenen Stücken nicht tanzen konnte, sondern weil der Kapelle jedes Zusammenspiel fehlte, so daß es für die Gäste des M. unmöglich war, nach der dargebotenen Musik zu tanzen.

Wenn die unteren Instanzen von einem mangelnden Zusammenspiel der Kapelle sprechen, so haftet dem angefochtenen Urteil insofern ein Mangel an, als die Entscheidung der unteren Instanzen nähere Feststellungen darüber vermissen lassen, worin dieses mangelnde Zusammenspiel bestanden hat. Die Klärung dieses Umstandes erscheint aber notwendig, um die Frage zu prüfen, ob die dargebotene Jazzmusik, die neben dem Zusammenspiel der Musiker auch die freie Improvisation zum Gegenstand hat, derartig war, daß es den Gästen des M. unmöglich gewesen ist, nach dieser Musik zu tanzen.

Das Erstgericht wird daher in dem weiteren Verfahren durch Vernehmung von Zeugen die Frage des mangelnden Zusammenspiels der Musiker einer Klärung zuzuführen haben.

Was schließlich die rechtliche Beurteilung des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrages anlangt, so kann der Oberste Gerichtshof den Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß es sich bei der Vereinbarung vom 29. September 1949 um einen Werkvertrag handelt, nicht folgen.

Nach den Feststellungen der unteren Instanzen haben die Kläger sich verpflichtet, die für das R.-Theater engagierte Negerkapelle, die nach ihrem mit den Klägern abgeschlossenen Vertrag überall dort spielen muß, wo die Kläger es verlangen, dem Beklagten täglich abends im Oktober 1949 durch zwei Stunden für Tanzmusik zur Verfügung zu stellen, wofür der Beklagte pro Tag einen Betrag von 1075 S an die Kläger zu bezahlen hatte. Nach dem Inhalt dieses Vertrages haben also die Kläger nicht Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernommen (§ 1151 ABGB.), sondern die Verpflichtung eingegangen, dem Beklagten ihre Dienstnehmer zur Verfügung zu stellen. In dieser Vereinbarung ist in rechtlicher Hinsicht daher ein Dienstverschaffungsvertrag zu erblicken, auf den nicht die Bestimmungen des Werkvertrages Anwendung zu finden haben, sondern die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechtes ("Dienstverschaffungsvertrag" von Maultaschl, ÖJZ. 1952 S. 1).

Aus dem Vertragszweck (Klang, Kommentar zu § 1151 ABGB.) ergibt sich, daß der Unternehmer, der seinen Dienstnehmer einem Dritten zur Verfügung stellt, auch dafür haftet, daß der Dritte diesen Dienstnehmer im Sinne dieses Vertrages verwenden kann. Nach den Feststellungen der unteren Instanzen war diesbezüglich zwischen den Parteien vereinbart, daß die gegenständliche Kapelle beim Beklagten zum Tanz aufzuspielen hat. Falls daher das zu ergänzende Beweisverfahren ergeben sollte, daß die zur Verfügung gestellten Musiker für diesen Zweck nicht geeignet waren, wird dem Beklagten das Recht zuzubilligen sein, vom abgeschlossenen Vertrag gemäß §§ 917 ff. ABGB. zurückzutreten.

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