Spruch:
Subsidiäre Unterhaltspflicht der mütterlichen Großeltern eines unehelichen Kindes bereits, wenn von den in erster Linie Leistungspflichtigen die Unterhaltsbeträge nicht rechtzeitig zu erlangen sind.
Entscheidung vom 13. Februar 1952, 2 Ob 101/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der außereheliche Vater des am 3. Dezember 1944 geborenen Rudolf M. hat im Vaterschaftsprozeß am 23. September 1949 seine Vaterschaft anerkannt und sich "zur Abdeckung des Unterhaltes des Kindes bis einschließlich 30. September 1949" verpflichtet, einen Betrag von 900 S zu Handen des Vormundes zu bezahlen; die weiteren Unterhaltsansprüche sollten vor dem Vormundschaftsgerichte geltend gemacht werden. Mit dem Beschluß vom 29. Juni 1950 ist dem Kindesvater eine Unterhaltsleistung von 40 S monatlich seit dem 8. März 1950 aufgetragen worden. Die Kindesmutter ist auf Grund eines vor dem Bezirksjugendamt am 5. Mai 1951 geschlossenen Vergleiches zur Zahlung eines Unterhaltsbetrages von 40 S seit dem 1. Jänner 1951 verhalten.
Die Vormundschaft hat bereits am 3. September 1949 beim Vormundschaftsgericht die Heranziehung des mütterlichen Großvaters zu einer Unterhaltsleistung von 90 S monatlich mit der Begründung beantragt, daß die Vaterschaft noch nicht festgestellt sei und daß die Kindesmutter kein eigenes Einkommen habe. Das Vormundschaftsgericht hat diesem Antrag teilweise stattgegeben und den mütterlichen Großvater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 50 S seit dem 1. Oktober 1949 verpflichtet; der sowohl von dem Vormund als auch von dem mütterlichen Großvater angefochtene Beschluß ist vom Rekursgericht aufgehoben worden, das dem Vormundschaftsgericht eine neuerliche Entscheidung nach einer Ergänzung des Verfahrens aufgetragen hat.
Das Vormundschaftsgericht hat nunmehr nach weiteren Erhebungen über die Einkommensverhältnisse der Kindeseltern den Antrag des Vormundes abgewiesen.
Das Rekursgericht hat den erstgerichtlichen Beschluß bestätigt.
Der Oberste Gerichtshof hat den rekurs- und den erstgerichtlichen Beschluß aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Sowohl das Vormundschafts- als auch das Rekursgericht haben eine Unterhaltspflicht des mütterlichen Großvaters deshalb ausgeschlossen, weil die Kindeseltern selbst nicht rechtzeitig zu Unterhaltsleistungen in Anspruch genommen worden seien, obwohl sie hiezu fähig gewesen wären.
Das Rekursgericht hat zwar mit Recht die Unterhaltspflicht des mütterlichen Großvaters als eine subsidiäre bezeichnet; diese hat aber auch dann einzusetzen, wenn von den in erster Linie Leistungspflichtigen (Vater und Mutter) die Unterhaltsbeträge nicht rechtzeitig zu erlangen sind (SZ. XVII/116). Die Leistungen dienen doch dem Unterhalt des Kindes, dessen Existenz dann gefährdet ist, wenn sie ausbleiben. Wenn Vater und Mutter die ihnen primär obliegenden Leistungen nicht erbringen und eine Exekutionsführung gegen sie (mangels eines Titels) noch nicht möglich oder (mangels eines erfaßbaren Einkommens oder Vermögens) zwecklos ist, beginnt bereits die Unterhaltspflicht der mütterlichen Großeltern, die aber auch dann zu Beitragsleistungen heranzuziehen sind, wenn die Leistungen der vor ihnen Unterhaltspflichtigen unzureichend sind. Wenn in § 166 ABGB. dem außerehelichen Kind das Recht eingeräumt ist, von seinen Eltern eine ihrem Vermögen angemessene Verpflegung, Erziehung und Versorgung zu fordern, und in der Folge die subsidiäre Unterhaltspflicht der mütterlichen Großeltern festgelegt wird, so sind, sobald die subsidiäre Unterhaltspflicht besteht, die aus ihr resultierenden Leistungen auch nach dem Vermögen des in Anspruch genommenen Großelternteiles zu bemessen. Die tatsächlichen Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes sind, soweit sie notwendig sind, bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen; sie bilden allerdings die Höchstgrenze der von allen unterhaltspflichtigen Personen zusammen zu erbringende Leistung. Die vom Rekursgericht zu dieser Frage vertretene gegenteilige Rechtsansicht ist offenbar gesetzwidrig.
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs, dem auch, da der Unterhaltsanspruch dem Gründe nach strittig ist, die Bestimmung des § 14 AußStrG. nicht entgegensteht, war demnach Folge zu geben und dem Erstgericht unter Aufhebung beider vorgerichtlicher Beschlüsse eine Ergänzung des Verfahrens und eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.
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