OGH 1Ob822/51

OGH1Ob822/5128.11.1951

SZ 24/325

Normen

Deutsche Zivilprozeßordnung §264
ZPO §235 Abs2
ZPO §235 Abs3
Deutsche Zivilprozeßordnung §264
ZPO §235 Abs2
ZPO §235 Abs3

 

Spruch:

Die nachträgliche Stellung eines Eventualbegehrens ist grundsätzlich keine Klagsänderung.

Entscheidung vom 28. November 1951, 1 Ob 822/51.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Die Klägerin begehrt in der am 18 November 1949 verfaßten Klage zu erkennen: "Die beiden Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, in der Einverleibung des Eigentumsrechtes bezüglich ihrer 3/32- Anteile an der gemäß dem Situationsplan des Geometers GT. 3701 neu zu bildenden Subparzelle 771/2, Garten, im Ausmaß von 1662 m2, vorgetragen im Grundbuch M. EZ. 113 zugunsten der klagenden Partei "gegen dem" zu willigen, daß die klagende Partei je 3/32-Anteile an der Baufläche 100 und der neu zu bildenden Subparzelle 771/1 im Ausmaße von 1446 m2, vorgetragen im gleichen Grundbuch EZ. 113, den Beklagten in ihr Eigentum überträgt." Diese am 24. November 1949 eingebrachte Klage wird auf eine Vereinbarung der Streitteile vom 29. Mai 1949 gestützt.

Bei der ersten Streitverhandlung am 15. Juni 1950 stellte die Klägerin das Eventualbegehren: "Die beiden Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes im Sinne des obigen Klagebegehrens vom 18. November 1949 einzuwilligen, jedoch aus dem Teilungstitel des § 830 ABGB."

In einem vorbereitenden Schriftsatz vom 7. Feber 1951 hat die Klägerin diesem Eventualbegehren folgenden Wortlaut gegeben: "Die Eigentumsgemeinschaft der Klägerin und der Nebenintervenienten (auf der Klagsseite) und der Beklagten an der Liegenschaft Grundbuch M. EZ. 113 wird durch körperliche Teilung aufgehoben". Dieses Eventualbegehren wurde von der klagenden Partei in der mündlichen Streitverhandlung am 8. Feber 1951 neuerlich auf folgenden Wortlaut geändert: "Die Eigentumsgemeinschaft der Klägerin und der Beklagten an der Liegenschaft Grundbuch M. EZ. 113 wird aus dem Teilungstitel des Gesetzes durch körperliche Teilung aufgehoben, die der freien Rechtsgestaltung durch den Richter überlassen bleiben soll, ohne Bindung an die behaupteten Abmachungen aus der Übereinkunft vom 29. Mai 1949."

Während die beklagten Parteien zu dem Eventualbegehren in der Verhandlung vom 15. Juni 1950 ausdrücklich erklärt hatten, keine Einwendung zu erheben, haben sie in der Neuformulierung vom 8. Feber (und 7. Feber) 1951 eine "unzulässige Klagsänderung" erblickt und sich gegen deren Zulassung ausgesprochen.

Das Erstgericht hat das Eventualbegehren mit Beschluß vom 8. Feber 1951 in der Erwägung zugelassen, daß es bereits in der Streitverhandlung vom 15. Juni 1950 keinen Einwand der beklagten Parteien begegnete. In dem Schriftsatz vom 7. Feber und im Vorbringen vom 8. Feber 1951 sei das Eventualbegehren nur präzisiert worden. Das Begehren, das am 8. Feber 1951 gestellt wurde, sei keine Klagsänderung mehr gewesen. Die bisher aufgewendete Prozeßarbeit sei auch für das Eventualbegehren ausgenützt worden, die Tatsachen, die dem Eventualbegehren zugrunde liegen, stunden im engsten Zusammenhang mit dem bisherigen Prozeßmaterial; eine Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens sei nicht zu besorgen.

Das Rekursgericht ließ die Klagsänderung mit der Begründung nicht zu, daß das Klagebegehren nichts anderes als ein Begehren auf Zuhaltung einer Tauschvereinbarung darstelle, die eine gegenseitige Verschiebung der ideellen Liegenschaftsanteile der Streitteile untereinander zum Gegenstand habe. Die erste Fassung des Eventualbegehrens vom 15. Juni 1950 nehme ausdrücklich auf dieses Klagebegehren Bezug und verlange die gleiche Eigentumsverschiebung, jedoch aus dem Titel des Gesetzes. Mit diesem Wortlaut werde daher keineswegs die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch körperliche Teilung verlangt. Eine solche werde erst im "präzisierten Eventualbegehren" vom 7. und 8. Feber 1951 verlangt. Daraus gehe - nach Meinung des Rekursgerichtes - klar hervor, daß es sich erst bei der sogenannten Präzisierung vom 7. und 8. Feber 1951 um eine grundlegende Änderung des Klagsanspruches handle. Die Zustimmung der beklagten Parteien zum Eventualbegehren vom 15. Juni 1950 könne daher auf diesen neuen Anspruch nicht ausgedehnt werden und komme daher bei der Beurteilung der Frage, ob die nunmehr zur Entscheidung stehende Änderung vom 7. bzw. 8. Feber 1951 zuzulassen wäre, nicht mehr in Betracht. Im übrigen ließe das Eventualbegehren eine erhebliche Erschwerung und Verzögerung der Verhandlung besorgen. Denn von jetzt an sei der Prozeß nach § 830 ABGB. zu führen und damit die Fragen nach der "Unzeit" und der "Benachteiligung der übrigen" zu prüfen. Es steht somit noch ein großer Prozeßaufwand gegenüber dem ursprünglichen Eventualbegehren bevor.

Der Oberste Gerichtshof fand den Revisionsrekurs des Klägers, der den Standpunkt des Erstgerichtes vertritt, für begrundet.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist dem Rekursgericht beizupflichten, daß dem Klagebegehren ein angeblich vereinbarter Tausch zugrunde liege.

Nach einheitlicher Rechtsprechung ist die nachträgliche Stellung des Eventualbegehrens aus demselben Tatbestande (Klagsgrund) keine Klagsänderung. Es liegt nur dann eine Klagsänderung vor, die aber unter den Voraussetzungen des Abs. 3 des § 235 ZPO. zuzulassen ist, wenn das Eventualbegehren nicht aus den festgestellten Tatsachen resultiert (s. h. die zahlreichen Entscheidungen bei Stagel - Michlmayr, 10. Auflage der ZPO. zu § 235, A, Nr. I9). Gleiches gilt für den Fall, wenn man die Stellung eines Eventualbegehrens als eine bedingte Klagsänderung ansehen will (ZBl. 1922, Nr. 46, 1923, Nr. 296 und 1 Ob 328/50, nicht veröffentlicht). Im vorliegenden Falle muß davon ausgegangen werden, daß das Eventualbegehren auf einem anderen Klagsgrund als das Klagebegehren (Gesetz - im Gegensatze zum Vertrag) gestützt wird. Liegt aber eine Klagsänderung vor, so ist sie nach Abs. 3 des § 235 ZPO. zu beurteilen, nach welcher Vorschrift das Gericht eine Klagsänderung ungeachtet der Einwendung des Gegners zulassen "kann", wenn hiedurch eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist. Gerade im vorliegenden Falle liegen die Voraussetzungen für die Zulassung des Eventualbegehrens vor, weil in Übereinstimmung mit dem Erstgericht gesagt werden muß, daß die vorgebrachten Tatsachen und Beweisergebnisse für das Eventualbegehren eine geeignete Grundlage ergeben, und weil schon seit Beginn der Streitverhandlung, hervorgerufen durch die Klagebeantwortung der Beklagten, die Fragen "Unzeit" und "Benachteiligung der übrigen" zur Erörterung stehen (ZBl. 1933, Nr. 303 und 1920, Nr. 24). Zusammenfassend ist zu sagen, daß die Bestimmung des § 235 ZPO. überflüssigen Prozeßaufwand verhüten und nicht vermehren soll. Sie dient dem Gedanken der Prozeßökonomie. Die Klagsänderung ist daher in der Regel zuzulassen, wenn hiedurch das Verfahren nicht wesentlich verzögert oder erschwert wird. Dieser Rechtsgedanke, der in § 264 DZPO. (die Klagsänderung "ist" zulässig) ausgesprochen ist, gilt sinngemäß auch für das österreichische Recht. Das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis soll mit den einfachsten Mitteln, daher wenn möglich in einem Rechtsstreit klargestellt werden. Dient die Klagsänderung diesem Zwecke, so ist sie zuzulassen (1 Ob 246, 247/38 = DREvBl. 1938, Nr. 331). Unter der Voraussetzung des Abs. 3 des § 235 ZPO. war daher die Klagsänderung zuzulassen, wie sogar die Änderung des Begehrens auf "Lösung der Eigentumsgemeinschaft durch Feilbietung" in das Begehren "auf Zahlung einer Ablöse gegen Überlassung des Anteiles des Klägers" zufolge SZ. VII/276 für zulässig erklärt wurde. Von der Zulässigkeit der Klagsänderung unter dem Gesichtspunkte des Abs. 3 des § 235 ZPO. abgesehen, war der Revisionsrekurs aber auch deshalb nicht begrundet, weil im Hinblick auf Abs. 2 derselben Gesetzesstelle die Stellung des Eventualbegehrens bereits in der Verhandlung vom 15. Juni 1950 erfolgt ist, welcher "Klagsänderung" die Beklagten ausdrücklich zugestimmt haben.

Es war deshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen.

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