OGH 3Ob510/51

OGH3Ob510/5117.10.1951

SZ 24/278

Normen

ABGB §7
ABGB §141
ABGB §879
ABGB §1295 Abs2
ZPO §482
ABGB §7
ABGB §141
ABGB §879
ABGB §1295 Abs2
ZPO §482

 

Spruch:

Ein allgemeines Schikaneverbot ist dem österreichischen Recht fremd. Die vom Vater gegen sein großjähriges und selbsterhaltungsfähiges Kind eingebrachte Räumungsklage kann nicht mit der Begründung abgewiesen werden, daß sie gegen die guten Sitten verstoße.

Entscheidung vom 17. Oktober 1951, 3 Ob 510/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger hat das Klagebegehren gestellt, die Beklagte (seine großjährige und erwerbsfähige Tochter) zur Räumung der von ihr mitbenützten elterlichen Wohnung zu verurteilen.

Das Prozeßgericht hat mit Urteil vom 10. Jänner 1951 dem Klagebegehren stattgegeben.

Infolge Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht dieses Urteil abgeändert und das Räumungsbegehren abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und stellte das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der von der Revision geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Z. 9 ZPO. liegt nicht vor. Das angefochtene Urteil ist keineswegs so mangelhaft begrundet, daß seine Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könnte; vielmehr bringt das Urteil deutlich zum Ausdruck, aus welchen Erwägungen das Berufungsgericht das Räumungsbegehren abgewiesen hat.

Auch der Vorwurf der Aktenwidrigkeit ist nicht begrundet. Das Berufungsgericht hat das Verfahren durch Einsicht in den Ehescheidungsakt des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, . Cg .../50, ergänzt. Die Annahme des Berufungsgerichtes, daß der Kläger mit der Räumungsklage den Zweck verfolgte, seine Ehegattin der Unterstützung durch die Beklagte zu berauben, um sie dadurch dem Ehescheidungsbegehren gefügig zu machen und sich an der Beklagten wegen der Unterstützung seiner Ehegattin zu rächen, sind Schlußfolgerungen, die das Berufungsgericht aus dem Inhalte dieser Ehescheidungssache ziehen konnte. Übrigens betreffen diese Feststellungen, wie später erörtert werden wird, keine entscheidenden Umstände.

Der Revision ist zuzugeben, daß das Berufungsgericht entgegen der Vorschrift des § 482 ZPO. die von der Beklagten in der Berufung neu vorgebrachten Behauptungen, daß der Kläger die Räumungsklage nur im Hinblick auf das oben angeführte Ehescheidungsverfahren eingebracht habe, um seine Ehegattin seinen Scheidungswünschen gefügig zu machen, berücksichtigt hat und daß für die Ergänzung des Verfahrens durch Einsicht in den Ehescheidungsakt die prozessualen Voraussetzungen mangelten. Dieser Vorgang kann aber nicht mit dem Revisionsgrund des § 503 Z. 2 ZPO. gerügt werden.

Dagegen ist die Rechtsrüge der Revision begrundet. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Räumungsklage die Bestimmung des § 1295 Abs. 2 ABGB. entgegenstehe, kann nicht geteilt werden. Denn diese Gesetzesstelle bezieht sich nur auf die Verpflichtung zum Ersatze des Schadens, den jemand einem anderen zwar in Ausübung seines Rechtes, aber doch in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zugefügt hat. Im vorliegenden Falle handelt es sich aber nicht um Schadenersatzansprüche der Beklagten, sondern um eine Räumungsklage des Klägers. Eine dem § 226 DBGB. entsprechende Bestimmung ist dem österreichischen Rechte fremd. Abgesehen davon kann auch nicht gesagt werden, daß das Begehren des Klägers, seine großjährige und selbsterhaltungsfähige Tochter zur Räumung der ehelichen Wohnung zu verhalten, gegen die guten Sitten verstoße. Daher könnte auch, wenn man den Rechtsgedanken, der den §§ 1295 Abs. 2, 879 ABGB. zugrunde liegt, gemäß § 7 ABGB. analog anwenden wollte, das Klagebegehren nicht wegen sittenwidriger und mißbräuchlicher Rechtsausübung abgewiesen werden. Aus welchen Gründen der Kläger sich zur Einbringung der Räumungsklage gegen seine Tochter entschlossen hat, ist nicht entscheidend, und es war daher in eine Erörterung dieser Gründe nicht einzugehen.

Da nach den Feststellungen der Vorinstanzen ein Untermietvertrag zwischen den Prozeßparteien nicht abgeschlossen wurde, erweist sich das Räumungsbegehren des Klägers als berechtigt. Aus diesen Gründen war der Revision Folge zu geben und in Abänderung des angefochtenen Urteiles das Urteil des Prozeßgerichtes wiederherzustellen.

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