Normen
ABGB §138
ABGB §156
ABGB §161
ABGB §163
JN §49 Abs2 Z2
JN §50 Abs2
JN §104
ZPO §477 Abs1 Z3
ABGB §138
ABGB §156
ABGB §161
ABGB §163
JN §49 Abs2 Z2
JN §50 Abs2
JN §104
ZPO §477 Abs1 Z3
Spruch:
Die Vaterschaft kann trotz Anerkennung bestritten werden, auch wenn scheinbar eine Legitimierung des Kindes nach § 161 ABGB. eingetreten ist. Hiebei finden nicht die Bestimmungen über die Anfechtung eines Anerkenntnisses Anwendung, weil es sich nur um die Beseitigung des Geständnisses handelt, der Kindesmutter innerhalb der kritischen Frist beigewohnt zu haben. Die Klage kann ohne Beschränkung durch eine Befristung eingebracht werden.
Für solche Bestreitungsklagen sind die Landes- und Kreisgerichte und nicht die Bezirksgerichte zuständig.
Entscheidung vom 17. Oktober 1951, 2 Ob 665/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Kindberg; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Der Kläger, welcher am 4. Oktober 1944 Annemarie K. geheiratet hat und von ihr inzwischen rechtskräftig geschieden wurde, begehrt die Feststellung, daß er nicht Vater des von der Genannten am 26. Juli 1944 außer der Ehe geborenen, durch die Ehe mit der Kindesmutter nachträglich legitimierten mj. Kindes Ludwig Hermann R. sei.
Er begrundete dieses Begehren damit, daß er die Kindesmutter erst in der Zeit zwischen 20. Jänner und 28. Jänner 1944 während eines Militärurlaubes kennengelernt und damals mit ihr erstmalig geschlechtlich verkehrt habe. Das beklagte Kind sei jedoch bei der Geburt 4 1/2 kg schwer gewesen und könne darum nach seinem Reifegrad unmöglich aus einer Beiwohnung im Jänner 1944 stammen. Die Kindesmutter habe vielmehr schon vor dem Kindesvater mit anderen Männern Geschlechtsverkehr gepflogen. Er habe seinerzeit keinen Anstand genommen, das Kind zu legitimieren, weil er jung und unerfahren gewesen sei und ihn als Soldaten Sorgen wegen der künftigen Erhaltung des Kindes nicht sehr gedrückt hätten.
Die beklagte Partei verlegt den Geschlechtsverkehr mit dem Kindesvater in die Zeit vom 27. September 1943 bis 26. Jänner 1944, bestritt den Verkehr mit anderen Männern und behauptete, das mj. Kind sei zu früh geboren und unreif gewesen.
Das Erstgericht gelangte zu dem Ergebnis, daß eine Zeugung des Beklagten durch den Kläger mit höchster Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf den ermittelten Reifegrad des Kindes ausgeschlossen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Gegen diese Entscheidung wendete sich unter Anrufung der Revisionsgrunde nach § 503 Z. 2 und 4 ZPO. die Revision des Beklagten.
Der Oberste Gerichtshof hat der Revision Folge gegeben, Urteil und Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revision kommt insoweit Berechtigung zu, als das Prozeßgericht absolut unzuständig war, weshalb das gesamte Verfahren gemäß § 477 Z. 3 ZPO. nichtig erscheint.
Schon das Erstgericht hat in den Gründen seiner Entscheidung die Frage der Zuständigkeit aufgeworfen und sie mit der Begründung bejaht, daß die Vaterschaftsvermutung des § 163 ABGB., die sich auf die Anerkennung der außerehelichen Vaterschaft im Verfahren außer Streitsachen grunde, einen Gegenbeweis im ordentlichen Rechtsweg zulasse, der entweder auf Mängel der Erklärung, wie Irrtum, Zwang, fehlende Ernstlichkeit, oder auf die Behauptung der Unmöglichkeit einer durch den Anerkennenden erfolgten Zeugung gestützt werden könne. Daß das beklagte Kind bereits durch die nachfolgende Ehe mit der Kindesmutter legitimiert wurde, ändere an der ausschließlichen Zuständigkeit des Bezirksgerichtes gemäß § 49 Abs. 2 Z. 2 JN. nichts, da diese nur durch die Ehe der Erzeuger des Kindes erfolge und daher voraussetze, daß der nunmehrige Ehemann der Kindesmutter tatsächlich der Vater des Kindes sei.
Die Berufung hatte diese Rechtsansicht unter Anrufung des Berufungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft und die Unzuständigkeit des Prozeßgerichtes deswegen behauptet, weil im Hinblick auf das Vorliegen der Legitimation, durch welche das Kind die Rechte eines ehelich geborenen erlangt, die bloße Anfechtung des Vaterschaftsanerkenntnisses nicht genüge. Vielmehr müsse ein Vaterschaftsbestreitungsprozeß im Sinne der §§ 156 ff. ABGB. und unter Einhaltung der bezüglichen verfahrensrechtlichen und Zuständigkeitsvorschriften, somit vor dem zuständigen Gerichtshof erster Instanz (§ 50 Abs. 2 Z. 1 JN.), geführt werden.
Das Berufungsgericht verwarf diese Rechtsrüge und pflichtete der Rechtsansicht des Erstgerichtes auch in diesem Punkte bei mit der Begründung, die Legitimation könne nur eintreten, wenn der Ehemann der Kindesmutter auch der voreheliche Erzeuger des legitimierten Kindes sei. Ob diese Vaterschaft gegeben sei, könne aber nur in einem Verfahren vor dem Bezirksgericht gemäß § 49 Abs. 2 Z. 2 JN. entschieden werden, weil ja das Kind vor der Legitimation als unehelich galt und Streitigkeiten über die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind unter die Zuständigkeitsnorm der angezogenen Gesetzesstelle fallen. Mit der Verneinung der Vaterschaft des Ehegatten entfallen aber auch von selbst die Legitimationswirkungen.
Diese Ansicht wird in der Revision mit Recht bekämpft.
Den Untergerichten ist darin beizustimmen, daß trotz der Legitimation und der mit ihr gemäß § 161 ABGB. verbundenen Rechtswirkungen der Ehemann nachträglich seine Vaterschaft bestreiten kann, wenn die Anerkennung der Vaterschaft zu Unrecht erfolgte und daher die Voraussetzungen für den Eintritt der Legitimationswirkungen fehlen, weil er nicht der Erzeuger des durch die nachfolgende Ehe vermeintlich legitimierten Kindes ist. Denn diese vermag die Legitimationswirkungen eben nur unter der Voraussetzung hervorzurufen, daß die Ehepartner gemeinsam das von der Kindesmutter vorehelich geborene Kind erzeugt haben. Die Eintragung in das Geburtenbuch, bzw. die Taufmatrik hat bloß deklaratorische Wirkung. Die Anerkennung der Vaterschaft zu dem Kinde schließt aber den Beweis nicht aus, daß das Kind nicht vom späteren Ehemann gezeugt wurde. Denn sie ist keine Willenserklärung, kein echtes Anerkenntnis, sondern nur das Geständnis, der Kindesmutter innerhalb der kritischen Frist beigewohnt zu haben. Es finden darum nicht die Bestimmungen über die Anfechtung eines Anerkenntnisses Anwendung, und die auf ein solches Geständnis gestützte Vermutung der Vaterschaft (§ 163 letzter Satz ABGB.) ist nicht stärker als jene, die sich auf den Nachweis einer innerhalb der kritischen Frist erfolgten Beiwohnung bezieht und ebenfalls durch Gegenbeweis entkräftet werden kann. Das ist herrschende Ansicht in Lehre und Rechtsprechung (vgl. GlUNF. 73, 5308, SZ. VI/129, X/12, XVIII/19, RZ. 1934, S. 191, NotZ. 1928, S. 94, 1930, S. 115, u. a. m.).
Fraglich kann nur sein, welches Gericht für die Entscheidung des Bestreitungsprozesses zuständig ist. Der Ansicht der Unterinstanzen, es handle sich um eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines außergerichtlichen Vaterschaftsanerkenntnisses zu einem außerehelichen Kind, weshalb die Zuständigkeit der Bezirksgerichte nach § 49 Abs. 2 Z. 2 JN. gegeben sei, ist nicht zuzustimmen. Die von ihnen bezogene Entscheidung Ev.Bl. 1947, Nr. 190, bezieht sich nur auf den Fall der späteren Anfechtung einer Anerkennung der außerehelichen Vaterschaft gegenüber einem unehelich geborenen und gebliebenen Kinde. Der Beklagte aber hatte bereits gemäß § 161 ABGB. durch die Legitimation, wenn auch angeblich zu Unrecht, die Rechte eines ehelich erzeugten Kindes erlangt, die ihm nur mehr nach Analogie der §§ 156 ff. ABGB. entzogen werden können. Es handelt sich hier nicht um einen Prozeß über die Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde wie im Normalfall des § 49 Abs. 2 Z. 2 JN., sondern vielmehr um eine Klage, in der die Feststellung begehrt wird, daß ein durch Legitimation ehelich gewordenes Kind nicht als ehelich anzusehen sei. Es liegt demnach ein Rechtsstreit über das Rechtsverhältnis der Ehelichkeit des Beklagten, ein Statusprozeß vor, der wie alle Statusprozesse gemäß § 50 Abs. 2 Z. 3 JN. grundsätzlich in die Zuständigkeit der Gerichtshöfe erster Instanz fällt (DREvBl. 1938, Nr. 465, DREvBl. 1940, Nr. 2, DREvBl. 1938, Nr. 546). Dieser Rechtsstreit ist verwandt dem Verfahren über die Bestreitung der Ehelichkeit eines in der Ehe geborenen Kindes, für welches die Vermutung der Ehelichkeit gemäß § 138 ABGB. streitet, unterliegt aber nicht den Befristungsbeschränkungen nach §§ 156 ABGB., die nur für den eigentlichen Vaterschaftsbestreitungsprozeß gelten. Auch die Verordnung DRGBl. 1943, I S. 80 setzt keine Frist für die Bestreitung der Legitimation (vgl. 2 Ob 577/50).
War aber die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz für die vorliegende Statusklage gegeben, so ist das vor dem Bezirksgericht durchgeführte Verfahren im Hinblick auf die in § 104 JN. im Zusammenhalt mit § 50 Abs. 2 JN. ausgesprochene Unzulässigkeit einer Prorogation und dadurch bewirkte absolute Unzuständigkeit nichtig. Der Beklagte hat diese Nichtigkeit, wenngleich nur als unrichtige rechtliche Beurteilung, demnach fehlerhaft, weil mit der Rechtsrüge immer nur die unrichtige Anwendung des materiellen Rechtes, nicht aber Verstöße gegen die Verfahrensvorschriften bekämpft werden können, aber doch der Sache nach angefochten. Die Nichtigkeit wäre im übrigen auch von Amts wegen wahrzunehmen gewesen.
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