Spruch:
Ein teilweiser Zinserlaß nach § 1105 ABGB. bezieht sich bei mietengeschützten Bestandobjekten zwar nur auf den Hauptmietzins. Er hat aber eine entsprechende Änderung des Betriebskostenschlüssels zur Folge.
Entscheidung vom 19. September 1951, 1 Ob 27/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Mit dem Aufhebungsbeschluß vom 17. Dezember 1949 hat der Oberste Gerichtshof der Revision der beklagten Partei Folge gegeben, die beiden untergerichtlichen Urteile vom 13. November 1948 und 11. Feber 1949, aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Er ging dabei von folgenden rechtlichen Erwägungen aus: "Das Mietengesetz hat an dem Anspruch des Mieters, bei nicht vollständiger Behinderung des vertragsmäßigen Gebrauches des Mietobjektes gemäß § 1105 ABGB. einen verhältnismäßigen Zinserlaß zu begehren, nichts geändert. Da sich aber die Höhe des Mietzinses im vorliegenden Falle aus dem Mietengesetze ergibt und es keinesfalls Absicht des Gesetzgebers war, die Mieter von Räumen, die dem Mietengesetz unterliegen, hinsichtlich ihres Rechtes auf Zinserlaß schlechter zu stellen, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß unter dem im § 1105 ABGB. angeführten Mietzins der nach dem Mietengesetz sich ergebende Hauptmietzins gemeint ist. Berechtigung kommt der Rechtsrüge insofern zu, als die Untergerichte hinsichtlich der Errechnung der verhältnismäßigen Behinderung des Gebrauches den bei der Vermietung im Jahre 1939 zugrunde gelegten Friedensmietzins herangezogen haben. Dieser Friedensmietzins kann aber nicht herangezogen werden, da laut Entscheidung der Preisbehörde vom 10. Jänner 1941 die Berechnungsgrundlage des Hauptmietzinses in der bezogenen Entscheidung herabgesetzt wurde. Das Berufungsgericht hat zwar in seiner Entscheidung unter Hinweis auf eine Außerstreitstellung der Parteien im Berufungsverfahren angeführt, daß das Verhältnis der von der Preisbehörde festgesetzten Zinssätze zu dem im Jahre 1939 zugrunde gelegten Friedenszinse nur ganz unwesentlich voneinander abweicht, doch ist durch diese Außerstreitstellung nichts gewonnen, da es nicht auf das Verhältnis der von der Preisbehörde maßgebenden Zinssätze zu dem im Jahre 1939 zugrunde gelegten Friedensmietzins, sondern nur auf die Höhe des tatsächlich zuletzt bezahlten Hauptmietzinses ankommt, ganz abgesehen davon, daß aus dem Protokoll der Berufungsverhandlung eine solche Außerstreitstellung nicht ersichtlich ist. Richtigerweise hätten die Untergerichte bei Errechnung der verhältnismäßigen Behinderung des Gebrauches den tatsächlichen Hauptmietzins, der von der klagenden Partei für das Mietobjekt zu zahlen ist, zugrunde legen müssen".
Nachdem ernstlich eingeleitete Vergleichsversuche zwischen den Parteien gescheitert waren, ist in der vom Erstgerichte neu durchgeführten Streitverhandlung vom 20. Juli 1950 außer Streit gestellt worden, daß nur für einen Zeitraum vom 1. Mai 1945 bis 30. April 1948 die Erlassung des Mietzinses begehrt wird, worauf die beklagte Partei den Klageanspruch hinsichtlich der Erlassung der Hälfte des Hauptmietzinses für den angeführten Zeitraum anerkannt hat. Eine Erstattungspflicht hinsichtlich der Betriebskosten gemäß § 2 Abs. 2 MietG. ist von der beklagten Partei bestritten worden, wogegen die klagende Partei das Klagebegehren unverändert mit Ausnahme des erwähnten Zeitraumes aufrechterhalten hat.
Das Erstgericht hat sodann mit Urteil vom 21. Juli 1950, die beklagte Partei schuldig erkannt, der klagenden Partei die Hälfte des Hauptmietzinses für die im Hause Wien, I., R-Straße Nr. ..., gemieteten Geschäftsräume für die Zeit vom 1. Mai 1945 bis 30. April 1948 zu erlassen, wogegen das Klagebegehren bezüglich Erlassung der Hälfte des Mietzinses hinsichtlich Betriebskosten, Steuern usw. für die Zeit vom 1. Feber 1945 bis 30. April 1948 für obige Räume bei gegenseitiger Kostenaufhebung abgewiesen wurde.
Der gegen das Urteil erster Instanz erhobenen Berufung der klagenden Partei hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf den Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes, wonach die Rechtsansicht ausgesprochen wurde, daß unter dem im § 1105 ABGB. angeführten Mietzins der nach dem Mietengesetz sich ergebende Hauptmietzins gemeint ist, die Auffassung vertreten, daß über die Auslegung dieser Begründung des Obersten Gerichtshofes schon deshalb kein Zweifel bestehen könne, weil die Aufteilung der Komponenten des gesetzlichen Mietzinses laut § 2 Abs. 1, lit. b und c MietG. im Falle eines teilweisen Erlasses nach § 4 MietG. vorzunehmen sei, so daß die durch die Herabsetzung des Mietzinses bestimmte Änderung der Aufteilung dieser Zinskomponenten keinesfalls nach der Herabsetzungsquote des Hauptmietzinses zu erfolgen habe. Abgesehen davon habe über die zulässige Änderung der Aufteilung der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben nicht das ordentliche Gericht, sondern gemäß § 26 Abs. 1 MietG. die Mietkommission zu entscheiden. Da das Erstgericht den Klagevertreter bei der fortgesetzten mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 1950 aufgefordert habe, den Inhalt des Begriffes "Mietzins" in seinem Klagebegehren zu erläutern, dies jedoch nicht geschehen sei, sei der Ausdruck Mietzins im Klagebegehren mit Recht als gesetzlicher Mietzins im Sinne der Terminologie des Mietengesetzes verstanden worden. Mit Recht habe das Erstgericht das Klagebegehren auf Erlassung der Hälfte des Mietzinses hinsichtlich der Betriebskosten und Steuern für die Zeit vom 1. Feber 1945 bis 30. April 1948 abgewiesen. Aber auch die gerügte Mangelhaftigkeit liege nicht vor, weil sich auf Grund des Anerkenntnisses der beklagten Partei hinsichtlich der Erlassung der Hälfte des Hauptmietzinses für den nunmehr außer Streit stehenden Zeitraum vom 1. Mai 1945 bis 30. April 1948 die Einsichtnahme in den Akt der Preisbehörde erübrigt habe.
Der Revision kommt keine Berechtigung zu.
Die Revision meint zur Rechtsrüge, daß die Auslegung, die die Unterinstanzen dem Hinweis in der Begründung des Aufhebungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofes gaben, sinnwidrig und ungesetzlich sei. Sie führe zu Ergebnissen, die gerade die bezogene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes bewußt ausschalten wollte. Durch die Auslegung der Untergerichte würden die Mieter von Räumen, die hinsichtlich der Zinsbildung dem Mietengesetz unterliegen, schlechter gestellt; denn bei vereinbartem Pauschalmietzins müßte sich die Herabsetzung auf den Pauschalzins erstrecken, während in anderen Fällen die vom Hauptmietzins entfallenden Betriebskosten und Abgaben unvermindert den Hauptmieter treffen müssen. Wenn der Oberste Gerichtshof in seinem Aufhebungsbeschluß auf den Hauptmietzins hingewiesen habe, könne dies nur bedeuten, daß die Ermäßigung sich über den Hauptmietzins auch auf Betriebskosten und Abgaben auswirke. Diese Folgewirkung könne aber nicht zur Abweisung eines angeblichen Mehrbegehrens bezüglich der Erlassung der Hälfte der Betriebskosten und Steuern führen. Unter dem zu erlassenden Zins nach § 1105 ABGB. sei im gegebenen Falle der gesetzliche Mietzins nach § 2 MietG. zu verstehen. Der Hinweis der Berufungsentscheidung auf § 26 Abs. 1 MietG., wonach über eine zulässige Änderung der Aufteilung der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben die Mietkommission zu entscheiden habe, sei offenbar rechtsirrig. Diese Bestimmung könne sich nicht auf den Fall des § 1105 ABGB. beziehen, da sonst der ganze Rechtsstreit vor der Mietkommission ausgetragen werden müßte. Überdies seien gemäß § 26 Abs. 2 MietG. die Fristen und Voraussetzungen für die Stellung eines diesbezüglichen Antrages des Mieters längst abgelaufen. Ein solcher Antrag hätte vom Mieter auch bisher nicht gestellt werden können, so lange nicht feststehe, in welchem Ausmaß die Zinsermäßigung nach § 1105 ABGB. Platz zu greifen habe. Auch das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters erstrecke sich nicht nur auf den Hauptmietzins, sondern auch auf die übrigen Bestandteile des gesetzlichen Mietzinses, was gleichfalls die Ansicht der Unterinstanzen widerlege.
Den Revisionsausführungen ist insoweit beizutreten, daß die Frage des Zinserlasses nach § 1105 ABGB. Vom ordentlichen Gericht zu entscheiden ist und nicht in die Kompetenz der Mietkommission fällt; denn die Zuständigkeitsregelung nach § 26 MietG. hat mit dem hier zur Verhandlung stehenden Anspruch nichts zu tun (Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz, S. 282). Recht zu geben ist der Revision auch darin, daß sich die Herabsetzung des Hauptmietzinses nach § 1105 ABGB. auch auf die beiden anderen Komponenten des gesetzlichen Mietzinses nach § 2 MietG. (Betriebskosten und laufende öffentliche Abgaben) auswirken muß. Mit der Herabsetzung des Hauptmietzinses, der ja die Grundlage für die Berechnung der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben gemäß § 4 MietG. abgibt, ist, ohne daß es erst einer Einverständniserklärung des Vermieters bedarf, von Gesetzes wegen auch eine entsprechende Änderung der beiden anderen Zinsbestandteile nach § 2 lit. b und c MietG. verbunden. Die Vorschrift des § 4 bestimmt, daß die Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben auf die einzelnen Mietgegenstände im Hause nach dem Verhältnis des einzelnen der Berechnung des gesetzlichen Mietzinses zugrunde gelegten Jahresmietzinses zur Gesamtsumme dieser Jahresmietzinse usw. zu verteilen sind. Es handelt sich somit um einen Vorgang, der ganz unabhängig vom Willen des Vermieters eintritt. Die Herabsetzung von Betriebskosten und öffentlichen Abgaben geschieht darnach nicht im gleichen Verhältnis wie jene des Hauptmietzinses, sondern ist auf Grund der im § 4 MietG. vorgesehenen Verhältnisrechnung zu ermitteln. Der Oberste Gerichtshof hält an der im Aufhebungsbeschluß vom 17. Dezember 1949 ausgesprochenen Auffassung fest, daß unter dem im § 1105 ABGB. angeführten Mietzins der nach dem Mietengesetz sich ergebende Hauptmietzins gemeint ist. Wenn die Untergerichte das Begehren auf Erlaß der Hälfte der Betriebskosten und Steuern abgewiesen haben, so ist dieser Erledigung, wenn auch mit teilweise abweichender Begründung, beizutreten, weil dieses Begehren von vornherein verfehlt war und zu einem solchen Begehren auch gar keine Veranlassung bestand.
Mit der Außerstreitstellung des Zeitraumes, für den der Erlaß des Hauptmietzinses gelten soll und dem Anerkenntnis der beklagten Partei war die Sache spruchreif und jede weitere Beweiserhebung entbehrlich. Bei dieser rechtlichen Beurteilung der Sache erübrigt es sich, des Näheren auf die Mängelrüge einzugehen.
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