Normen
ABGB §1118
Mietengesetz §19 Abs2 Z4
Reichsabgabenordnung §116
Strafgesetz §312
ABGB §1118
Mietengesetz §19 Abs2 Z4
Reichsabgabenordnung §116
Strafgesetz §312
Spruch:
Auch für Klagen nach § 1118 ABGB. gilt der Grundsatz, daß der Bestandgeber sich seines Rechtes auf Aufhebung des Bestandvertrages durch Nichtgeltendmachung während längerer Zeit verschweigt.
Über die Eignung von Steuerrückständen des Pächters als Aufhebungsgrund nach § 1118 ABGB.
Entscheidung vom 14. August 1951, 3 Ob 368/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Der Beklagte hat seit 1. Jänner 1946 auf der dem Kläger gehörigen Liegenschaft dessen Gasthaus samt der Gastgewerbeberechtigung in Pacht.
Mit einer am 21. Oktober 1950 eingebrachten Klage begehrten die Kläger als Rechtsnachfolger des seinerzeitigen Verpächters, den Beklagten schuldig zu erkennen, die im Bestand genommenen Räumlichkeiten zu räumen.
Das Klagebegehren wurde auf § 1118 ABGB. gestützt und damit begrundet, daß der Beklagte von dem Pachtobjekt einen derart nachteiligen Gebrauch mache, daß den Verpächtern ein nicht wieder gutzumachender Schade entstunde.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.
Das Berufungsgericht hat die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes übernommen, es ist daher von ihnen auszugehen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Von den in der Revision angeführten Vorkommnissen bleiben für die Beurteilung als erheblich nachteiliger Gebrauch des Bestandobjektes nur übrig: die Sperre des Geschäftes im Jahre 1946 wegen Verdachtes eines nach dem Bedarfsdeckungsstrafgesetz strafbaren Verhaltens des Beklagten, seine Verurteilung im Juli 1948 wegen Vergehens der Preisüberschreitung, die Rückstände an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, die Bestrafung wegen Mißhandlung und Beleidigung eines Vollstreckungsorganes sowie die Nichtersetzung der im Pachtvertrag zur Sicherung der Verpächter vorgesehenen Kaution in der Höhe von 2000 S nach ihrer Einziehung durch die Steuerbehörde.
Das Revisionsgericht teilt grundsätzlich die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß bei mietergeschützten Bestandverhältnissen Aufhebungsgrunde im Sinne des § 1118 ABGB. ebenso wie Kündigungsgrunde ohne unnützen Aufschub geltend gemacht werden müssen und durch Unterlassung der Geltendmachung eines Aufhebungswie eines Kündigungsgrundes durch längere Zeit der Verpächter (Vermieter) sich verschweigt. Dieser für Kündigungen allgemein anerkannte Grundsatz (vgl. SZ. XXI/166, SZ. VII/242) muß im Hinblick auf die weitgehende Ähnlichkeit des Kündigungsgrundes nach § 19 Abs. 2 Z. 4 (und auch Z. 3) des Mietengesetzes mit dem Aufhebungsgrund des § 1118 ABGB. (erster Fall) - eine Ähnlichkeit, aus der sogar vereinzelt auf eine Derogation der Bestimmungen des § 1118 durch das MietG. geschlossen wurde - auch in gleicher Weise im Rahmen des § 1118 ABGB. zum Durchbruch kommen.
Daraus aber, daß die Verpächter die Betriebssperre im Jahre 1946 und die Abstrafung des Pächters im Jahre 1948 nicht zum Anlaß einer Aufhebungsklage machten, sondern sich damit mehrere Jahre Zeit ließen, muß geschlossen werden, daß die Verpächter diese Vorkommnisse nicht als schwere Benachteiligung angesehen haben. Die Behauptung in der Revision, der Aufhebungsgrund sei nicht geltend gemacht worden, weil das Pachtverhältnis ohnehin im Jahre 1950 abgelaufen wäre, ist als eine Neuerung im Revisionsverfahren unbeachtlich. Im übrigen wäre nicht einzusehen, warum die Verpächter, weil der Pachtvertrag nach mehreren Jahren abgelaufen wäre, eine Klage unterlassen hätten.
Die Rückstände an Steuern haben die Kläger in ihrer Räumungsklage zunächst überhaupt nicht als Aufhebungsgrund angeführt, sondern haben diesen Umstand erst mit Schriftsatz ONr. 11 zur Erhärtung des Klagegrundes des "erheblich nachteiligen Gebrauchs der Bestandsache" vorgebracht. Es ist den Revisionswerbern zuzugeben, daß eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahre 1936 (Rsp. 1937, Nr. 3) den Fall, daß ein Pächter übermäßige Steuer- und Abgabenrückstände anwachsen ließ und dadurch den Verpächter in die Gefahr versetzte, wegen seiner Mithaftung zur Zahlung herangezogen zu werden und auf diese Weise die schon vereinnahmten Pachtzinse wieder zu verlieren, dem § 1118 ABGB. unterstellt hat. Nun ist es aber zunächst fraglich, ob derzeit eine solche Mithaftung der Verpächter überhaupt besteht. Dies ist allerdings eine Frage, die der Oberste Gerichtshof nicht zu entscheiden, sondern nur als Vorfrage zu beurteilen hätte. Immerhin sei aber in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß als gesetzliche Grundlage für eine Mithaftung des Verpächters für Betriebssteuern (Gewerbe- und Umsatzsteuer) in erster Linie § 116 der Reichsabgabenordnung in Betracht kommt. Nach dieser Gesetzesbestimmung setzt aber eine Mithaftung eine bürgerlich-rechtliche Übereignung voraus, die in der pachtweisen Hingabe nicht gelegen ist. "Grundsätzlich hat man eine pachtweise Hingabe eines Unternehmens und Rücknahme aus der Pacht von der Haftung ausscheiden wollen" (so Hübschmann - Hepp, "Reichsabgabenordnung und Steueranpassungsgesetz", Fußnote 4 zu § 116 RAO.). Auf die Frage der Mithaftung braucht aber nicht näher eingegangen zu werden. Denn selbst wenn eine Mithaftung der Verpächter für Betriebssteuern bestunde, könnte aus dem Titel von Steuerrückständen im vorliegenden Fall eine vorzeitige Aufhebung des Pachtverhältnisses nicht begehrt werden. Die erste Instanz spricht von einer Steuervorschreibung von 45.000 S für die Jahre 1947 bis 1949, stellt aber keineswegs fest, daß ein Rückstand in dieser Höhe bei Einbringung der Klage bestanden hat. Die von den Klägern vorgelegte Aufstellung weist eine Steuerschuld von etwas mehr als 13.000 S auf, davon entfallen aber auf Einkommensteuer mehr als 4.000 S. Es bedarf keiner Ausführung, daß für eine Personalsteuer eine Mithaftung der Verpächter jedenfalls nicht besteht. Wenn man den Gedankengängen der vorerwähnten oberstgerichtlichen Entscheidung aus dem Jahre 1936 folgen wollte, wäre aber für eine vorzeitige Aufhebung des Pachtverhältnisses erforderlich, daß die Verpächter Gefahr laufen, infolge ihrer Mithaftung für Steuerschulden aus dem Betrieb aufkommen zu müssen und hiedurch den gezahlten Pachtzins wieder zu verlieren. Der Bestand eines Steuerrückstandes allein würde zur Aufhebung nicht hinreichen, sondern es müßte hinzukommen, daß die Vermögensverhältnisse des Pächters so ungünstig sind, daß die Verpächter den Ersatz ihres Schadens von ihm nicht erlangen könnten. Derlei ist aber von den Vorinstanzen nicht festgestellt, von den Klägern überhaupt nicht behauptet worden.
Für Sozialversicherungsabgaben hat wohl während der Geltungsdauer des gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes bei Rückfall des Pachtobjektes eine Mithaftung des Verpächters bestanden, nach den derzeit geltenden Bestimmungen haftet aber für Sozialversicherungbeiträge allein der Dienstgeber.
In der Berufung haben die Kläger den Rückstand an Steuern und Sozialversicherungsabgaben unter einem anderen Gesichtspunkt als Aufhebungsgrund geltend zu machen versucht. Sie haben die Auffassung vertreten, daß infolge solcher Rückstände der Ruf des Unternehmens leide. Mit Recht hat das Berufungsgericht diese Auffassung abgelehnt. Kein Gast läßt sich wegen Steuerschulden des Gastwirtes davon abhalten, in dessen Hotel zu logieren oder dort seine Mahlzeiten einzunehmen.
Wenn die Revision auch die Verurteilung des Verpächters wegen Übertretung nach § 312 StG. als Aufhebungsgrund ins Treffen führen will, so muß dieser Versuch schon darum scheitern, weil auch bei weitestgehender Auslegung hier ein Zusammenhang zwischen einer solchen Verurteilung und der Beeinträchtigung des Wertes der verpachteten Sache nicht gefunden werden kann.
Das gleiche gilt von der Nichtauffüllung der Kaution auf den vereinbarten Betrag von 2000 S. Hierin liegt eine Vertragswidrigkeit, keinesfalls aber ein erheblich nachteiliger Gebrauch des verpachteten Unternehmens.
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