OGH 2Ob417/51

OGH2Ob417/5112.7.1951

SZ 24/187

Normen

ZPO §226
ZPO §228
ZPO §226
ZPO §228

 

Spruch:

Zulässigkeit des Begehrens auf Feststellung der Ersatzpflicht des erst künftig entstehenden weiteren Schadens neben dem Begehren auf Leistung des Ersatzes des bereits eingetretenen Schadens.

Entscheidung vom 12. Juli 1951, 2 Ob 417/51.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Gatte der Klägerin wurde am 29. September 1949 von dem vom Beklagten gelenkten Personenkraftwagen niedergestoßen und getötet. Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß der Beklagte den Verkehrsunfall schuldhaft verursacht habe und daß er verpflichtet sei, der Klägerin den gesamten ihr aus diesem Ereignis entstanden und noch entstehenden Schaden zu ersetzen. Sie begehrt weiter Ersatz der Begräbniskosten in Höhe von 3314 S und eine monatliche Geldrente von 265.70 S. Der Beklagte anerkannte den Leistungsanspruch dem Gründe nach, bestritt jedoch das Feststellungsbegehren "dem Gründe wie der Höhe nach".

Das Prozeßgericht erkannte mit Teilurteil, daß der Anspruch der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Ersatz der gesamten, ihr aus dem gegenständlichen Verkehrsunfall entstandenen und noch künftig entstehenden Schaden dem Gründe nach zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht änderte das angefochtene Teilurteil (richtig Teil- und Zwischenurteil) dahin ab, daß es aus dem Spruch die Worte "und noch künftig entstehenden" ausschied und demgemäß das Klagebegehren, festzustellen, daß der Beklagte den im Spruch näher bezeichneten Unfall schuldhaft verursacht habe und verpflichtet sei, der Klägerin den noch zu entstehenden Schaden zu ersetzen, abwies. Zur Klarstellung der Rechtslage verwies das Berufungsgericht darauf, daß das angefochtene Urteil sowohl ein Zwischenurteil sei - soweit es nämlich das Bestehen des Anspruches auf Ersatz des schon entstandenen Schadens feststellt - als auch ein Teilurteil (soweit es den künftigen Schaden betrifft). Die Erlassung des Zwischenurteiles sei überflüssig gewesen, weil das Leistungsbegehren dem Gründe nach anerkannt wurde. Das Zwischenurteil selbst sei aber sachlich richtig. Bezüglich des Teilurteiles, das die echte Feststellung des zukünftigen Schadens betreffe, mangle es an den Voraussetzungen des § 228 ZPO., zumal besondere Umstände, die ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung rechtfertigen könnten, nicht vorliegen.

Der Oberste Gerichtshof stellte das erstrichterliche Urteil zur Gänze wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision meint, es sei die textliche Fassung des Urteilstenors so mangelhaft und zum Teil mit sich selbst im Widerspruch, so daß eine Überprüfung des Urteiles nicht möglich sei (§ 477 Z. 9 ZPO.). Das ist jedoch nicht der Fall. Das Berufungsgericht stellt in Übereinstimmung mit dem Erstgericht im ersten Absatz seines Spruches fest, daß der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Bezahlung des gesamten bereits entstandenen Schadens aus dem Verkehrsunfall vom 29. September 1949 zu Recht bestehe und weist im zweiten Absatz das Feststellungsbegehren der Klägerin ab, daß der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin den noch entstehenden Schaden zu ersetzen. In den Gründen der angefochtenen Entscheidung hat das Berufungsgericht eingehend dargelegt, warum es zu diesem Spruch gekommen ist. Die Abweisung des Feststellungsbegehrens erfolgte, weil das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 228 ZPO. für nicht gegeben erachtete. Dagegen wendet sich die Rechtsrüge der Revision und sie ist im Recht.

Einer der Hauptgrundsätze der Zivilprozeßordnung ist, mit möglichst geringen Mitteln möglichst große Erfolge zu erzielen (Prozeßökonomie). Diesem Grundsatz entspricht es, die Feststellungsklage dort auszuschließen, wo die Leistungsklage möglich ist (SZ. XXII/5, SZ. V/328 u. a.). Demselben Grundsatz entsprechend muß die Feststellungsklage auch dann für unzulässig erachtet werden, wenn die Leistungsklage demnächst eingebracht werden kann (ZBl. 1927, Nr. 118, GlUNF. 3753). Die Rechtsprechung hat jedoch, wobei sie sich auch hier von prozeßökonomischen Erwägungen leiten ließ, die Verbindung von Feststellungsklage und Leistungsklage bei Schadenersatzansprüchen dann für zulässig erklärt, wenn ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsgrundes des Schadenersatzanspruches gegeben ist (SZ. XVIII/221, RZ. 1937, S. 147, u. a.). Das Revisionsgericht hält an dieser Rechtsprechung fest. Wenn das schädigende Ereignis und auch schon ein Teil des Schadens eingetreten ist, jedoch die volle Höhe des Schadens noch nicht bekannt ist, dann ist die Verbindung eines Feststellungsbegehrens für den erst künftig entstehenden (weiteren) Schaden mit der Leistungsklage für den bereits eingetretenen Schaden grundsätzlich zulässig. Das Interesse der Klägerin an der Feststellung reicht im gegebenen Fall über den durch das Leistungsbegehren geltend gemachten Klagsanspruch hinaus. In dem Leistungsprozeß über zukünftige Schadenersatzansprüche, die nach dem Vorbringen der Klägerin bei etwaigem Verlust der Dienstwohnung entstehen können, kann bei Stattgebung des Feststellungsbegehrens, das neben dem Leistungsbegehren kaum eine Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens mit sich bringt, der Streit über den Grund des Anspruches vermieden werden. Das muß aber für die Berechtigung des Feststellungsbegehrens der Klägerin als ausreichend angesehen werden; der Darlegung besonderer Umstände, daß für dieses Begehren eine zwingende Notwendigkeit bestehe, bedarf es nicht.

Der Beklagte, der den Leistungsanspruch der Klägerin generell dem Gründe nach anerkannt hat, hat das Feststellungsbegehren der Klägerin in merito nicht bestritten. Er hat nur gegen die Zulässigkeit in prozessualer Hinsicht Einwendungen vorgebracht, die sich aber auf Grund obiger Ausführungen als unstichhältig erwiesen haben. Es konnte zufolgedessen der Revision der Klägerin durch Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles in der Hauptsache Folge gegeben werden.

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