OGH 2Ob262/51 (2Ob263/51)

OGH2Ob262/51 (2Ob263/51)10.5.1951

SZ 24/129

Normen

ABGB §879
ABGB §1174
ABGB §1431
JN §55
ZPO §11 Abs2
ZPO §448
ABGB §879
ABGB §1174
ABGB §1431
JN §55
ZPO §11 Abs2
ZPO §448

 

Spruch:

Mehrere Mieter, welche zuviel bezahlte Mietzinse in einer gemeinsamen Klage vom Vermieter zurückfordern, sind formelle Streitgenossen.

Für diese Ansprüche gelten die besonderen Bestimmungen über das Verfahren in Bagatellsachen, soweit die einzelnen Ansprüche die Bagatellgrenze nicht übersteigen, wenn auch die Summe der Ansprüche größer ist.

Eine Vereinbarung über eine Mietzinserhöhung bei einem Bestandobjekt, das nicht den Zinsbeschränkungen des Mietengesetzes unterliegt, ist ohne vorherige Genehmigung der Preisbehörde nichtig.

Entscheidung vom 10. Mai 1951, 2 Ob 262, 263/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

22 Kläger, die Mieter von nicht dem Mietengesetz unterliegenden Wohnungen sind, begehrten von den Hauseigentümern den Rückersatz der Beträge, die sie auf deren Verlangen durch mehrere Monate über den vereinbarten Pauschalzins hinaus, ohne daß eine Entscheidung der Preisbehörde für eine Zinserhöhung vorgelegen war, gezahlt hatten. Nur die Forderung eines Mieters (N.) überstieg den Betrag von 200 S; die von den übrigen Mietern geforderten Beträge lagen durchwegs unter der Bagatellgrenze.

Das Prozeßgericht gab dem Begehren sämtlicher Kläger statt.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es in Ansehung des Klägers N. das Klagebegehren abwies; hingegen wurde die Berufung der Beklagten, soweit sie die übrigen Kläger betraf, als unzulässig zurückgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte den Zurückweisungsbeschluß und stellte in Ansehung des Klägers N. das erstgerichtliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zum Rekurs:

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß die Forderungen der Kläger auf Zurückzahlung der von ihnen geleisteten Mietzinsbeträge miteinander in keinem Zusammenhange stehen. Der Rechtsgrund der Ansprüche ist wohl der gleiche (§ 1431 ABGB.), nicht aber der tatsächliche Grund, weil ja jeder der Kläger für sich die von ihm nunmehr zurückgeforderte Zahlung geleistet hat. Die Kläger sind daher nur uneigentliche (formelle) Streitgenossen im Sinne des § 11 Z. 2 ZPO., ebenso wie die mehreren Mieter, die ein Hauseigentümer auf Grund gleichlautender Mietverträge belangt (Neumann, Komm. zu § 11 ZPO., S. 432). Für Ansprüche von Streitgenossen nach § 11 Z. 2 ZPO. gelten die besonderen Bestimmungen für das Verfahren in Bagatellsachen, soweit die einzelnen Ansprüche die Bagatellgrenze nicht übersteigen, auch wenn die Summe der Ansprüche größer ist (Neumann, a. a. O., S. 430, vgl. Stagel - Michlmayr, Entscheidungen bei § 55 JN. unter B Nr. 1 bis 2 und bei § 448 ZPO. unter Nr. 5). Daß die Kläger das Schreiben der Beklagten vom 29. Dezember 1947 unterschrieben haben, mit welchem in ganz allgemeiner Weise die Mietzinserhöhung ab 1. Jänner 1948 angekundigt wurde - unter Vorbehalt einer gesonderten Verständigung jedes Mieters - hat nichts zur Sache, da diese Unterschrift die Kläger in keiner Weise zur Rückforderung der später bezahlten Zinserhöhung berechtigt hat und jeder Kläger ja nur für sich unter Bezugnahme auf den mit ihm bestehenden Mietvertrag unterschrieben hat. Daß im Klagebegehren die Summe der von den einzelnen Klägern begehrten Beträge ausgeworfen wurde, hat ebenfalls keine rechtliche Bedeutung.

Zur Revision:

Wie das Erstgericht richtig erkannt hat, ergibt sich die Unzulässigkeit der Mietzinserhöhung ohne vorherige Genehmigung der Preisbehörde aus § 1 Preisstoppverordnung vom 29. März 1938, ÖGBl. Nr. 53, DRGBl. I, S. 340, wonach die Erhöhung von Entgelten jeder Art, rückwirkend vom 18. März 1938 an, verboten ist. Der Ansicht des Berufungsgerichtes, auch dem damaligen Gesetzgeber könne nicht zugemutet werden, daß er eine derart formalistische, unzweckmäßige Regelung hätte schaffen wollen, daß jede, auch eine volkswirtschaftlich erforderliche Mietzinserhöhung der Parteidisposition schlechthin entzogen und an das Formalerfordernis der Genehmigung der Preisbehörde gebunden werden sollte, ist außer dem Gesetzeswortlaut entgegenzuhalten, daß dieser Gesetzgeber aus währungspolitischen Gründen Preiserhöhungen auch entgegen dem übereinstimmenden Willen beider Vertragspartner unbedingt verhindern mußte und daher für ihn das Preisstoppgebot von solcher Wichtigkeit war, daß er die Beurteilung, ob volkswirtschaftliche oder andere Gründe eine ausnahmsweise Erhöhung erforderlich erscheinen lassen, schon wegen der Gefahr der einverständlichen Umgehung des Preisstopps keinesfalls den Parteien überlassen konnte. Die Richtlinien für die Preisbildung und Preisüberwachung der Mieten und Pachten für Wohn- und Geschäftsräume vom 9. März 1939 ("Wiener Zeitung" vom 11. März 1939, Nr. 67), in der Fassung der Kundmachung des Bundesministeriums für Inneres vom 10. Dezember 1949 ("Wiener Zeitung" vom 17. Dezember 1949, Nr. 294), enthalten "nicht unmittelbar an die Rechtsunterworfenen gerichtete Gesetzesbefehle, sondern Anweisungen an die Unterbehörden" (Michlmayr, ÖJZ. 1949, S. 541 ff.). Schon deshalb kann der diesen Richtlinien vom Berufungsgericht gegebenen Auslegung, derzufolge diese Richtlinien die Mietzinserhöhung ohne Mitwirkung der Preisbehörde gestatten, nicht gefolgt werden. Die Vertragsparteien werden durch diese Richtlinien ohne vorherige behördliche Entscheidung zu einer Änderung der vereinbarten Zinse nicht ermächtigt (Michlmayr, a. a. O., S. 541). Daran kann der eine oder andere etwas zweideutige Ausdruck in diesen "Richtlinien" nichts ändern. In Punkt 36 dieser Richtlinien heißt es übrigens, daß eine entsprechende Mietzinssteigerung (nicht "Erhöhung") zuzulassen (nicht "zugelassen"), eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen ist. Auch in Punkt 65 und 66 der Richtlinien spricht nach Ansicht des Revisionsgerichtes nichts für die Auslegung des Berufungsgerichtes.

Mit dem in der Begründung ihres Bescheides enthaltenen Satz, daß sich die Zulässigerklärung der Mietzinserhöhung für die Zeit vor dein 1. Juni 1949 erübrige, weil bis Ende Mai 1949 alle Mietparteien der vertraglich eingegangenen Mietzinserhöhung entsprechende Zahlungen geleistet hätten, lehnt die obere Preisbehörde diese Zulässigerklärung ab. Von welchen Gründen dabei ausgegangen wird, ist für die Entscheidung dieses Rechtsstreites bedeutungslos.

Es ist nun richtig, daß nicht alle verbotenen Verträge nichtig sein müssen. Im vorliegenden Falle kann aber kein Zweifel darüber bestehen, daß die der Preisstoppverordnung zuwider vorgenommene einverständliche Zinserhöhung nichtig ist, weil das Verbot der Zinserhöhung den Inhalt des Vertrages über die Zinserhöhung selbst und nicht etwaige Modalitäten dieses Vertrages betrifft und weil der Zweck des Verbotes, das nicht durch eine Strafdrohung gesichert ist, die Nichtigkeit verlangt (Klang - Gschnitzer, Komm., 1. Aufl., zu § 879 ABGB., S. 182, Ehrenzweig. Obligationenrecht, 2. Aufl., S. 161 f., Kapfer, ABGB., Entscheidungen bei § 879 unter Nr. 6 b). Ganz abwegig ist die Berufung der Beklagten auf § 1174 ABGB., weil eine der Preisstoppverordnung widersprechende Mietzinserhöhung gewiß nicht als Entgelt für die Bewirkung einer unerlaubten Handlung geleistet wird. Die die Gegenleistung für die Mietzinszahlung darstellende Gebrauchsüberlassung wird durch die unzulässige Mietzinssteigerung bestimmt nicht unerlaubt.

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