OGH 1Ob285/51

OGH1Ob285/512.5.1951

SZ 24/119

Normen

ABGB §1030
ABGB §1295
ABGB §1426
HGB §56
HGB §377
HGB §378
JN §88 Abs2
ZPO §226
ZPO §405
ABGB §1030
ABGB §1295
ABGB §1426
HGB §56
HGB §377
HGB §378
JN §88 Abs2
ZPO §226
ZPO §405

 

Spruch:

Unter Kaufleuten besteht die Pflicht zur Legung einer Faktura.

Entscheidung vom 2. Mai 1951, 1 Ob 285/51.

Text

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien. Der Kläger, ein Weingroßhändler, ist seit Jahren in Geschäftsverbindung mit der Weinkellerei der beklagten Genossenschaft. Seine Weinkäufe bei ihr wurden - bis auf die klagsgegenständlichen Geschäfte - stets unter Ausstellung von Fakturen abgewickelt. Über die zuletzt erwähnten Geschäfte, die der Kläger - wie immer - mit dem Kellermeister des Beklagten abgeschlossen hat, erhielt er aber keine Rechnungen. Zufolge einer Betriebsprüfung hatte der Kläger deshalb einen Anstand; er klagt auf Ausstellung der Fakturen.

Das Erstgericht stellte fest, "daß Eigentümer des an den Kläger verkauften Weines im Zeitpunkt des Verkaufes nicht die beklagte Firma war, sondern daß sie diesen Wein vor dem Inkrafttreten des Währungsschutzgesetzes (1947) den in ihren Kellereien beschäftigten Arbeitern verkauft hatte, die sodann zwischen dem 3. Jänner und 23. Jänner 1948 den Wein dem Kläger verkauften".

Das Erstgericht bejahte jedoch die Verpflichtung der Beklagten gemäß § 56 HGB. und § 1030 ABGB. zur Ausstellung der mit der Klage begehrten Fakturen, indem es gleichzeitig feststellte, daß der Verkauf des Weines auf der Verkäuferseite vom Leiter der Kellereien namens K. durchgeführt wurde, und daß daher der Kläger annehmen mußte, daß die gegenständlichen Weingeschäfte im Namen und auf Rechnung der beklagten Partei geschlossen wurden. Daher hat das Erstgericht dem Klagebegehren stattgegeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab. Es führte im Urteile aus, daß die Feststellung, der Kläger habe annehmen müssen, daß das gegenständliche Geschäft im Namen und für Rechnung der beklagten Partei geschlossen wurde, auf einem mangelhaft durchgeführten Verfahren beruhe. Denn es mußte dem Kläger auffallen, daß alle anderen Weinlieferungen der Streitteile unter Ausstellung ordnungsgemäßer Fakturen getätigt wurden, während der Kläger bei den gegenständlichen Weinlieferungen bisher auf Fakturen keinen Wert legte und den Kaufpreis ohne Legung von Fakturen bezahlte. Diese Tatsache könnte, so meinte das Berufungsgericht, zu der Annahme führen, daß der Kläger doch gewußt habe, daß es sich bei den erwähnten Lieferungen nicht um Wein der beklagten Partei gehandelt habe. Das Erstgericht hätte daher nach Ansicht des Berufungsgerichtes über diese Frage die Parteienvernehmung durchführen müssen, um zur einwandfreien Feststellung der Gutgläubigkeit des Klägers zu gelangen. Das Berufungsgericht hat aber weder selbst die Parteienvernehmung durchgeführt noch das Urteil aufgehoben und die Streitsache an das Erstgericht zurückverwiesen; es hielt vielmehr die Aufhebung für entbehrlich, "weil schon aus rechtlichen Erwägungen das Klagebegehren abzuweisen war". Der Kläger habe sich nämlich in der Klage auf die Bestimmung des § 1426 ABGB. berufen, nach welcher Gesetzesstelle er nur die Ausstellung von "Quittungen" über die erfolgte Bezahlung verlangen könne. Da aber der Kläger "Fakturen" verlange, die etwas ganz anderes als Quittungen sind, könne er erstere nicht begehren. Der Kläger könne auch deshalb nicht mehr die Ausstellung von Fakturen verlangen, weil er schon vor 1 1/2 Jahren bezahlt habe. Wie beim Fakturengerichtsstand nach § 88 Abs. 2 JN. und beim Kauf nach den §§ 377, 378 HGB. sei der Käufer (Kläger) verpflichtet, im ersten Falle die Faktura oder fakturierte Sendung sofort zu beanstanden oder zurückzusenden. In den beiden letztgenannten Fällen die Ware sofort zu bemängeln. Der Kläger hätte nach Ansicht des Berufungsgerichtes die Fakturen sofort verlangen müssen, nicht erst dann, wenn er angeblich in ein Steuerstrafverfahren verwickelt worden ist.

Der Oberste Gerichtshof erachtete die Revision des Klägers für begrundet, hob den angefochtenen Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug ihm die neuerliche Verhandlung und Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof teilt die Ansicht des Berufungsgerichtes über die verspätete Geltendmachung des Verlangens nach Fakturenlegung nicht, weil es zum ordentlichen Geschäftsbetrieb zwischen zwei Kaufleuten gehört, daß in herkömmlicher, präziser und übersichtlicher Form eine Urkunde abgefaßt wird, die Ort und Datum der Ausstellung, den Namen (die Firma) des Verkäufers, den Namen (die Firma) des Käufers, die möglichst eingehende Bezeichnung nach Gattung, Art, Qualität und Quantität, die Summe des Kaufpreises (nebst eventueller Spezifizierung der Einzelposten) und die dem Empfänger zur Last fallenden Nebenforderungen erwähnt, zumindest aber, wie Hanausek, "Facturen und Facturaclauseln nach Österreichischem Recht", S. 45 unter II., ausführt, "die Ware sowie die Summe des Kaufpreises und der dem Empfänger zur Last fallenden Nebenforderungen bezeichnet".

Wohl ist dem Berufungsgerichte darin beizupflichten, daß eine Faktura und eine Quittung nicht wesensgleich sind; denn die Faktura ist trotz der möglichen Mannigfaltigkeit ihres Inhaltes jedenfalls eine Rechnung, die mit einer Quittung, das ist dem Zeugnis über die erfüllte Verbindlichkeit - allenfalls in der Form des Saldierungsvermerkes - verbunden sein kann. Der Inhalt der Quittung enthält nach dem Gesetze den Namen des Schuldners und des Gläubigers sowie den Ort, die Zeit und den Gegenstand der getilgten Schuld. So wie eine Quittungspflicht besteht (§ 1426 ABGB.), so besteht nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes unter Kaufleuten auch eine Fakturenlegungspflicht. Daß ein ordentlicher Kaufmann zufolge seiner Buchführungspflicht und den Verpflichtungen gegenüber den Steuerbehörden Fakturen benötigt, nicht zuletzt auch deshalb, weil beim Weiterverkauf ins Ausland der Zoll- und Devisenfragen wegen Fakturen unerläßlich sind, versteht sich von selbst, wenn auch im ABGB. und HGB. und in den sonstigen Gesetzen des deutschen Rechtskreises eine ausdrückliche Verpflichtung zur Ausstellung einer Faktura nicht ausgesprochen ist. Die Rechnung hat heute eine wesentlich wichtigere wirtschaftliche Funktion als früher. Im Sektor des Wirtschaftsrechtes verlangen die einschlägigen Gesetze den "Nachweis der Preise", ohne daß diese Vorschriften direkt von einer Rechnung oder einer Faktura, sondern schlechthin von Belegen und Aufzeichnungen sprechen. Praktisch müssen derartige Urkunden jedoch das enthalten, was als Inhalt einer Rechnung (Faktura) erwartet wird; so z. B. die 2. Preisnachweisverordnung, DRGBl. 1940 I S. 1531, desgleichen die 2. Ausführungsverordnung zur Auslandswarenpreisverordnung, DRGBl. 1937 I S. 884 (Art. 3 der Vdg.:

Die Richtigkeit der Preiserrechnung muß jederzeit nachgewiesen werden können). Noch deutlicher besagt § 35 der Frischwarenanordnung vom 27. März 1942 (DRA. Nr. 88 vom 16. April 1942), daß über jedes Kaufgeschäft ein Verkaufsbeleg (Schlußschein oder Rechnung) in mindestens zweifacher Ausfertigung auszustellen ist. Die Verordnung vom 4. November 1949, betreffend die Festsetzung von Preisen bei Abgabe importierter Lebensmittel, BGBl. Nr. 266, hat im § 9 Abs. 2 die Bestimmung aufgenommen, daß "der Großhandel dem Kleinhandel bei Fakturierung den Importabgabepreis und den noch nicht in Anspruch genommenen Teil der Gesamthandelsspanne bekanntzugeben hat". Schließlich enthält die heute noch gültige Warenausgangsverordnung vom 20. Juni 1936, DRGBl. I S. 507, im § 1 Abs. 6 die Bestimmung, daß "der Großhändler über jeden Warenposten, der als Warenausgang zu verbuchen ist, dem Erwerber einen Beleg (z. B. eine Rechnung, eine Quittung, einen Kassenzettel oder einen Lieferschein) zu erteilen hat". Brichta, "Neue Wege zu einer mittelständischen Kreditpolitik", im Erscheinen begriffen, Anm. 160, beruft sich auf Art. 377 des Spanischen HGB. vom 30. Mai 1829, wonach kein Verkäufer dem Käufer über die ihm verkaufte und gelieferte Ware die Rechnung verweigern darf. Ähnliche Bestimmungen, betreffend die Einhändigung der Faktura in doppelter Ausfertigung an den Käufer im Art. 219 Abs. 1 des Brasilianischen HGB. und Art. 557 des Argentinischen HGB. und Art. 160 d des HGB. von Chile. Man wird lediglich, wie dies Gschnitzer in Klang's Kommentar, 2. Aufl. zu § 1426 ABGB., S. 422, im Hinblick auf die Verbindlichkeit zur Erteilung einer Quittung ausführt, die Beschränkung der Pflicht, Fakturen zu legen, nur aus dem Schikaneverbot des § 1295 ABGB. ableiten können. Von Schikane kann aber im vorliegenden Falle selbst dann nicht gesprochen werden, wenn eine der Parteien oder beide, wie sie sich gegenseitig in den Rechtsmittelschriften beschuldigen, Handlungen begangen hätten, die einer korrekten Buchhaltung oder den Steuergesetzen widersprechen würden.

Das vorliegende Klagebegehren lautet, der Kläger sei schuldig, "über die Zahlungen vom 3. Jänner 1948 per 8000 S (und die folgenden im Urteilsspruche näher bezeichneten Zahlungen) ordnungsgemäße Fakturen, die den Gegenstand der Lieferung enthalten, auszustellen". Die Begriffe Faktura und Quittung decken sich - wie schon erwähnt - schon deshalb nicht, weil Quittungen über Ware und Preis nichts enthalten müssen und die Faktura einen Saldierungsvermerk tragen kann, aber selbst wenn sie bereits bezahlt ist, nicht tragen muß. Jedenfalls läßt aber das Urteilsbegehren, dessen endgültige Fassung, soweit hiedurch der Sinn des Begehrens nicht geändert wird, dem Richter überlassen bleibt, deutlich erkennen, daß der Kläger nichts anderes verlangt als eine Urkunde, die eine Rechnung und Quittung über den bezahlten Betrag zum Inhalt hat. Hiezu sei bemerkt, daß im vorliegenden Falle vom Berufungsgerichte zu Unrecht ausgesprochen wurde, daß das Klagebegehren deshalb abzuweisen war, weil der Kläger die Ausstellung von "Fakturen" verlangt, sich jedoch hiebei auf § 1426 ABGB. gestützt habe, der nur von "Quittungen" spricht. Im übrigen ist eine falsche Bezeichnung der angezogenen Gesetzesstelle dann nicht entscheidend (§§ 226, 405 ZPO.), wenn aus dem Klagsinhalte eindeutig hervorgeht, daß das, was der Kläger vorbringt, sein Klagebegehren nach einer anderen Gesetzesbestimmung rechtfertigt.

Der Kläger hat aber nur dann Anspruch auf die Legung der begehrten Urkunden durch die Beklagte, wenn er tatsächlich nach § 56 HGB. und § 1030 ABGB. angenommen hat, daß er von der beklagten Partei beliefert wurde. Wenn aber der Kläger zeitlich vor den nichtfakturierten und nicht ordnungsgemäß quittierten Waren und auch nach diesem Zeitpunkte Ware von der Beklagten Partei gegen ordnungsgemäße Fakturierung bezogen hat, dann besteht - wie das Urteil des Berufungsgerichtes ausgesprochen hat - immerhin die Möglichkeit, daß er gewußt hat, daß es sich mit den in Frage kommenden Lieferungen nicht so verhalte wie bisher. Da somit das Berufungsgericht diese Tatfrage - und die Frage, was der Kläger von der Abwicklung des Geschäftes wußte und sich gedacht hat, ist eine Tatfrage - vernachlässigt hat, steht die aufgezeigte Mangelhaftigkeit im Vordergrund. Es hat daher das Berufungsgericht nicht die Feststellungen des Erstgerichtes übernommen, sondern auf diese Weise zum Ausdruck gebracht, daß die Richtigkeit der Feststellungen dahingestellt bleibe, weil schon die Abweisung der Klage aus rechtlichen Gründen zu erfolgen hatte. Da aber der Oberste Gerichtshof von einer anderen Rechtsansicht als der des Berufungsgerichtes ausgeht und daher das bisherige Verfahren mangelhaft erscheint (Jud. 230 alt), war der Revision Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte