OGH 1Ob196/51

OGH1Ob196/5111.4.1951

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Ersten Präsidenten Dr. Strobele als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten Dr. Wahle und die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellner, Dr. Hohenecker und Dr. Schmeisser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter F*****, vertreten durch Dr. Josef Rinder, Rechtsanwalt in Knittelfeld, wider die beklagte Partei Erhard F*****, vertreten durch Dr. Gustav Tiroch, Rechtsanwalt in Knittelfeld, wegen Feststellung infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 13. Jänner 1951, AZ 3 R 22/51, womit das Urteil des Kreisgerichts Leoben, vom 4. Februar 1950, GZ 5 Cg 151/50-12, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der Beschluss des Berufungsgerichts aufgehoben und diesem aufgetragen, unter Umgangnahme von dem gebrauchten Aufhebungsgrunde über die Berufung des Klägers neuerlich zu entscheiden, wobei auf die Kosten des Rekurses als Kosten des Berufungsverfahrens Bedacht zu nehmen sein wird.

Text

Begründung

Der Beklagte, Erhard F*****, ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 244 Grundbuch K*****, zu welchem Grundbuchkörper auch die Grundstücke Nr 122/1 Baufläche mit Wohnhaus Nr 157 und Nr 209/1 Garten gehörten. Der Vorbesitzer dieser Liegenschaft war Adam F*****, der Vater des Beklagten. Mit Kaufvertrag vom 26. 2. 1920 verkaufte Adam F***** die obgenannten beiden Grundstücke samt dem Wohnhaus Nr 157 an Valentin S*****; für die beiden Grundstücke wurde eine neue Einlagezahl 712 Grundbuch K***** eröffnet.

Das Eigentumsrecht an dieser Liegenschaft EZ 712 Grundbuch K***** ging mit Kaufvertrag vom 20. 5. 1927 an Pankraz M***** und Emilie D***** über. Nach dem Tode des Ersteren wurde Emilie D***** Alleineigentümerin. Diese hat mit Kauf- und Leibrentenvertrag vom 20. 10. 1948 das Eigentumsrecht auf den Kläger übertragen. Mit dem Haus Nr 157, früher Konskriptionsnummer 26 ad Vorstadt K*****, jetzt B*****straße 22, ist das Miteigentumsrecht am Besitze des „Gutes L*****" EZ 103 Grundbuch R***** verbunden. Wie sich aus dem Gesellschaftsvertrag vom 1. 7. 1880 bzw aus den Bestimmungen über die Verwaltung des Vermögens der Gemeinschaft Gut L***** in K***** ergibt, sind die Eigentümer dieses Vermögens jene Besitzer von Häusern, die dem Magistrat der Stadt K***** dienstbar waren und urkundlich vom Kreisamt Judenburg, 6. 6. 1805, festgestellt wurden.

Das Verhältnis der Anteile wird für alle Anteilhaber gleich bestimmt. „Dieser Anteil haftet jedoch auf dem Besitz des Hauses als Hauptobjekt, auf welches derselbe begründet ist, und kann von demselben nicht getrennt werden."

Anlässlich der Errichtung des zwischen Adam F***** und Valentin S***** abgeschlossenen Kaufvertrags vom 26. 2. 1920 wurde ausdrücklich das Anteilsrecht an der Gemeinschaft „Gut L*****" nicht mitverkauft, sondern verblieb dieses Anteilsrecht im Besitze des Verkäufers.

Das Erstgericht hat die Klage auf Feststellung, dass dem Beklagten Erhard F***** keinerlei Rechte an dem mit dem Eigentum des Hauses B*****straße 22 (früher Konskr Nr 26 ad Vorstadt K*****, bzw Nr 157 der Murvorstadt) verbundenen Anteil am Vermögen der Gemeinschaft Gut L***** zustehen, abgewiesen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass dieses Anteilsrecht nie verkauft worden sei, daher der Kläger dieses Recht gemäß § 442 ABGB auch nicht erworben habe.

Auf den guten Glauben könne sich der Kläger auch nicht berufen, da sich der gute Glaube eines Erwerbers nur auf die Eintragungen bei der Vertragsliegenschaft beziehe, nicht aber auf Eintragungen, die bei einer anderen Liegenschaft enthalten seien.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der klagenden Partei Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht unter Rechtskraftvorbehalt zurückverwiesen. Unter Übernahme der erstrichterlichen Feststellungen führte das Berufungsgericht Folgendes aus:

Wenn das Grundbuch eine Berechtigung eines Grundbuchskörpers dartue, so könne der gutgläubige Erwerber auf die Richtigkeit des Grundbuchs vertrauen und erwerbe trotz der sonst allgemein geltenden Grundsätze des § 442 ABGB dieses Recht, allerdings unter der Voraussetzung, dass

1.) das Grundbuch dieses Recht erkennen lasse, 2.) dass der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs auf diesen Grundbuchstand vertraute und die gegenteilige wahre Lage nicht kannte.

Wenn es auch richtig sei, dass auf der Liegenschaft EZ 244 und in der neuen EZ 712 Grundbuch K***** eine Ersichtlichmachung des Anteilsrechts nicht eingetragen gewesen sei, so genüge es für den guten Glauben, dass die bezügliche Eintragung sich irgendwo im Grundbuch befinde, wenn der Erwerber bei Abschluss des Vertrags dieses festgestellte Recht gegenüber dem Vertragspartner klarzustellen versucht habe. Das Berufungsgericht fasste daher seine Rechtsansicht wie folgt zusammen: Für den Rechtserwerb im Vertrauen auf den Buchstand reicht es aus, wenn eine diese Berechtigung ausweisende Eintragung irgendwo im Grundbuch, allenfalls bei einer vertragsfremden Liegenschaft zu finden ist. Vom Schutz dieses Vertrauens aber kann nur dann die Rede sein, wenn der Erwerb wirklich in diesem Vertrauen erfolgte, das heißt, wenn die Kenntnis dieses Buchstands bei der vertragsfremden Liegenschaft schon zur Zeit des Vertragsabschlusses vorhanden war und der Erwerber die Klarstellung dieses lückenhaften Sachverhalts in zumutbarer Weise versucht hat.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei, dem Berechtigung zukommt.

Wie sich aus den Feststellungen der unteren Instanzen ergibt, handelt es sich bei dem „Gut L*****" um ein Gemeinschaftsvermögen zu Gunsten jener Besitzer von Häuser, die vor vielen Jahren dem Magistrat der Stadt K***** dienstbar waren, wobei Eigentümer dieses Vermögens die jeweiligen Besitzer von 118 bestimmt angeführten Häusern sind. Geschichtlich gehen derartige agrarische Gemeinschaften auf die altdeutsche und altslavische Gemeinschaft der Dorfgenossen an Wald und Weide zurück. Diese Art der Gemeinschaften erscheinen zwar äußerlich im Gewande des Miteigentums, welches im Grundbuch bald zu Gunsten individuell bestimmter Personen, bald für die jeweiligen Eigentümer der anteilsberechtigten Häuser (ohne Namensangabe des Eigentümers) eingetragen worden sind.

Wenn auch Klang in seinem Komm zu § 361 ABGB derartigen Gemeinschaften die juristische Persönlichkeit abspricht, so ergibt sich aus der ganzen geschichtlichen Entstehung dieser Korporationen, dass es sich um eine organisierte Gemeinschaft handelt, die durch bestimmte Organe (Vorstand, Aufsichtsrat) ihre Geschäfte zur Verwertung und Verwaltung des Zweckvermögens führt. An der juristischen Persönlichkeit einer solchen Gemeinschaft zu zweifeln, besteht daher kein begründeter Anlass.

Die herrschende Lehre und Rechtsprechung geht seit langen Jahren dahin, dass für das Miteigentum an einer agrarischen Gemeinschaft Besonderheiten gelten, da die für das Miteigentum geltenden Rechtssätze auf diese Gemeinschaft nicht gut anwendbar sind. Denn die Anteile an der Gemeinschaft sind an das Eigentum bestimmter Höfe gebunden, die freie Veräusserlichkeit der Anteile, die Teilung der Anteile und die Möglichkeit einer Loslösung der Anteile von den Stamm- - den sogenannten Rücksitzliegenschaften - ist nicht möglich, da solche Verfügungen mit dem wirtschaftlichen Zweck der Gemeinschaft im Widerspruch stehen, zumal die einzelnen Anteile nach der Bestimmung des Zweckvermögens den Bedürfnissen dieser Liegenschaften dienen sollen und für deren geordnete Bewirtschaftung unentbehrlich sind.

Wenn von diesen Grundsätzen ausgegangen wird, kommt man zum Ergebnis, dass im gegenständlichen Fall durch die Schaffung des Gutes L***** ein Zweckvermögen bestimmt wurde, welches nur den in der EZ 103 Grundbuch R***** angeführten Häusern dienen, bzw von den jeweiligen Eigentümern bestimmt angeführter 118 Häuser in Anspruch genommen werden soll.

Es handelt sich also vorliegend um ein Rechtsverhältnis, welches als Gesellschaft zwischen mehreren Miteigentümern zu ideellen Anteilen zur Förderung des Wirtschaftsbetriebs auf den ihnen gehörigen Sondergütern, durch den Bezug bestimmter Nutzungen des Gemeinschaftsguts unter Verbindung der einzelnen Teile mit dem Eigentum der Sondergüter (Rücksitze) besteht, somit um Miteigentum, welches den Charakter eines mit dem Besitze gewisser behauster Realitäten verbundenen Realrechts an sich trägt, das aber ebenso wenig als eine Realservitut von dem Gute, mit welchem diese Rechtes verknüpft sind, beliebig abgelöst, an andere übertragen oder zerstückt bzw geteilt werden kann, da die diesfälligen Bestimmungen des § 485 ABGB keineswegs auf Realservituten beschränkt bleiben, sondern aus der Natur jeder Realberechtigung folge, deren Wesensheit darin besteht, die diesbezüglichen Befugnisse nur den Eigentümern eines bestimmten unbeweglichen Gutes kraft ihres Eigentumsrechts zu reservieren.

Daher hat die Rechtsprechung (GlUNF 5212, 1201, GlU 15534, 13347) eine Veräußerung der Anteile als solche für unzulässig erklärt und auch den Vorbehalt der Anteilsrechte beim Verkauf der Liegenschaft (GlUNF 5015, 11028) abgelehnt.

An diesen Entscheidungen hält der Oberste Gerichtshof fest, wogegen er die in den Entscheidungen GlU 13449 und 11886 zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, dass es sich bei den Anteilsrechten um ein Zubehör handelt, so dass dem jeweiligen Eigentümer es unbenommen bleibt, die Anteile der Pertinenzqualität zu entkleiden, nicht zu Teilen vermag, da sich aus dem Zweck der Entstehung solcher Gemeinschaften das Gegenteil ergibt.

Handelt es sich aber um Realrechte, die mit dem Besitz einer Liegenschaft verbunden sind, wie sich dies auch im Übrigen aus dem Gesellschaftsvertrag und den Bestimmungen über die Verwaltung des Vermögens der Gemeinschaft des Gutes L***** ergibt, so konnte sich der Verkäufer bei Abschluss des Kaufvertrags vom 26. 2. 1920 das Anteilsrecht überhaupt nicht vorbehalten, sondern ging dieses Recht, auch wenn es nicht auf der Liegenschaft EZ 244 Grundbuch K***** ersichtlich gemacht worden war, von selbst auf den Käufer über. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass in späterer Zeit die Statuten des Gutes L***** abgeändert wurden und in der EZ 103 Grundbuch R***** eine Aufzählung der berechtigten Häuser gelöscht wurde, da es bei der Entscheidung der Rechtssache ausschließlich auf den Zeitpunkt des Verkaufs bzw des Erwerbs der Liegenschaft durch Valtentin S***** ankommt.

Da aufgrund dieser Rechtsauffassung ein Eingehen auf die Frage des guten Glaubens unerheblich ist, war dem Rekurs Folge zu geben und dem Berufungsgericht aufzutragen, über die Berufung der klagenden Partei unter Umgangnahme von dem gebrauchten Aufhebungsgrund neuerlich zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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