OGH 1Ob93/51

OGH1Ob93/511.3.1951

SZ 24/56

Normen

ABGB §1090
Mietengesetz §1
ZPO §503 Z2
ABGB §1090
Mietengesetz §1
ZPO §503 Z2

 

Spruch:

Wurde ein Beweis nicht aufgenommen, der zwar nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes unerheblich war, jedoch nach der davon abweichenden rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes erheblich ist, so kann dies einen Mangel des Berufungsverfahrens nach § 503 Z. 2 ZPO. bilden.

Entscheidung vom 1. März 1951, 1 Ob 93/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Amstetten; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.

Text

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 9. November 1950 die Aufkündigung des Bestandvertrages hinsichtlich des Hausgartens für unwirksam erklärt (aufgehoben) und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, es sei erwiesen, daß der gegenständliche Garten mit Vertrag vom 1. Feber 1946 vom Beklagten um den Jahresbestandzins von 20 S gemietet wurde, während die Wohnung vom Beklagten am 23. August 1945 gemietet worden ist, ferner, daß der Zins für den Garten derart bezahlt wurde, daß einmal im Jahr mit der Zinsrate für die Wohnung der Zins für den Garten entrichtet wurde; es komme aber nur darauf an, ob im einzelnen Falle vom wirtschaftlichen Standpunkte der Charakter eines einheitlichen Vertragsverhältnisses anzunehmen sei, mögen auch nach außen zwei Vertragsurkunden vorliegen. Der Garten sei in örtlicher und wirtschaftlicher Nähe der Wohnung gelegen, der Kläger habe durch 43 Jahre diese Wohnung bewohnt und immer selber den Garten bearbeitet und betreut, es handle sich somit um einen einheitlichen Mietvertrag trotz Vorliegens zweier getrennter Vertragsurkunden und der Festsetzung eines besonderen Zinses für die Benützung des Hausgartens.

Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung die Aufkündigung mit der Begründung für wirksam erklärt, es müßte, um von einem mitvermieteten Hausgarten sprechen zu können, dieser gleichzeitig mit der bezüglichen Wohnung in Bestand gegeben worden sein, was aber nicht geschehen sei; auch spreche gegen die Annahme eines einheitlichen Mietvertrages, daß für den Hausgarten ein gesonderter, nicht zugleich mit dem Mietzins für die Wohnung fälliger Bestandzins vereinbart worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst wird vom Beklagten als Verfahrensmangel im Sinne des § 503 Z. 2 ZPO. geltend gemacht, daß er schon im erstinstanzlichen Verfahren den Antrag auf seine Vernehmung als Partei darüber gestellt, daß er im August 1945 vom Kläger Wohnung und Garten gemietet und nicht den letzteren am 1. Feber 1946 abgesondert gepachtet habe; weiters bemängelt der Revisionswerber, daß das Erstgericht den Beklagten, jedoch ohne seinen Antrag formell abzuweisen, nicht vernommen habe; hier handle es sich nicht bloß um einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, sondern auch um einen solchen des Berufungsverfahrens.

Tatsächlich liegt hier zunächst ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens vor. Vom Rechtsstandpunkt des Erstgerichtes war aber die Vernehmung des Beklagten über die angeblich gleichzeitige Bestandnahme von Wohnung und Garten ohne entscheidende Bedeutung, da das Erstgericht schon auf Grund der beim Augenschein festgestellten örtlichen und wirtschaftlichen Nähe des Gartens zur Wohnung ein einheitliches Mietverhältnis angenommen hat. Da das Berufungsgericht diese Meinung nicht teilte und die gegenteilige Ansicht vertrat, daß nämlich ein Garten nur dann mitgemietet sei, wenn der Mietvertrag über Wohnung und Garten gleichzeitig abgeschlossen werde, war für das Berufungsgericht das Thema dieses Beweisantrages von entscheidender Bedeutung und deshalb auch der geführte Beweis von Relevanz. Das Berufungsgericht hätte sich daher auf Grund seines Rechtsstandpunktes nicht mit den vorgelegten Urkunden begnügen dürfen und hätte entweder selbst die Vernehmung des Beklagten als Partei durchführen oder die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens in dieser Richtung an das Erstgericht unter Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles zurückverweisen müssen. Der Oberste Gerichtshof vermag zwar die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß es im Sinne des § 1 MietG. auf die gleichzeitige Vermietung des Hausgartens und der Wohnung ankomme, nicht zu teilen. Lehre und Rechtsprechung sind darüber längst hinausgegangen und verlangen nur ein einheitliches Bestandverhältnis, mag auch der ursprünglich bloß auf die Wohnung beschränkte Mietvertrag erst nachträglich auf den Hausgarten ausgedehnt worden sein (vgl. Swoboda, "Kommentar zum MietG.", 2. Aufl., S. 83 f., Sternberg, "MietG.", S. 57). Die vom Berufungsgericht angeführten Umstände, daß nämlich, abgesehen von der Errichtung einer besonderen Vertragsurkunde über den Garten, für diesen ein besonderer Bestandzins festgesetzt wurde und daß zumindest im schriftlichen Vertrag nicht vereinbart wurde, daß der Zins für den Garten zusammen mit dem Mietzins für die Wohnung ebenfalls in Vierteljahresraten zu den gleichen Terminen zu entrichten sei, sprechen nun allerdings eher gegen das Vorliegen eines einheitlichen Bestandverhältnisses. Gleichwohl wäre ein einheitliches Bestandverhältnis anzunehmen, wenn schon bei Miete der Wohnung im August 1945 in Aussicht genommen worden wäre, daß der Beklagte auch den Garten in Bestand nehmen soll. Unter diesen Umständen kommt daher auch vom Rechtsstandpunkte des Obersten Gerichtshofes der Frage, was bei Miete der Wohnung über den Garten ausgemacht und gesprochen wurde, und damit der Vernehmung des Beklagten als Partei eine wesentliche Bedeutung zu und stellt sich deshalb der Umstand, daß das Berufungsgericht über diesen Beweisantrag ebenfalls hinweggegangen ist, als Verfahrensmangel im Sinne des § 503 Z. 2 ZPO. dar.

Da der Revisionsgrund des § 503 Z. 2 ZPO. gegeben ist, war der Revision Folge zu geben und die Rechtssache, da der gleiche Verfahrensmangel auch dem erstinstanzlichen Verfahren anhaftet, unter Aufhebung der Urteile beider Untergerichte zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz und dritter Instanz grundet sich auf § 52 ZPO.

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