Normen
ABGB §1295
ABGB §1313a
Reichshaftpflichtgesetz §1
ABGB §1295
ABGB §1313a
Reichshaftpflichtgesetz §1
Spruch:
Die Eisenbahn haftet für die allgemeinen, nicht bloß den Fahrgästen zugänglichen Teile der Eisenbahnanlagen außer dem Falle eines ihr oder ihren Organen zur Last fallenden Verschuldens nur, wenn und insoweit der Unfall auf betriebseigentümliche Gefahren zurückzuführen ist (z. B. nicht für Glatteis auf dem Bahnsteig).
Entscheidung vom 11. Jänner 1951, 2 Ob 866/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Das Klagebegehren, gerichtet auf Zahlung von Behandlungskosten und Verdienstentgang, gestützt auf einen vom Kläger in einer Station der österreichischen Bundesbahnen wegen Vereisung und unterlassener Bestreuung des Fußbodens beim Verlassen der Bahnhofhalle zwecks Besteigen des Zuges nach Wien erlittenen Sturzes, in dessen Folge er einen Bruch der linken Hand und einen Rippenbruch erlitt, wurde vom Erstgericht abgewiesen.
Der Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück mit dem Vorbehalt, daß das Verfahren erster Instanz erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei.
Der Oberste Gerichtshof hat dem Rekurs der beklagten Partei gegen diesen Beschluß stattgegeben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß das Erstgericht die Ersatzpflicht der Beklagten, wenn auch der Klagsgrund in rechtlicher Beziehung in der Klage nicht deutlich gekennzeichnet war und die Hinweisung auf das Unterbleiben einer Bestreuung der vereisten Stufe zum Perron den Vorwurf einer schuldhaften Unterlassung der nötigen Obsorge auf seiten der Bahnorgane in sich schließt, für das die Bahn wie für eigenes Verschulden zu haften habe, nicht bloß auf diesen Haftungsgrund zu beschränken, sondern auch zu prüfen hatte, ob etwa eine Gefährdungshaftung der Eisenbahn nach § 1 RHG. in Betracht komme, die auf ihrer gesetzlichen Haftung für die Beschädigungen bei dem Betrieb beruht und Verschulden der Bahn oder ihrer Angestellten gar nicht voraussetzt. Das Erstgericht konnte sich also, wollte es zur Klagsabweisung gelangen, nicht mit der Feststellung begnügen, daß dem Kläger der Nachweis eines Verschuldens der Beklagten (oder ihrer Organe) weder im allgemeinen noch in den speziellen Gegebenheiten gelungen sei, sondern hatte den Fall auch unter dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Haftpflicht zu untersuchen. Erst wenn eine solche verneint und zugleich, wie die Fassung des Klagebegehrens erkennen läßt, Verschulden der Bahn oder ihrer Angestellten, behauptet wurde, konnte auf diesen weiteren Haftungsgrund eingegangen werden. Schadenersatzansprüche, die durch die gesetzliche Gefährdungshaftung allein nicht gedeckt werden, wie z. B. Schmerzengeld, sind im vorliegenden Fall überhaupt nicht erhoben worden.
Mit Recht hat darum das Berufungsgericht die Frage aufgeworfen, ob der Unfall "beim Betrieb" einer Eisenbahn entstanden sei. Es vertritt dabei die vom Reichsgericht und der deutschen Lehre und Rechtsprechung wiederholt ausgesprochene Rechtsansicht, daß ein Unfall "beim Betrieb" nicht nur dann vorliege, wenn ein innerer Zusammenhang mit einer dem Eisenbahnbetrieb eigentümlichen Gefahr besteht, das heißt, wenn der Unfall durch eine dem Eisenbahnbetrieb eigentümliche Gefahr verursacht wurde, sondern auch dann, wenn nur ein unmittelbarer äußerer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder eine Betriebseinrichtung besteht und daß man nicht die adäquate Kausaltheorie zur Auslegung heranziehen dürfe. Unter Heranziehung deutscher Judikatur (VAE. 1938, Nr. 350) und Literatur kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß ein Zusammenhang mit dem Betrieb im Sinn des § 1 RHG. nur gegeben sei, wenn der Reisende kurze Zeit vor Abgang des Zuges, etwa wegen der Eile des Einsteigens und des Gedränges beim Öffnen der Bahnsteigsperre, auf dem Bahnsteig ausglitt und zu Fall kam, nicht aber, wenn dies längere Zeit vor Zugsabfahrt sich ereignete. Da das Erstgericht festgestellt habe, daß der Kläger sich erst bei Einfahrt des Zuges aus dem Kassenraum auf den Perron begab, wäre nach Ansicht des Berufungsgerichtes die Haftpflicht der Beklagten grundsätzlich gegeben, wenn zwischen Einfahrt und Abfahrt des Zuges nur kurze Zeit verstrich bzw. nur ein kurzer Aufenthalt des Zuges vorgesehen war. Nur durch Erbringung des Nachweises nach § 1 RHG., daß höhere Gewalt oder eigenes Verschulden des Verunglückten den Unfall herbeigeführt habe, könne sich die Beklagte befreien. Das Erstgericht hätte darum zuerst zu prüfen, welcher Zeitraum zwischen Ankunft und Abfahrt des Zuges vorgesehen war bzw. lag, und aus dem Ergebnis dieser Prüfung die entsprechenden rechtlichen Folgerungen zu ziehen, wobei auch nach Maßgabe allfälliger Prozeßbehauptungen der Beklagten die Frage des Selbstverschuldens des Klägers zu untersuchen sein werde.
Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden.
Schon die Auslegung des Begriffes "Ereignung im Verkehr" einer Eisenbahn nach § 1 des öEHG. 1869, RGBl. 27, der ja im wesentlichen inhaltsgleich mit der Formulierung des in Österreich derzeit noch immer geltenden RHG. vom 7. Juni 1871, DRGBl. S. 207, in der jetzt geltenden Fassung der Verordnung vom 8. Dezember 1939, DRGBl. I, S. 2391, und des Gesetzes vom 15. August 1943, DRGBl. I, S. 489, ist, ergab große Meinungsverschiedenheiten. Während die ältere Rechtsprechung (vgl. GlUNF. 3214, 3852 u. a. m.) hieher nur Unfälle zählen wollte, die sich auf die mit dem Eisenbahnbetrieb infolge Anwendung einer Elementarkraft eigentümlich verbundenen Gefahren beziehen und damit in ursächlichem Zusammenhang stehen, und forderte, daß der Schaden mittelbar oder unmittelbar auf Anormalien des Betriebes zurückgehe, die sich aus der Verwendung der Elementarkraft ergeben, hat die Lehre (vgl. Ehrenzweig, Obligationenrecht, 1928, S. 642, Wachtel, Kommentar zum EHG.) und ein Teil der späteren Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, daß die Betriebsgefahr, für welche die Bahn zu haften hat, nicht bloß in den unmittelbaren Wirkungen der Elementarkraft liege, sondern im Massenverkehr, den diese Kraft ermöglicht, in der Hast, die manche Vorsicht unmöglich macht, im Gedränge, dem Gewicht der Wagen usw. Die Bahn müsse für den Zustand ihrer Verkehrsmittel einstehen, zu denen nicht nur der Fahrpark bzw. die Lokomotiven, sondern auch die gesamten Bahnanlagen, soweit sie dem Verkehr dienen, gehören. Aus dieser Rechtsansicht leitete man (vgl. GlUNF. 5174) die Ansicht ab, daß die Instandhaltung der Zugänge zu den einzelnen zur Abfahrt bestimmten Zügen zur Vorbereitung des Zugsverkehrs gehöre und daß, wenn z. B. ein Passagier auf dem Wege zum abfahrtsbereiten Zug bei Überquerung vereister, nicht bestreuter Gleise zu Fall komme, zwar nicht dieser Unfall selbst, aber die Aufstellung des Zuges an einer Stelle, die nur durch Überqueren solcher vereister Gleise zugänglich sei, als Ereignung im Verkehr anzusehen sei. Ähnlich formuliert SZ. XX/235, der Charakter einer Ereignung im Verkehr sei nicht nur den "eigentlichen" Verkehrsunfällen zuzusprechen, sondern auch solchen Vorfällen, bei denen jemand mit dem Apparat der Bahn in weiteren Sinn in einer solchen Weise in Berührung kommt, daß er dadurch Schaden erleidet. Die Rechtsprechung war demnach keineswegs einheitlich.
Seit der Einführung des RHG. wird die Lehre und Judikatur im Deutschen Reich zu diesem Gesetz herangezogen, wobei freilich kein grundsätzlicher Unterschied in dem Begriff der "Betriebsgefahr" liegt, weil das deutsche Gesetz wohl vom "Betrieb" und nicht, wie das öEHG. von "Verkehr" spricht, also einen weiteren Begriff verwendet, da zum "Betrieb" auch Geschäfte gehören, die der besonderen Betriebsgefahr gänzlich entrückt sind (ökonomischer und Verwaltungsdienst), aber tatsächlich auch nur an den Verkehr denkt. Es ist nun richtig, daß die deutsche Judikatur (vgl. dazu Heuke S. 10 ff.) zunächst die Anwendbarkeit des § 1 RHG. nur dann annahm, wenn ein innerer Zusammenhang des Unfalls mit den besonderen, gerade dem Eisenbahnunternehmen eigentümlichen Gefahren festzustellen war, auch wenn er sich bei der Beförderung selbst ereignete. Später wurde das Gesetz von den Gerichten unter Führung des Reichsgerichtes ausdehnend ausgelegt und nicht mehr die Zurückführung des Unfalls auf eine dem Eisenbahnbetrieb eigentümliche Gefahr gefordert, sondern dem Begriff "Betrieb" außer der eigentlichen Beförderungstätigkeit alle dem Eisenbahnbetrieb mittelbar dienenden Geschäfte und Vorkommnisse unterstellt, die sich innerhalb des Bereiches der dem Eisenbahnbetrieb eigentümlichen Gefahren ereignen und in ursächlichem Zusammenhang damit stehen, ohne daß es, falls sich ein Unfall bei der Beförderung selbst ereignete der Prüfung bedarf, ob er auf die dem Eisenbahnbetrieb eigentümlichen Gefahren zurückzuführen sei.
Die Rechtsprechung und Lehre subsumieren aber auch, wie dies schon die Praxis zum öEHG. getan hat, alle die Beförderung vorbereitenden und abschließenden Handlungen, welche der Durchführung oder Abwicklung der Beförderung dienen, unter § 1 RHG. Dazu gehört auch die Vorsorge für die Instandhaltung und Zugänglichmachung jenes Teiles der Bahnanlagen, über welche sich der Zugang und Abgang zu und von den dem öffentlichen Verkehr dienenden Personenzügen abspielt. Hier wird aber vom Reichsgericht gefordert, daß diese Handlungen im einzelnen Falle auf die dem Eisenbahnbetrieb eigentümlichen Gefahren zurückzuführen seien, ohne daß diese Gefahren gerade ausschließlich diesem Betrieb eigentümlich zu sein brauchen. Vorgänge, bei denen die Eisenbahn nur zufälliger Schauplatz ist, und die in gleicher Weise auch an jedem anderen Ort vorkommen könnten, scheiden darum aus (Heuke S. 15 ff., Geigel, Haftpflichtprozeß 3. Aufl. S. 128 ff.). Dem Rekurs der Beklagten ist darum darin beizupflichten, daß eine Haftpflicht nach dem RHG. nur Platz greift, wenn die vorbereitenden Handlungen mit Gefahren verbunden sind, die durch die Beförderungstätigkeit hervorgerufen werden und der Unfall darauf zurückgeht.
Ebenso wie die Lehre und Rechtsprechung zum öEHG. erblickt auch die zum RHG. eine solche durch die Beförderungstätigkeit hervorgerufene Gefahr in der mit dem Eisenbahnverkehr verbundenen Eile der Passagiere und dem Gedränge des Publikums (vgl. Ehrenzweig a. a. O., S. 641, Heuke S. 18, 17), in denen ein Teil der Lehre eine sogenannte "erhöhte Betriebsgefahr" sieht. Es kann also dem Berufungsgericht gefolgt werden, wenn es das Zeitmoment, die Dringlichkeit des Besteigens des Zuges, in den Vordergrund rückt. Aber es sind keine Umstände behauptet oder festgestellt worden, welche eine solche Eile, ein solches Gedränge als ein gefahrerhöhendes Moment, das sich für den Unfall kausal hätte auswirken können, ergeben. Vielmehr haben die Beweisergebnisse gezeigt, daß keine solche Situation bestand, die denn im übrigen auch vom Kläger gar nicht behauptet worden ist. Kläger hat keine Aufforderung zu beschleunigtem Einsteigen gehört, ebensowenig die Zeugin H.; Kläger bestätigt als Partei, daß kein Gedränge herrschte und daß die wartenden Passagiere - der Verkehr auf den Seitenstrecken ist bekanntlich im Winter nicht besonders dicht - bequem, einer hinter dem anderen, auf den Bahnsteig gingen. Die Vermutung des Berufungsgerichtes, es könnten die oben genannten gefahrerhöhenden Momente obgewaltet haben und es müsse darum geprüft werden, in welchem zeitlichen Verhältnis Ankunfts- und Abfahrtszeit des Zuges fahrplanmäßig und tatsächlich zueinander standen, entbehrt nicht nur jeder unterliegenden Tatsachenbehauptung und Feststellung, sondern auch jeder Stütze im Beweisverfahren. Präsumiert kann sie aber nicht werden. Der Rekurs ist im Recht, wenn er sagt, daß der Kläger bei seinem Weg aus der Bahnhofshalle zum Zuge keiner durch die Beförderungstätigkeit der Bahn hervorgerufenen Gefahr ausgesetzt war. Er war, da es an bezüglichen Behauptungen und Feststellungen mangelt, zu einem eiligen Verhalten nicht gezwungen, war keinem Gedränge ausgesetzt, sondern hatte hinreichend Muße zum Einsteigen. Es fehlt auch an jedem Anhaltspunkt für eine Annahme, daß der Zug damals mit Verspätung eintraf und der fahrplanmäßige Aufenthalt, der in einer großen Station, wie gerichtsbekannt, stets einige Minuten dauert, etwa zur Hereinbringung einer Verspätung so stark gekürzt worden wäre, daß die Reisenden zu Hast und Gedränge gezwungen waren. Ebenso ist nicht hervorgekommen, daß etwa das Bahnpersonal zur Eile gemahnt oder sonst für den Kläger die, wenngleich nur subjektive, Befürchtung bestanden hätte er werde den Zug versäumen und nicht mitkommen. Damit ist dieses Moment erhöhter Betriebsgefahr, das das Berufungsgericht vor allem zur Begründung seiner Entscheidung herangezogen hat, beseitigt, und ein Anlaß zu einer amtswegigen Überprüfung gar nicht von den Parteien behaupteter Umstände besteht nicht.
Im übrigen muß der Unfall aber doch mit den spezifischen Betriebsgefahren im Zusammenhang stehen, wenn er nicht auf die Beförderungstätigkeit, die Beschaffenheit der Betriebsmittel oder deren Funktion zurückgeführt wird, sondern sich bei der Vorbereitung des Ein- oder Aussteigens ereignet hat. Glatteis in der Bahnhofhalle oder auf den Perron ist aber keine mit dem eigentlichen Beförderungsbetrieb verbundene Gefahr, sondern ein Umstand, der ebensogut in jedem anderen Gebäude öffentlichen oder privaten Charakters, auf jeder Straße, jedem Weg sich hätte ereignen können und mit dem Bahnbetrieb und seinen charakteristischen Gefahren in keinem ursächlichen Zusammenhang steht. So erklärt schon die Entscheidung VAE 1936, Nr. 347, daß Unfälle, die sich vor dem Einsteigen oder nach dem Aussteigen auf Bahnsteigen, Treppen und in Unterführungen ereignen, im allgemeinen nicht als Betriebsunfälle gelten können, wenn nicht etwa besondere Eile oder ein großes Gedränge bei nötigem Umsteigen oder bei kurzen Aufenthalten auf Zwischenstationen in Betracht kommen, weil es sonst an einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb und seinen Gefahren fehlt. Ebenso schließt die Entscheidung VAE. 1937, Nr. 10, die Haftung der Bahn für einen Unfall durch Sturz auf einer Treppe (Bahnunterführung) aus, weil kein Betriebsunfall vorliegt. Unfälle bei Handlungen, die die Beförderung vorbereiten oder beenden, fallen nur dann unter diesen Begriff, wenn sie ursächlich auf die dem Eisenbahnbetrieb eigentümlichen Gefahren zurückgehen, z. B. die durch den Bahnverkehr bedingte besondere Hast oder ein starkes Gedränge des Publikums. Auch schlechte Beleuchtung der Bahnsteiganlage (wie sie auch im vorliegenden Fall, zwar nicht in der Klage aber in der Berufung, als Unfallsursache herangezogen worden ist) sei nicht durch die Besonderheiten des Eisenbahnbetriebes oder Reiseverkehrs bedingt und stelle keine für die Bahn betriebseigentümliche Gefahr dar, weshalb das RHG. ausscheide. Sinngemäß spricht VAE Nr. 390 aus, daß ein Unfall durch Sturz auf dem Bahnsteig etwa 20 Minuten vor Abgang des Zuges nicht in ursächlichem Zusammenhange mit den besonderen Gefahren gerade des Bahnbetriebes stehe, sondern sich ebensogut auf Plätzen aller Art ereignen könne, sofern gerade die Voraussetzungen dazu gegeben sind. Da der Unfall höchstens auf solche Gefahren zurückgeführt werden könne, die mit den die Beförderung vorbereitenden Maßnahmen verbunden sind, nicht aber auf die durch den Bahnbetrieb an sich hervorgerufenen, entfalle ein Anspruch aus § 1 zit. Ges. Außerdem würde es hier auch an dem Erfordernis des zeitlich engen Zusammenhanges mit der Beförderung fehlen, da der Unfall sich etwa 20 Minuten vor Zugabgang ereignete. In ähnlichem Sinn VAE 1939, Nr. 6, 198 (ev. auch VAE 1943, Nr. 116, u. a. m.).
Während also die Bahn für den Zustand ihrer Betriebsmittel unbedingt und unabhängig von irgendeinem Verschulden ebenso zu haften hat, wie für andere ihrem Betrieb eigentümliche Gefahren, haftet sie für den Zustand der dem allgemeinen (nicht etwa bloß dem Reise-) Publikum zugänglichen Teil der Bahnhofsanlagen, abgesehen vom Fall eines ihr oder ihren Organen zur Last fallenden Verschuldens, nur, wenn und insoweit der eingetretene Unfall auf betriebseigentümliche Gefahren zurückzuführen ist. Unfälle, die infolge Feuchtigkeit, Vereisung, Glätte der dem allgemeinen Publikum geöffneten Teile eines Bahnhofes, wie z. B. Wartehallen, Perrons u. dgl., entstehen, sind von ihr nur nach Maßgabe eines Verschuldens zu vertreten.
Dabei wird freilich auch die Grenze des Zumutbaren nicht allzu weit gezogen werden dürfen (VAE 1939, Nr. 6, 198).
Das Berufungsgericht wird sich demnach mit der Frage zu befassen haben, inwieweit der Bahn oder ihren Organen an der behaupteten, vom Erstgericht jedoch nicht festgestellten Vernachlässigung der Reinigung und Bestreuung der Unfallstelle, ein Verschulden zur Last gelegt werden kann und sich in diesem Umfang mit den Berufungsgrunden auseinandersetzen müssen. Es wird dabei auch die Frage zu prüfen sein, ob etwa, abgesehen von der behaupteten Feuchtigkeit oder gar Vereisung der Unfallstelle, deren bauliche Beschaffenheit (nach vorn abgeschrägte, angeblich nicht aufgerauhte Stufe) und die Art der Beleuchtung unfallskausal sind und die Bahn dafür haftbar gemacht werden kann. Desgleichen wird auch nicht außer acht gelassen werden dürfen, daß möglicherweise, wie der Erstrichter annimmt, Passagiere des Morgenzuges selbst an ihren Schuhen Schneeklumpen in die Wartehalle brachten, die sich dort loslösten und den Boden anfeuchteten.
Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen wird der Kläger, da das RHG. unanwendbar ist, sowohl Verursachung wie Verschulden der Beklagten oder ihrer Organe darzutun haben, und es wird auch bei Annahme eines solchen Verschuldens die Frage des Mitverschuldens zu prüfen sein.
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