Spruch:
Zu den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung gehören nur die einzelnen Verwaltungshandlungen. Eine Ausschließung der Minderheit von der Ausübung der Miteigentumsrechte und Verweigerung der Rechnungslegung ist unzulässig, wie überhaupt in Fragen der Ausübung der Miteigentumsrechte eine Majorisierung ausgeschlossen ist.
Entscheidung vom 6. Dezember 1950, 3 Ob 628/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Das Erstgericht hat die einstweilige Verfügung bewilligt, mit welcher zur Sicherung des von der gefährdeten Partei behaupteten Anspruches auf Bestellung eines gemeinsamen Verwalters für das Haus Wien, XIX., C.gasse 8, und auf Rechnungslegung die Verwaltung dieses Hauses durch einen vom Gerichte bestellten gemeinsamen Verwalter angeordnet werde, das Rekursgericht hat den Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß die Bestellung des Verwalters gemäß § 836 ABGB. stets Sache der Mehrheit sei und der Miteigentümer zu einem Viertel niemals berechtigt sei, die Bestellung eines gemeinsamen Verwalters zu begehren.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 106/32 (AnwZ. 1932, S. 461) ausgesprochen hat, kommt die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache allen Teilhabern insgesamt zu. Allerdings entscheidet in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung die Mehrheit der Stimmen; dazu gehören aber nur die einzelnen Verwaltungshandlungen. Es bildet jedoch keine Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung, wenn die Mehrheit, wie der Kläger es behauptet, die Minderheit von der Ausübung der Miteigentumsrechte ausschließen will, die Rechnungslegung verweigert und durch ihr Verhalten die Gefahr herbeiführt, daß der Kläger seines Miteigentumsanteiles verlustig wird.
Überhaupt ist in Fragen der Ausübung der Miteigentumsrechte eine Majorisierung ausgeschlossen.
Dem Bestreben des Klägers auf Abhilfe durch Bestellung eines vom Gerichte auszuwählenden Verwalters steht daher § 836 ABGB. nicht im Wege. Andernfalls wäre die Minderheit hilflos, wenn der von der Mehrheit bestellte Verwalter die gemeinschaftliche Sache durch unordentliche Wirtschaft dem Untergange preisgäbe. Die Entscheidung darüber, ob ein Verwalter zu bestellen oder der bestellte Verwalter abzuberufen ist, steht nach einhelliger Praxis dem Prozeßrichter zu.
Der Erstrichter hat als bescheinigt angenommen, daß die Antragsgegner der gefährdeten Partei die Abrechnung über die Kosten des Wiederaufbaues des Hauses verweigern und daß die Annuitäten und Zinsen nicht berichtigt werden. Die Unstimmigkeiten zwischen dem Kläger und dem von den Beklagten bestellten Verwalter sind umso bedenklicher, als der Kläger als Devisenausländer gilt und die Abstattung der Annuitäten und Zinsen aus diesem Gründe besonderer Voraussetzungen bedarf.
Die Besorgnis des Erstrichters, daß es unter diesen Umständen zu einer Zwangsversteigerung der gemeinschaftlichen Liegenschaft kommen könnte, ist daher nicht von der Hand zu weisen. Aus diesen Gründen müssen der Anspruch und seine Gefährdung als bescheinigt angesehen werden.
Den Antragsgegnern steht noch immer die Möglichkeit offen, im Verfahren über den Widerspruch darzutun, daß weder Anspruch noch Gefährdung bescheinigt seien.
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