OGH 2Ob495/50

OGH2Ob495/5015.11.1950

SZ 23/331

Normen

ABGB §287
ABGB §472
ABGB §523
JN §1
ABGB §287
ABGB §472
ABGB §523
JN §1

 

Spruch:

Privatrechtliche Nutzungsbefugnisse können auch an einem Grundstück zustehen, welches als öffentlicher Weg erklärt wurde. Streitigkeiten aus diesen Nutzungsbefugnissen gehören auf den ordentlichen Rechtsweg.

Entscheidung vom 15. November 1950, 2 Ob 495/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Reutte; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Die Kläger verlangen von den Beklagten die Unterlassung jeder Störung des Rechtes der Kläger, mit landwirtschaftlichen Fuhrwerken auf dem zwischen dem Gemeindeweg und einer Kapelle gelegenen Grundstück zu fahren und dort zur Zeit der Heueinbringung Fuhrwerke abzustellen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren bezüglich des behaupteten Abstellrechtes Folge, wies es aber hinsichtlich des Fahrrechtes ab.

Infolge Berufung der Beklagten gegen den stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Urteils hob das Berufungsgericht aus Anlaß der Berufung das Urteil und das vorangegangene Verfahren wegen Unzuständigkeit des Gerichtes (richtig Unzulässigkeit des Rechtsweges) auf und wies die Unterlassungsklage ab (richtig zurück). Es handle sich um einen öffentlichen Weg. Das Recht, dort mit Fahrzeugen zu fahren und sie stehen zu lassen, grunde sich auf keinen Privatrechtstitel, so daß zur Entscheidung derartiger Streitigkeiten nur die Verwaltungsbehörden zuständig seien.

Der Oberste Gerichtshof hat diesen Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Aus dem Vorbringen der Kläger geht allerdings hervor, daß sich das von ihnen behauptete Abstellrecht (über das behauptete Fahrrecht ist bereits im abweisenden Sinn rechtskräftig entschieden worden) auf das Grundstück 2983/1, öffentlicher Weg, bezieht. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist jedoch zweierlei festzuhalten. Die Kläger haben sich darauf berufen, daß der Grundteil, den das Abstellrecht betreffe, gar nicht als öffentlicher Weg, sondern als Wiese benützt werde. Zum andern haben sie trotz abweichender Rechtsausführung in der Berufungsmitteilung deutlich zum Ausdruck gebracht, daß ihr Recht, auf diesem Grundteil zur Zeit der Heueinbringung landwirtschaftliche Fahrzeuge abzustellen, über den Gemeingebrauch hinausgehe. Es ist ohneweiters möglich, daß an einem im Eigentum der Gemeinde oder einer dritten Person stehenden Grundstück auch dann privatrechtliche Nutzungsbefugnisse zustehen, wenn es sich um einen für öffentlich erklärten Weg handelt. Es handelte sich dann um einen Sondergebrauch des öffentlichen Weges, der insoweit möglich ist, als der Gemeingebrauch dadurch nicht beeinträchtigt wird (Klang, 2. Aufl., II, S. 66, Ehrenzweig, I/2, S. 9; E. v. 13. März 1923, SZ. V/56).

Die Kläger behaupten, daß sie und ihre Rechtsvorgänger das Abstellrecht ersessen hätten und die Gemeinde dagegen nichts eingewendet habe. Sie machen damit eine privatrechtliche Benützungsbefugnis geltend, deren Beeinträchtigung durch die Beklagten sie an sich mit der Unterlassungsklage verhindern können. Denn Beklagter ist bei der der Eigentumsklage nachgebildeten konfessorischen Klage (§ 523 ABGB.) nicht nur der Eigentümer der dienstbaren Sache, sondern auch jeder Dritte, der sich der Ausübung der Dienstbarkeit widersetzt (Ehrenzweig, a. a. O., S. 390).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, es handle sich um eine öffentlich-rechtliche Befugnis des Gemeingebrauchs, in welchem Falle allerdings der Rechtsweg unzulässig wäre (Klang, a. a. O., S. 66), kann nicht gebilligt werden. Die vorliegende Klage kann auf dem Rechtsweg ausgetragen werden.

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