OGH 2Ob525/50

OGH2Ob525/5013.10.1950

SZ 23/290

Normen

EO §35
Drittes Rückstellungsgesetz §12
ZPO §234
EO §35
Drittes Rückstellungsgesetz §12
ZPO §234

 

Spruch:

Ein durch den Eigentumswechsel bedingter Wegfall der Sachbefugnis (Verkauf der Liegenschaft) kann ohne Verstoß gegen die Fristbestimmung des § 35 Abs. 1 zweiter Satz EO. im Exekutionsverfahren vorgebracht werden, da die Vorschrift des § 234 ZPO. wohl für Kündigungs- und Räumungsprozesse, nicht aber für das Exekutionsverfahren gilt.

Entscheidung vom 13. Oktober 1950, 2 Ob 525/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Eltern der im jetzt anhängigen Oppositionsprozeß beklagten Partei waren im Zeitpunkt der Besetzung Österreichs Eigentümer eines Hauses in Wien und bewohnten in diesem Haus die aus drei Zimmern, Kabinett und Küche samt Nebenräumen bestehende Wohnung Nr. 14. Sie übersiedelten ebenso wie ihre Tochter im Herbst 1938 ins Ausland und verloren auch das Eigentum an ihrem Haus. Der Erwerber des Hauses vermietete anfangs 1939 dem Gatten der Klägerin die seit Übersiedlung der Hauseigentümer leerstehende Wohnung. Die Wohnung war infolge des Todes ihres Gatten auf die Klägerin übergegangen. Nachdem das Haus der Beklagten als Erbin ihrer Eltern rückgestellt worden war, begehrte sie in der Klage gemäß § 12 Abs. 2 des Dritten Rückstellungsgesetzes die Verurteilung der Klägerin zur Räumung der Wohnung. Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren statt. Eine Berufung blieb erfolglos. Der Oberste Gerichtshof hob jedoch die Urteile der Vorgerichte auf und wies die Rechtssache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurück. Wie aus dem Aufhebungsbeschluß hervorgeht, wurde lediglich der Einwendung der im früheren Prozeß beklagten Klägerin Berechtigung zuerkannt, daß der persönliche Wohnbedarf der Rückstellungswerberin nicht die Benützung der ganzen Wohnung erfordere. Es wurde daher dem Prozeßgericht aufgetragen, die Möglichkeit einer Teilung der Wohnung zu prüfen. Das Prozeßgericht erkannte die jetzige Oppositionsklägerin schuldig, ihrer Prozeßgegnerin das hofseitig gelegene Zimmer samt anschließendem Kabinett unter Duldung der Mitbenützung der Nebenräume zu übergeben. Dieses Urteil wurde am 21. März 1949 gefällt, nachdem die infolge des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes fortgesetzte Verhandlung in erster Instanz am 11. März 1949 geschlossen worden war. Das Räumungsurteil erwuchs am 19. April 1950 in Rechtskraft.

Darauf hat die nunmehrige Beklagte den Antrag auf Bewilligung der zwangsweisen Räumung eingebracht und es wurde daraufhin mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 30. Mai 1950 die zwangsweise Räumung bewilligt. Nach der Bewilligung der Exekution hat die nunmehrige Klägerin eine Oppositionsklage eingebracht, mit der sie den Antrag verband, die Aufschiebung der Exekution ohne Auferlegung einer Sicherheit bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Oppositionsstreites zu bewilligen.

Das Erstgericht hat den Aufschiebungsantrag abgewiesen, weil die Widerspruchsklägerin als Beklagte im Räumungsstreit in der Streitverhandlung vom 26. April 1948 von der damaligen Klägerin unwidersprochen behauptet habe, daß die Räumungsklägerin die Liegenschaft weiterverkauft habe. Die Widerspruchsklägerin treffe daher wegen nicht rechtzeitiger Vorbringung des Einwandes ein Verschulden, das die Verwertung der Tatsache des Eigentumswechsels im Oppositionsstreit hindere.

Das Rekursgericht hat, dem Rekurs der Widerspruchsklägerin Folge gebend, die Exekution durch zwangsweise Räumung aufgeschoben, weil der Oppositionsklage nicht von vornherein jede Aussicht auf Erfolg abgesprochen werden könne.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Entgegen den Ausführungen des Revisionsrekurses braucht auf die in den Beschlüssen der ersten und zweiten Instanz aufgeworfene Frage, ob nach Aufhebung eines Urteils durch den Obersten Gerichtshof und Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz den Aufhebungsgrund nicht unmittelbar betreffende, neue Tatsachen vorgebracht werden können, nicht näher eingegangen zu werden. Denn § 35 Abs. 1 Satz 2 EO. stellt auf den Zeitpunkt ab, bis zu dem der Verpflichtete von den dem Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen wirksam Gebrauch machen konnte. Die Tatsache, daß die jetzige Oppositionsbeklagte (die Klägerin im früheren Räumungsprozeß) das rückgestellte Haus verkauft hat und nicht mehr dessen Eigentümerin ist, wäre aber im vorigen Prozeß gar nicht zu beachten gewesen. Denn die Vorschrift des § 234 ZPO. kommt ebenso wie in einem Kündigungsprozeß, für welche Art von Prozessen dies der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 29. Juni 1949, SZ. XXII/100 ausdrücklich ausgesprochen hat, selbstverständlich auch in einem Räumungsprozeß zur Anwendung. Hingegen gilt § 234 ZPO., was schon aus der Nichtzugehörigkeit dieser Gesetzesstelle zu den im § 78 EO. angeführten Materien hervorgeht, nicht für das Exekutionsverfahren (vgl. E. d. RG. 12. Dezember 1941, VIII 814/39, RGZ. 168, S. 115). Ein durch den Eigentumswechsel bedingter Wegfall der Sachbefugnis konnte daher ohne Verstoß gegen die Fristbestimmung des § 35 Abs. 1 Satz 2 EO. im Exekutionsverfahren vorgebracht werden.

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