Spruch:
Für die Räumungsklage genügt die Aktivlegitimation der klagenden Partei im Zeitpunkt der Urteilsfällung (Schluß der Verhandlung).
Entscheidung vom 14. Juni 1950, 3 Ob 297/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Villach; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, die in Villach, I.straße 73, gelegene Dienstwohnung, bestehend aus Vorzimmer, zwei Zimmern und Küche samt Nebenräumen, der klagenden Partei binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben, kostenpflichtig ab, da zur Zeit der Einbringung und Zustellung der Klage im Grundbuch nicht die klagende Partei, sondern das Land Kärnten als Eigentümer der Liegenschaft eingetragen war, zu der die zu räumende Dienstwohnung gehört. Wenn auch die klagende Partei im Zuge des Prozesses noch vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz wieder als Eigentümerin der Liegenschaft eingetragen wurde, so sei doch bei Prüfung der aktiven Klagslegitimation die Sachlage allein zur Zeit der Klagseinbringung als maßgebend anzusehen.
Infolge Berufung der klagenden Partei hob das Berufungsgericht das erstrichterliche Urteil auf und wies die Rechtssache an das Erstgericht zur fortgesetzten Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurück. Das Berufungsgericht, das sich der vom Erstgericht zum Ausdruck gebrachten Rechtsmeinung nicht anschloß, führt in seiner Begründung aus: Die Bestimmung des § 406 ZPO. ist allgemein zu fassen. d. h. für die Prüfung der Berechtigung des Klagsanspruches ist schlechthin der Zeitpunkt der Urteilsfällung maßgebend. Dies gilt sowohl für Leistungs- wie für Feststellungsklagen. Da die Parteien bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz neue Behauptungen und Beweise vorbringen können, ist auch der während des Prozesses erst vollendete Rechtserwerb zu beachten (siehe die zu § 406 der Manz'schen Ausgabe der ZPO. aus dem Jahre 1934 unter Nr. 4 angeführten Entscheidungen, Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes, S. 17 ff., und Neumann, II, S. 1156). Auch Gesichtspunkte der Prozeßökonomie sprechen für die Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses. Die beklagte Partei hat trotz des neuen Vorbringens der klagenden Partei über die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes an der gegenständlichen Liegenschaft ihren abweisenden Standpunkt gegen das Klagebegehren aufrechterhalten, so daß sich die Klage, sofern das Vorbringen der Klägerin richtig ist, als nachträglich gerechtfertigt erweist. Im anderen Fall hätte die beklagte Partei sich durch Anerkennung des Klagsanspruches von jeder Kostenfolge befreien und sogar Prozeßkostenersatz für sich in Anspruch nehmen können (§ 45 ZPO.). Was die Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. Jänner 1949, ÖJZ. 1949, EvBl. Nr. 248, anlangt, kann diese auf die vorliegende Räumungsklage nicht herangezogen werden, weil es sich im bezogenen Fall um eine Kündigung handelt; bei Kündigungen ist aber stets auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vornahme der Kündigung abzustellen.
Das Berufungsgericht sprach gemäß § 519 Z. 3 ZPO. aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft seiner Entscheidung fortzusetzen sei.
Der Rekurs des Beklagten blieb ohne Erfolg.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Oberste Gerichtshof schließt sich völlig der vom Berufungsgericht dargelegten Rechtsansicht an und verweist auf die durchaus zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung. Die Rekursausführungen sind nicht geeignet, die dargelegten Gründe zu widerlegen. Der Hinweis des Rekurses auf § 226 ZPO., wonach nur derjenige eine Klage einbringen könne, der einen Anspruch auf Rechtsschutz geltend machen kann, ist insofern nicht stichhältig, weil eben mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 406 ZPO. der Verurteilung nicht entgegensteht, daß der Rechtserwerb durch den Kläger zwar nicht schon im Zeitpunkt der Klage, wohl aber im Zuge des Prozesses noch vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz erfolgt ist.
Dem Rekurs mußte daher der Erfolg versagt werden.
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