Spruch:
Auf Optionsverträge ist die Vorschrift des § 936 ABGB. sinngemäß anzuwenden.
Entscheidung vom 7. Juni 1950, 1 Ob 472/49.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Mit den Kaufverträgen vom 5. Dezember 1929 hat der Erstbeklagte die Liegenschaften EZ. 75 und 78 Grundbuch M. um den Preis von 29.400 S und die Zweitbeklagte die Liegenschaft EZ. 77 desselben Grundbuches um den Preis von 43.400 S von Therese Sch., der Adoptivmutter des Klägers, im Kaufwege erworben. Anläßlich des Abschlusses dieser Kaufverträge hat sich der Erstbeklagte mit Schreiben vom 5. Dezember 1929 verpflichtet, die ihm von Frau Therese Sch. verkauften Liegenschaften an den Kläger auf Verlangen zu verkaufen, wenn der Kläger den vollen ortsüblichen Preis, mindestens jedoch den als Kaufpreis vom Erstbeklagten bezahlten Betrag zuzüglich Umschreibungsgebühr leiste.
Diese Zusage hat nur der Erstbeklagte, nicht aber die Zweitbeklagte abgegeben.
Die obgenannten Verkäufe hatte Therese Sch. wegen ihrer Geldschulden, wobei auch der Erstbeklagte ihr Gläubiger war, durchführen müssen. Therese Sch. verblieb nur das Wirtschaftshaus in M. Nr. 1, das aber in späterer Zeit wegen Überschuldung ebenfalls verkauft wurde, wobei der Kläger nach Wien übersiedelte.
Das Erstgericht nahm weiters als erwiesen an, daß der vom Erstbeklagten dem Kläger zugesagte Verkauf der Liegenschaften nicht lediglich für den Fall, als der Kläger am Hof bei der Adoptivmutter verbleibt, zugesichert wurde.
Wenn es auch richtig ist, daß zwischen den Streitteilen am 12. Juli 1935 eine finanzielle Verrechnung noch stattgefunden hat, so ist bei diesem Anlaß auf das gewährte Kaufrecht nicht verzichtet worden. Der Stoppreis hinsichtlich der vom Erstbeklagten erworbenen Liegenschaften beträgt derzeit 35.965.23 S. Das Erstgericht hat dem Klagebegehren hinsichtlich des Erstbeklagten stattgegeben, hinsichtlich der Zweitbeklagten aber die Klage abgewiesen.
Die Abweisung des Klagebegehrens stützte das Erstgericht auf den Umstand, daß die Zweitbeklagte gegenüber dem Kläger niemals eine Verpflichtung eingegangen sei, die Liegenschaft an ihn zu verkaufen.
Hinsichtlich des Erstbeklagten führte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht aus, daß der Kläger sein Recht, den Kauf der Liegenschaften zu erwirken, auch durch die geänderten Zeitverhältnisse nicht verloren habe, weil nach der schriftlichen Vereinbarung vom 5. Dezember 1929 (C) der Erstbeklagte ohnehin gesichert sei, weil ja der Kläger verpflichtet wäre, den ortsüblichen Preis für die Liegenschaften zu bezahlen und der von der Magistratsabteilung 40 mitgeteilte Stoppreis dem ortsüblichen Preis entspreche.
Gegen dieses Urteil haben der Kläger wegen Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich der Zweitbeklagten und der Erstbeklagte Berufung erhoben.
Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers, indem es der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes beitrat, keine Folge gegeben, wobei ausgesprochen wurde, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteigt.
Hingegen wurde der Berufung des Erstbeklagten Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wurde.
Unter Übernahme der erstrichterlichen Feststellungen führte das Berufungsgericht in rechtlicher Beziehung folgendes aus:
Da in der schriftlichen Erklärung vom 5. Dezember 1929 nur der Erstbeklagte sich einseitig verpflichtet habe, die von Frau Therese Sch. gekauften Liegenschaften dem Kläger auf dessen Verlangen unter den in der Erklärung festgehaltenen Bedingungen zu verkaufen, sei in dieser Verpflichtungserklärung eine Option zu erblicken, die wie ein Vorvertrag der Umstandsklausel unterliege. Seit Abschluß des Vertrages haben sich aber die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse infolge der politischen Umwälzungen und kriegerischen Ereignisse derart geändert, daß dadurch der ausdrücklich bestimmte und aus den Umständen hervorleuchtende Zweck des Hauptvertrages vereitelt erscheine, der dahin ging, dem Käufer jedenfalls keinerlei Nachteile aus der Rückübertragung der Liegenschaften zu verursachen. Davon könne aber bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Lage nicht mehr die Rede sein. Voraussetzung einer Option sei die Wertbeständigkeit des Geldes und der Grundsatz der freien Preisbildung. Diese beiden Voraussetzungen seien aber seither weggefallen. Bei Wirksamkeit der Option würde daher ein Zustand herbeigeführt werden, der sich ausschließlich zum Vorteil des Klägers, dagegen im Hinblick auf die Währungslage und den Preisstopp zum Nachteil des Erstbeklagten auswirken würde.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Da auf Grund der Feststellungen der unteren Instanzen die Zweitbeklagte sich nie zum Verkauf der Liegenschaft gegenüber dem Kläger verpflichtet hat, ist das Begehren des Klägers gegen die Zweitbeklagte mangels einer Verpflichtungserklärung unbegrundet und war daher der Revision in diesem Punkte keine Folge zu geben.
Aber auch hinsichtlich des Erstbeklagten ist die Revision unbegrundet.
Wenn das Berufungsgericht in der schriftlichen Erklärung vom 5. Dezember 1929, in der sich der Erstbeklagte verpflichtete, die erworbenen Liegenschaften an den Kläger auf dessen Verlangen zu verkaufen, eine Option erblickt, folgt der Oberste Gerichtshof dieser rechtlichen Beurteilung.
Wenn der Revisionswerber aber meint, daß der Vertrag vom 5. Dezember 1929 den Bestimmungen des § 1068 ABGB. zu unterstellen sei, so kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden.
Ganz abgesehen davon, daß der Kläger nicht Verkäufer der Liegenschaft war, geht aus dem Inhalt der Erklärung eindeutig hervor, daß dem Kläger das Recht eingeräumt wurde, durch einseitige Erklärung ohne neuerlichen Vertragsabschluß das Schuldverhältnis zu begrunden, d. h. den Verkauf, bzw. Kauf der Liegenschaften zu bewirken. Ein derartiger Vertrag stellt sich als eine Option dar.
Wenn auch die Optionsverträge im ABGB. nicht geregelt sind, so werden derartige Verträge von Lehre und Rechtsprechung anerkannt und sind auf sie analog die Vorschriften des Vorvertrages (§ 936 ABGB.) anzuwenden (Klang zu § 936 ABGB., S. 595, und die dort angegebene Judikatur, weiters JBl. 1934, S. 391).
Für die Option gilt daher auch, wie beim Vorvertrag, und dies ist ebenfalls einheitliche Lehre und Rechtsprechung, die clausula rebus sic stantibus.
Was nun die Frage anlangt, ob sich seit 5. Dezember 1929 die wirtschaftlichen oder Wertverhältnisse so wesentlich geändert haben, daß dem Erstbeklagten nicht zugemutet werden kann, die Option zu erfüllen, wurde dies mit Recht vom Berufungsgericht bejaht.
Ohne auf die Währungsverhältnisse eingehen zu müssen, ist der Oberste Gerichtshof der Ansicht, daß sich schon mit Rücksicht auf den für ländliche Grundstücke noch bestehenden Preisstopp die Verhältnisse seit Abschließung des Vertrages derart grundlegend geändert haben, daß der zwischen den Parteien vereinbarte Zweck des Hauptvertrages vereitelt erscheint.
Zur Zeit des Abschlusses des Optionsvertrages vom 5. Dezember 1929 bestand eine freie Preisbildung für landwirtschaftliche Grundstücke und hatte der Kläger das Recht, diese Liegenschaften um den vollen ortsüblichen Preis zu kaufen.
Durch Einführung des Preisstopps wurden aber die wirtschaftlichen Verhältnisse hinsichtlich landwirtschaftlicher Grundstücke derart geändert, daß von einer Bildung eines ortsüblichen Preises, der als Grundlage die freie Preisbildung zur Voraussetzung hat, nicht die Rede sein kann.
Da somit dem Erstbeklagten nicht zugemutet werden kann, die Option zu einem lediglich vorgeschriebenen Preis zu erfüllen, war der Revision der Erfolg zu versagen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)