Spruch:
Eine Vereinbarung, die dem Pfandgläubiger die bestmögliche außergerichtliche Veräußerung des Pfandes gestattet, ist im Sinne des § 1371 ABGB. ungültig. Zulässig ist sie aber, wenn vereinbart wurde, daß nicht unter dem Schätz- oder Marktpreis verkauft werden dürfe.
Entscheidung vom 6. Mai 1950, 1 Ob 112/50.
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Die klagende und gefährdete Partei hat die beklagte Partei und Gegnerin auf Unterlassung des Verkaufes der verpfändeten Pelzjacke ohne Mitwirkung der klagenden Partei geklagt und zur Sicherung des Anspruches auf Unterlassung in der Klage unter anderem die Erlassung der einstweiligen Verfügung, womit die gerichtliche Verwahrung der Pelzjacke angeordnet und der Gegnerin die Veräußerung oder sonstige Verfügung über die Jacke verboten werde, beantragt.
Das Erstgericht hat zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei auf Mitwirkung beim Verkauf der Pelzjacke die Veräußerung dieser Jacke ohne Mitwirkung der gefährdeten Partei verboten und das Begehren auf gerichtliche Verwahrung der Pelzjacke abgewiesen. Die Gegnerin hat gegen diesen Beschluß nicht Rekurs, sondern Widerspruch erhoben und vorgebracht, die ursprünglich bei der Verpfändung abgeschlossene Vereinbarung vom 16. April 1949, wonach die Gegnerin die verpfändete Jacke im Falle der Nichteinlösung des über die Pfandschuld ausgestellten Akzeptes gemeinsam mit der Schuldnerin bestmöglich zu verkaufen berechtigt sei, durch das Schreiben der gefährdeten Partei vom 20. Juli 1949, wonach die Gegnerin bei Fruchtlosigkeit der gemeinsamen Verkaufsbemühungen bis zum 15. September 1949 zum selbständigen Verkauf berechtigt sei und den Mehrpreis an die gefährdete Partei abzuführen habe, abgeändert worden sei und daß die beiderseitigen Bemühungen tatsächlich zu keinem Ergebnis geführt hätten. Daraufhin hat das Erstgericht nach mündlicher Verhandlung dem Widerspruch teilweise Folge gegeben und die erstrichterliche Verfügung dahin abgeändert, daß der Gegnerin verboten wird, die verpfändete Pelzjacke unter dem Schätzwert oder unter dem Marktpreis zu verkaufen. Gegen diesen Beschluß haben beide Teile Rekurs erhoben. Weder in der Verhandlung über den Widerspruch noch in ihrem Rekurs hat die gefährdete Partei die Echtheit und Richtigkeit ihres Schreibens vom 20. Juli 1949 bestritten und hat auch nicht behauptet, daß die gemeinsamen Verkaufsbemühungen bis zum 15. September 1949 nicht ergebnislos geblieben sind.
Das Rekursgericht hat dem Rekurs der gefährdeten Partei einen Erfolg versagt, jedoch dem Rekurse der Gegnerin Folge gegeben und die einstweilige Verfügung mit der Begründung vollständig aufgehoben, daß, abgesehen davon, daß mangels genauer Bezeichnung des zu sichernden Anspruches die einstweilige Verfügung überhaupt nicht zu bewilligen gewesen wäre, der zu sichernde Anspruch auf Unterlassung des Verkaufes ohne Mitwirkung der gefährdeten Partei auf Grund des im Schreiben vom 20. Juli 1949 ausgesprochenen Verzichtes auf diese Mitwirkung nicht bescheinigt sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurse der klagenden und gefährdeten Partei Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs ist begrundet. Ob die einstweilige Verfügung mangels genügender Bezeichnung des zu sichernden Anspruches nach Gegenstand und Rechtsgrund nicht zu bewilligen gewesen wäre, ist nicht zu prüfen, weil die Gegnerin der gefährdeten Partei weder in einem Rekurs gegen diesen Beschluß noch sonst geltend gemacht hat, daß dem Antrage auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus diesem Gründe nicht stattgegeben werden durfte. Hievon abgesehen, wurde die Verfügung offensichtlich zur Sicherung des in der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruches, der dort jedenfalls genügend bezeichnet ist, begehrt. Der Oberste Gerichtshof vermag die Ansicht des Rekursgerichtes nicht zu teilen, daß eine Vereinbarung, die dem Pfandnehmer den bestmöglichen außergerichtlichen Verkauf des Pfandes gestattet, nach § 1371 ABGB. zulässig sei. § 1371 ABGB. bestimmt unter anderem, daß eine Verabredung, wonach der Gläubiger das Pfandstück nach Willkür zu einem schon voraus bestimmten Preise veräußern oder für sich behalten könne, ungültig sei. Die Einräumung des Rechtes, die Pfandsache bestmöglich zu verkaufen, enthält nun keine vor einer Verschleuderung schützende Grenze, unter der ein Verkauf ausgeschlossen wäre, sondern besagt nur, daß der Gläubiger den Gegenstand so gut als möglich veräußern könne, daß er sich also bemühen soll, einen möglichst hohen Preis zu erzielen, nicht aber, daß ein Heruntergehen unter den Marktpreis oder den Schätzwert auch dann ausgeschlossen sein soll, wenn der Pfandgläubiger gerade im Zeitpunkt des Verkaufes keinen Interessenten findet, der einen zumindest dem Marktpreis oder Schätzwert entsprechenden Preis bietet. Daher ist diese Vereinbarung nach § 1371 ABGB. ungültig, weil sie dem Pfandgläubiger letzten Endes doch die Möglichkeit gibt, den Pfandgegenstand nach seinem Belieben zu veräußern. Es kommen daher nur noch zwei Möglichkeiten in Frage, nämlich, ob die ursprüngliche Vereinbarung über den gemeinsamen Verkaufsabschluß wirksam wurde oder ob die Nichtigkeit des Übereinkommens über den außergerichtlichen Verkauf überhaupt eingetreten ist und damit nur die Zulässigkeit der exekutiven Veräußerung in Betracht kommt. Auf beide Möglichkeiten hat sich die gefährdete Partei zur Begründung ihres Anspruches in ihrer Klage gestützt. Im ersteren Falle hätte die gefährdete Partei die Möglichkeit, jedem konkreten Kaufvertragsabschluß ihre Zustimmung zu versagen, und im zweiten Falle wäre der außergerichtliche Verkauf durch die Gegnerin unzulässig, ein gemeinsamer Verkauf aber auch in diesem Falle nicht ausgeschlossen; denn der Pfandgeber kann jedenfalls die ihm gehörige Pfandsache mit Zustimmung des Pfandgläubigers jederzeit zu jedem ihm genehmen Preis veräußern. Wird in einem solchen Falle dem Pfandnehmer die außergerichtliche Veräußerung ohne Einholung der Zustimmung des Pfandgebers nur nicht unter dem Schätzwert oder dem Marktpreis gestattet, so ist der Pfandnehmer daher gegenüber einem Verbot der außergerichtlichen Veräußerung überhaupt oder einer solchen ohne Einwilligung des Pfandgebers bessergestellt, zumal ein solches Verbot die Möglichkeit einer gemeinsamen Veräußerung der Pfandsache nicht ausschließen würde. Das Verbot der Veräußerung unter dem Schätzwert oder dem Marktpreis stellt daher ein Minus gegenüber den beiden anderen Verboten dar, dessen Erlassung daher von vornherein auch zur Sicherung eines Anspruches, sei es auf Unterlassung der außergerichtlichen Veräußerung der Pfandsache überhaupt oder doch ohne Zustimmung der gefährdeten Partei, zulässig gewesen wäre, oder in teilweiser stattgebender Erledigung eines Begehrens auf eines der früher erwähnten darüber hinausgehenden Verbote zulässig wäre. Da also dieses Verbot ein Minus darstellt, eine Vereinbarung über das Recht der Gegnerin zur außergerichtlichen Veräußerung ohne Erfordernis der Einwilligung der gefährdeten Partei auch unter dem Schätzwert oder Marktpreis ungültig ist und die Gegnerin selbst bei der Verhandlung über den Widerspruch sich auf Grund des Schreibens vom 20. Juli 1949 nur zur Veräußerung zum Schätzwert oder Marktpreis für befugt erachtet, kann sich die Gegnerin nicht darüber beschweren, wenn ihr verboten wurde, unter dieser Untergrenze außergerichtlich zu veräußern, zumal sie entgegen ihrer Erklärung in der Widerspruchsverhandlung nach ihrem vom Erstgericht als Gefahrbescheinigungsmittel herangezogenen Schreiben vom 9. Oktober 1949 die Veräußerung unter dem Schätzwert allenfalls beabsichtigt.
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen.
Für die Kosten des Revisionsrekurses kann die Vorschrift des § 393 EO., die sich nur auf das Verfahren, das die Erlassung der einstweiligen Verfügung zum Gegenstand hat, bezieht und nicht auf das Widerspruchsverfahren ausgedehnt werden kann, das ja erst nach Erlassung des Bewilligungsbeschlusses und nach Erledigung des dagegen allenfalls erhobenen Rekurses durchzuführen ist, nicht angewendet werden, weil hier eine Art streitigen Verfahrens über Statthaftigkeit und Angemessenheit der erlassenen Verfügung durchzuführen ist. Daher waren der obsiegenden Partei nach den §§ 41, 50 ZPO., §§ 78, 402 EO. die Kosten ihres Revisionsrekurses zuzusprechen.
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