OGH 1Ob249/50

OGH1Ob249/503.5.1950

SZ 23/132

Normen

ABGB §178
ABGB §233
ABGB §271
AußStrG §9
ABGB §178
ABGB §233
ABGB §271
AußStrG §9

 

Spruch:

Ein jedermann zustehendes Recht auf Anrufung des Beistandes des Gerichtes besteht nur nach § 178 ABGB., also dann, wenn durch das Verhalten eines Elternteiles eine Schädigung und Gefährdung des leiblichen, geistigen oder sittlichen Wohles des Kindes zu befürchten ist.

Entscheidung vom 3. Mai 1950, 1 Ob 249/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der mj. Thomas F. ist zu einem Viertel Eigentümer einer Liegenschaft. Der Vater und gesetzliche Vertreter des Minderjährigen, der ein Geschäft grunden will, hat nunmehr namens des Minderjährigen um Genehmigung der Verpfändung dieses Liegenschaftsanteiles zugunsten der Sparkasse für ein von letzterer dem Kindesvater zu gewährendes Darlehen in der Höhe von 41.500 S angesucht.

Das Erstgericht hat die pflegschaftsbehördliche Genehmigung zu dieser Verpfändung (§ 233 ABGB.) versagt, weil keine Gewähr dafür gegeben sei, daß aus den Erträgnissen der Liegenschaft der Amortisations- und Zinsendienst gedeckt werden kann.

Gegen diese Abweisung hat der Minderjährige, vertreten durch seinen Vater und gesetzlichen Vertreter, Rekurs erhoben.

Das Rekursgericht hat diesen Rekurs als unzulässig zurückgewiesen.

Es führte aus, daß es sich bei der Verpfändung des Liegenschaftsanteiles um ein Geschäft zwischen dem ehelichen Vater und dessen minderjährigen Sohn handelt, daher eine Interessenkollision gegeben sei, weshalb gemäß § 271 ABGB. vom Erstgericht ein Kurator für den Minderjährigen zu bestellen gewesen wäre und der Vater daher nicht berechtigt sei, namens des Minderjährigen ein Rechtsmittel zu ergreifen.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß des Rekurses des Minderjährigen, vertreten durch seinen Vater, das bisherige Verfahren erster und zweiter Instanz auf und trug dem Erstgericht auf, nach Bestellung eines anderen Pflegers für den Minderjährigen neuerlich über den Antrag zu entscheiden.

Zu beurteilen ist die Frage, ob der eheliche Vater des Minderjährigen bei der Entscheidung über den vorliegenden Antrag, den Liegenschaftsanteil des Minderjährigen für ein vom Vater aufzunehmendes Darlehen zu verpfänden, als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen einschreiten darf.

Gemäß § 271 ABGB. muß in Geschäften, welche zwischen dem ehelichen Vater und einem mj. Kind vorfallen, das Gericht angegangen werden, für den Minderjährigen einen besonderen Kurator (Pfleger) zu ernennen. Diese Verpflichtung obliegt im übrigen dem Pflegschaftsgericht auch von Amts wegen.

Falls dies aber nicht geschehen ist, fehlt es an der Vertretungsbefugnis des ansonsten berechtigten Vertreters, nämlich des Vaters, und ist der Minderjährige im Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten.

Es liegt daher ein Mangel der gesetzlichen Vertretung für den Minderjährigen vor, der in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen ist und die Nichtigkeit des bisherigen Verfahrens zur Folge hat.

Es war daher aus Anlaß des Rekurses das bisherige Verfahren erster und zweiter Instanz als nichtig aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, über den Antrag auf Verpfändung des Liegenschaftsanteiles nach Bestellung eines besonderen Pflegers für den Minderjährigen neuerlich zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber wird darauf verwiesen, daß dem Vater und gesetzlichen Vertreter, zu dessen Gunsten der Liegenschaftsanteil des Minderjährigen belastet werden soll, in diesem Verfahren ein Recht zur Erhebung eines Rechtsmittels überhaupt nicht zukommt, da in dieser Pflegschaftssache, soweit der Verpfändungsantrag behandelt wird, der Kindesvater nicht als Beteiligter angesehen werden kann.

Soweit der Kindesvater den Standpunkt vertritt, daß er zur Erhebung eines Rechtsmittels legitimiert sei, da nach dem bürgerlichen Recht jedermann ein Recht zustehe, im Interesse des Minderjährigen den Beistand des Gerichtes anzurufen, so kann diese Rechtsansicht nicht geteilt werden. Eine actio popularis, also ein jedermann zustehendes Recht zur Anrufung des Beistandes des Gerichtes, ist gesetzlich nur in § 178 ABGB. verankert und findet nur dort Anwendung, wo durch das Verhalten eines Elternteiles eine Schädigung und Gefährdung des leiblichen, geistigen oder sittlichen Wohles des Kindes zu befürchten ist. Diese Gesetzesstelle kommt daher im gegenständlichen Falle nicht in Frage.

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