OGH 1Ob287/49

OGH1Ob287/493.5.1950

SZ 23/125

Normen

ABGB §970
ABGB §970c
ABGB §1440
ZPO §131
ZPO §477 Abs1 Z4
ABGB §970
ABGB §970c
ABGB §1440
ZPO §131
ZPO §477 Abs1 Z4

 

Spruch:

Im Anwaltsprozeß muß nach § 131 Abs. 2 ZPO. lediglich die erste Ladung zur mündlichen Verhandlung die Belehrung über den Anwaltszwang enthalten. Eine Pflicht zur neuerlichen Belehrung besteht auch bei späterer Kündigung der Vollmacht des Anwaltes nicht.

Ein Zurückbehaltungsrecht im Sinne des § 970c ABGB. steht nur solchen Garagenbesitzern zu, die die Garagierung gewerbsmäßig betreiben.

Entscheidung vom 3. Mai 1950, 1 Ob 287/49.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger im Jahre 1941 seinen Personenkraftwagen Buick, 8 Zylinder, Kabriolett, samt Spezialanhänger dem H. N., Inhaber einer Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte in Wien, zur Aufbewahrung und Pflege übergeben, wofür ein monatliches Entgelt von 25 RM vereinbart wurde. Später hat N. seine Garage mit der der Beklagten in Wien, II., F.straße 7, vertauscht. Der Wagen des Klägers blieb hiebei in der Garage Wien, II., L.straße 15, und es wurden der Beklagten auch die auf den Namen des Klägers lautenden Wagenpapiere übergeben. Die Beklagte hat den Wagen weiter in ihrer Garage verwahrt. Als nach dem Kriegsende der Kläger von der Beklagten die Ausfolgung seines Wagens verlangte und dabei behauptete, die Garagierungsgebühr bis zum Kriegsende an N. bezahlt und von der Verwahrung des Wagens durch die Beklagte keine Kenntnis gehabt zu haben, verweigerte ihm die Beklagte die Herausgabe des Wagens mit der Begründung, daß vorerst die seit 1. Jänner 1941 bei ihr aufgelaufenen Verwahrungsgebühren von 40 S monatlich und ein weiterer Betrag von 500 S für die Abschleppung des Wagens während der Gefahrenzeit des Jahres 1945 bezahlt werden müßten.

Das Prozeßgericht hat dem Klagebegehren, soweit es auf Ausfolgung des Wagens samt Anhänger gerichtet war, stattgegeben und ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nicht anerkannt. Lediglich das Begehren, den Wagen in fahrbereitem Zustand zu übergeben, wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat der dagegen gerichteten Berufung der Beklagten nicht Folge gegeben und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 10.000 S übersteigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit der Rechtsrüge wendet sich die Revision zunächst dagegen, daß das Berufungsgericht die von der Berufung gegen das prozeßgerichtliche Urteil geltend gemachte Nichtigkeit nach § 477 Z. 4 ZPO. nicht als gegeben angesehen hat. Die Beklagte war nämlich im Verfahren zunächst durch den Rechtsanwalt Dr. E. A. vertreten, der ihr mit Schriftsatz vom 26. November 1948 die Vollmacht gekundigt hat. Das Prozeßgericht hat diese Kündigung mit der Beschränkung zur Kenntnis genommen, daß sie dem Prozeßgegner gegenüber erst dann rechtliche Wirksamkeit erlangt, wenn seitens der Beklagten die Bestellung eines anderen Rechtsanwaltes angezeigt wird. Dieser Beschluß wurde auch der Beklagten ordnungsgemäß zugestellt. Zur Tagsatzung vom 10. Dezember 1948, deren Termin bei der vorausgegangenen Tagsatzung mündlich bekanntgegeben worden war, erschien nun die Beklagte ohne Rechtsanwalt, was nach ihrer Behauptung zur Folge hatte, daß sie ihr Sachverhaltsvorbringen nicht mehr weiter ergänzen konnte. Nach Vernehmung der Parteien wurde bei dieser Tagsatzung das Urteil gefällt.

Die Revision meint nun, daß der Erstrichter die Pflicht gehabt hätte, die Beklagte darüber zu belehren, daß sie auch weiterhin durch einen Rechtsanwalt vertreten sein müsse und daß ein Weiterverhandeln ohne Rechtsanwalt für sie Säumnisfolgen nach sich ziehen würde. Die Unterlassung einer solchen Belehrung habe, was vom Berufungsgericht verkannt worden sei, die Nichtigkeit des erstrichterlichen Urteils nach § 477 Z. 4 ZPO. zur Folge.

Mit Recht hat aber das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß nach § 131 Abs. 2 ZPO. im Anwaltsprozeß lediglich die erste Ladung zur mündlichen Verhandlung die Belehrung über den Anwaltszwang zu enthalten hat, daß dieser Pflicht vom Erstrichter entsprochen wurde und eine weitergehende Verpflichtung zur Belehrung nicht bestand. Der Oberste Gerichtshof teilt diese Ansicht, die er in der vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung bereits zum Ausdruck gebracht hat, und findet sich nicht bestimmt, von ihr abzugehen. Wenn daher das angefochtene Urteil die behauptete Nichtigkeit des erstrichterlichen Urteiles nicht als gegeben erachtet, so ist es einem Rechtsirrtum nicht verfallen.

Aber auch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens kann aus dem gerügten Vorgange des Erstgerichtes und seiner Billigung durch das Berufungsgericht nicht abgeleitet werden. Denn wenn das Erstgericht prozeßrechtlich einwandfrei vorgegangen ist, dann bildet der Ausschluß der Beklagten von einem weiteren Vorbringen eben eine Folge ihrer Säumnis, die vom Gericht gar nicht behoben werden konnte.

Unbegrundet ist auch die Rechtsrüge der Revision, wenn sie sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht an dem Auto des Klägers wegen der ihr angeblich zustehenden Forderungen aberkannt hat. § 970c ABGB. räumt ein solches Recht ausdrücklich nur den im § 970 bezeichneten Personen ein und zu diesen gehören Garagenbesitzer nur dann, wenn sie die Garagierung gewerbemäßig betreiben. Das ergibt sich aus dem Zweck des Gesetzes und dem Begriffe des Unternehmens (Swoboda - Klang zu § 970, III A 2; vgl. E. v. 12. Jänner 1937, SZ. XIX/6, und

v. 10. Oktober 1934, Rspr. Nr. 383). Da die Beklagte nicht das Garagierungsgewerbe betreibt, sondern Kohlenhändlerin ist, gilt für sie nicht § 970 ABGB., sondern § 1440 dieses Gesetzes, wonach in Verwahrung genommene Stücke kein Gegenstand der Zurückbehaltung sein können. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nicht anerkannt, obwohl es ihrem Vormanne N. zweifellos zustand.

Mit diesen Erwägungen widerlegt sich auch der Versuch der Revision, ein Zurückbehaltungsrecht für die Beklagte deshalb in Anspruch zu nehmen, weil diese entweder in den von N. abgeschlossenen Verwahrungsvertrag eingetreten sei und daher alle Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag übernommen habe oder aber das Auto ohne vertragliche Verpflichtung verwahrt habe und dann aus dem Gründe des Aufwandes das Zurückbehaltungsrecht geltend machen könne.

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