OGH 3Ob18/50

OGH3Ob18/5011.1.1950

SZ 23/4

Normen

ABGB §1330
Handelskammergesetz §66
ABGB §1330
Handelskammergesetz §66

 

Spruch:

§ 1330 Abs. 2 Satz 3 ABGB. setzt doloses Handeln voraus; der Nachweis obliegt dem Kläger.

Eingaben an die Handelskammer sind nicht als öffentliche Mitteilungen anzusehen.

Entscheidung vom 11. Jänner 1950, 3 Ob 18/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Behauptungen, der Kläger sei Parteimitglied (Mitglied der NSDAP.) und mit den höchsten Nazifunktionären eng befreundet gewesen, er hätte dadurch besondere Nutznießung aus dem Naziregime gezogen und hätte es verstanden, durch seine preußische Ellbogentaktik sich bei seinen österreichischen Angestellten unbeliebt zu machen, welche Behauptungen der Beklagte in einer am 11. Dezember 1946 an die Fachgruppe Büromaschinen der Kammer der gewerblichen Wirtschaft gerichteten Eingabe wahrheitswidrig aufgestellt habe, zu widerrufen, den Widerruf auf seine Kosten in der amtlichen "Wiener Zeitung" zu veröffentlichen und die weitere Verbreitung der unwahren Behauptungen zu unterlassen.

Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren Folge. Es stellte fest, daß der Kläger niemals Mitglied der NSDAP. gewesen sei, sondern nur einige Male ein Abzeichen getragen habe, von dem aber nicht feststehe, ob es das Parteiabzeichen gewesen sei, daß er nicht mit höchsten nationalsozialistischen Funktionären eng befreundet war, sondern nur angeblich Beziehungen "zum Rathaus" hatte, daß er aber hieraus keinen besonderen Nutzen gezogen habe, schließlich, daß der Kläger zwei Vertreter seines Unternehmens aus dem Betrieb entfernt habe, weil sie mit seinen Arbeitsmethoden nicht einverstanden waren und ihre Besprechung darüber während der Dienstzeit in Kaffeehäusern führten. Nach Meinung des Erstgerichtes sei daher der Sachverhalt dem § 1330 ABGB. zu unterstellen, da der Beklagte fahrlässig gehandelt habe, indem er es unterließ, sich bei amtlichen Stellen über die Parteimitgliedschaft des Klägers und die übrigen Umstände zu erkundigen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß es dem Beklagten, der wegen seiner politischen Gesinnung vom nationalsozialistischen Regime verfolgt und durch längere Zeit in einem KZ. festgehalten worden war, darum zu tun sei, der Entnazifizierung zu dienen, und er aus diesem Gründe der Kammer der gewerblichen Wirtschaft die in der Eingabe enthaltenen Mitteilungen gemacht habe, daß sowohl er als auch die Kammer, letztere im Hinblick auf die Bestimmungen des Verwaltergesetzes und des Nationalsozialistengesetzes, ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung hatten, und daß die Mitteilung nicht öffentlich erfolgte. Da weder behauptet noch bewiesen worden sei, daß der Beklagte die Anzeige nur aus Konkurrenzgrunden und in sittenwidriger Weise erstattet habe, sei das Klagebegehren nicht gerechtfertigt.

Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich die Revision zunächst gegen die Annahme des Berufungsgerichtes, die Mitteilung sei nicht öffentlich vorgebracht mit der Behauptung, das Schreiben sei an die Fachgruppe "Büromaschinen" der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie gerichtet gewesen, wobei sich der Beklagte des Umstandes bewußt sein mußte, daß dieses Schreiben im Geschäftsgange einer großen Anzahl von Büroangestellten und den Mitgliedern der Kommission zur Kenntnis gelangen müsse, daß die Kammer keine Behörde sei und daher für die Angestellten keine Verschwiegenheitspflicht bestehe.

Was zunächst die letztere Behauptung anlangt, so ist auf die Bestimmung des § 66 des Handelskammergesetzes vom 24. Juli 1946, BGBl. Nr. 182, zu verweisen, nach der für alle Funktionäre und das gesamte Personal der nach dem erwähnten Gesetz gebildeten Körperschaften Verschwiegenheitspflicht besteht. Wie bereits in der Entscheidung AnwZ. 1934, S. 72, zum Ausdruck gebracht wurde, kann eine Anzeige an die zuständige Standesbehörde (in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Falle handelt es sich um die Rechtsanwaltskammer) nicht als öffentliche Verbreitung angesehen werden, weil der Anzeigende berechtigt ist anzunehmen, daß die Mitglieder der Standesbehörde sich an die bestehende Verschwiegenheitspflicht halten werden (im gleichen Sinne Ehrenzweig, II/1, S. 660). Im Hinblick auf die gesetzlich festgelegte Verschwiegenheitspflicht ist es daher im vorliegenden Falle ohne rechtliche Bedeutung, ob die Handelskammer als Behörde oder als Körperschaft öffentlichen Rechtes anzusehen ist, ebenso auch, ob die Mitteilung einer unbestimmten Menge von Personen, wobei aber nur Funktionäre und Angestellte der Kammer in Betracht kommen, zur Kenntnis kommen konnte, da alle diese Personen unter Verschwiegenheitspflicht stehen. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Mitteilung nicht öffentlich vorgebracht wurde, ist daher frei von Rechtsirrtum.

Die Revision vertritt weiters die Rechtsmeinung, die Haftung sei auch bei einem dem letzten Satz des § 1330 Abs. 2 ABGB. zu unterstellenden Sachverhalt dann gegeben, wenn eine grobe Fahrlässigkeit vorliege. Diese Rechtsansicht ist unrichtig und steht mit dem letzten Satz der bezogenen Gesetzesstelle in Widerspruch, aus dem sich eindeutig ergibt, daß unter den dort angeführten Umständen eine Haftung nur dann eintritt, wenn der Mitteilende die Unwahrheit seiner Mitteilung kannte, also dolos gehandelt hat. Der bezogene Schlußsatz schließt die im Eingange des 2. Absatzes des § 1330 ABGB. angeordnete Haftung für Fahrlässigkeit ("kennen müssen") aus (SZ. XVII/68; Begründung zur dritten Teilnovelle, JMVBl. 1916, S. 120; Herrenhausbericht zur III. Teilnovelle, 78 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen der XXI. Session, S. 280).

Daß der Beklagte die Unwahrheit seiner Behauptungen kannte, hat der Kläger nicht nur zu behaupten, sondern auch zu beweisen (SZ. XXI/35). Der Kläger hat wohl in der Klage behauptet, daß der Beklagte seine Beschuldigungen wider besseres Wissens vorgebracht habe, er hat aber für diese Behauptung, wie bereits oben erwähnt, Beweise nicht einmal angeboten. Daraus, daß der Beklagte nach Klagseinbringung in einem Schreiben der Fachgruppe vom 11. Jänner 1947 (die Klagseinbringung erfolgte am 10. Jänner 1947) davon verständigt wurde, daß der Kläger sein Beweismaterial in einem Schriftsatz beigebracht habe, kann keineswegs erschlossen werden, daß der Beklagte im Zeitpunkte der Absendung seiner Eingabe vom 11. Dezember 1946 die Unwahrheit der in dieser Eingabe enthaltenen Behauptungen kannte. Wenn der Beklagte in seiner Klagebeantwortung seine Behauptungen bekräftigt und unter Beweis gestellt hat, so hat er damit lediglich von seinem Rechte, sich gegen die Klage im Rechtsstreit zur Wehr zu setzen, Gebrauch gemacht. Ob aber der Beklagte in der Lage gewesen wäre, sich vor Absendung seiner Eingabe von der Unrichtigkeit seiner Behauptungen zu überzeugen, ist für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung, da im Falle des letzten Absatzes des § 1330 Abs. 2 ABGB. eine Haftung für Fahrlässigkeit nicht bestehe. Die Annahme des Berufungsgerichtes, daß sowohl der Beklagte als auch der Empfänger der Mitteilung, die Fachgruppe Büromaschinen der Handelskammer, ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung hatten, wurde von der Revision lediglich mit der Begründung bekämpft, der Beklagte habe das Schreiben nur deshalb verfaßt, um den Kläger zu schädigen und dessen Existenz zu vernichten. Da dieses Vorbringen der Revision von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen, an die das Revisionsgericht gebunden ist, abweicht, kann es keine Beachtung finden; aus diesem Gründe gehen auch die Ausführungen der Revision, soweit sie sich auf die Bestimmung des § 1295 Abs. 2 ABGB. beziehen, ins Leere.

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