OGH 1Ob551/49

OGH1Ob551/4923.11.1949

SZ 22/182

Normen

ABGB §1090
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §22
Mietengesetz §19 Abs2 Z10
ABGB §1090
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §22
Mietengesetz §19 Abs2 Z10

 

Spruch:

Ein Bestandvertrag mit einer Handelsgesellschaft bleibt in der Regel durch den Wechsel der Gesellschafter, die Umwandlung in eine Einzelfirma oder Weiterveräußerung des Unternehmens unberührt, wofern das bisherige Unternehmen weitergeführt wird, desgleichen im Falle einer Unternehmensverpachtung.

§ 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. ist in solchen Fällen nicht anwendbar.

Entscheidung vom 23. November 1949, 1 Ob 551/49.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Mit der am 13. Dezember 1948 überreichten Kündigung hat Anna K. als Alleineigentümerin des Hauses Graz, K.gasse 22, der protokollierten Firma "F.-Handelsgesellschaft für Mineralölprodukte B. & Ing. N."

zuhanden des mit Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 22. Jänner 1949 bestellten Abwesenheitskurators Dr. Alfred E. die im Hause Graz, K.gasse 22, ebenerdig, gegen vierteljähige Kündigung gemieteten Geschäftsräumlichkeiten, bestehend aus einem gassenseitigen Geschäftslokal (Gewölbe) samt anschließendem Magazin, Kellerabteilung und Bodenabteil, ferner separierter Hofhütte, für den 1. Mai 1949 gerichtlich aufgekundigt. Als Kündigungsgrund wurde § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. geltend gemacht.

Die gekundigte Partei hat rechtzeitig Einwendungen erhoben und kostenpflichtige Aufhebung der Kündigung begehrt, da keinerlei Weitervermietung vorliege, sondern der die Firma faktisch allein führende B. zufolge dringender familärer Angelegenheiten sich nach Jugoslawien habe begeben müssen und zur Überbrückung zwei stille Gesellschafter in die Gesellschaft aufgenommen habe.

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 6. Juli 1949 die Kündigung aufgehoben; das Berufungsgericht hat in Abänderung des erstrichterlichen Urteils die Kündigung für rechtswirksam erkannt. Der Oberste Gerichtshof stellte die erstrichterliche Entscheidung wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist begrundet.

Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß B. den Beklagten nicht nur das Geschäftslokal, sondern auch das Geschäft überlassen habe. Wird aber von dieser Feststellung ausgegangen, so liegt eine Überlassung im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. nicht vor.

Wenn ein Mietvertrag mit einer Gesellschaftsfirma abgeschlossen worden ist und der Bestandvertrag nicht geradezu auf die Person der einzelnen Gesellschafter beschränkt wurde, so bedarf es nach der Entscheidung vom 17. Juni 1930, ZBl. 1930, Nr. 325, bei einem Wechsel in der Person der Gesellschafter zum Übergang der Mietrechte auf neue Gesellschafter nicht einer neuerlichen Zustimmung des Vermieters. Diese Zustimmung ist vielmehr mangels gegenteiliger Verabredung schon von vornherein durch den Abschluß mit der Firma als erteilt anzusehen. Der Oberste Gerichtshof kommt zu dieser Auslegung insbesondere in der Erwägung, daß bei der Miete eines Geschäftslokales in der Regel die Person des Mieters gegenüber dem Unternehmen in den Hintergrund tritt und daher ein Wechsel in der Person der Inhaber des Unternehmens das Bestandverhältnis nicht berührt. Diese in der Entscheidung vom 17. Juni 1930 dargelegten Grundsätze müssen aber wegen der Rechtsgleichheit der Gründe auch dann gelten, wenn die Gesellschaftsfirma durch Austritt der übrigen Gesellschafter, wie diesmal, sich in eine Einzelfirma umgewandelt hat, mag diese Umwandlung im Handelsregister eingetragen sein oder nicht, und wenn der Einzelinhaber dann das Unternehmen samt Geschäftslokal an Dritte weiterveräußert. Auch in diesem Fall gilt der von der vorbezogenen Entscheidung aufgestellte Rechtssatz, daß weder Weitervermietung noch gänzliche Untervermietung an einen Dritten vorliegt, sondern die Fortsetzung durch den nunmehrigen Inhaber. Nur dann wäre, wie die wiederholt angeführte Entscheidung ausführt, anders zu entscheiden, wenn die vorgeschützte Überlassung des Unternehmens nur als Mittel benützt worden ist, um die Geschäftsräume unter Aufhebung des bisherigen Unternehmens dem Betrieb eines anderen Unternehmens zuzuführen. Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein, weil gar nicht behauptet worden ist, daß der Betriebsgegenstand des Unternehmens geändert worden sei.

Ebensowenig kommt dem Umstand Bedeutung zu, daß die bisherigen Unternehmensinhaber das Unternehmen samt Geschäftslokal den sogenannten stillen Gesellschaftern L. und H. gegen Zahlung eines fixen Betrages, der die Miete übersteigt, überlassen haben.

Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 18. Jänner 1934, GH. 1934, S. 52, dargelegt hat, legt das Mietengesetz dem Inhaber eines Unternehmens keine Beschränkung in der Richtung auf, sein Unternehmen nicht an Dritte verpachten zu dürfen; es müsse dem Mieter überlassen bleiben, in welcher Weise er aus dem von ihm in den Bestandräumen betriebenen Unternehmen Nutzen ziehe, weil er sonst in der freien Verwertung seines Unternehmens beschränkt wäre, wofür das Gesetz keinen Anhaltspunkt biete. Der Oberste Gerichtshof ist daher in der Entscheidung vom 18. Jänner 1934 zu dem Schluß gekommen, daß durch einen übermäßig hohen Zins sich nur der Pächter (des Unternehmens) beschwert erachten könne, niemals aber der Vermieter des Geschäftslokales, da dessen Interessen durch den hohen Pachtzins nicht berührt werden und daß ihm daher das Recht fehle, aus diesem Gründe den Bestandvertrag zu kundigen.

Es kann nun dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Falle eine verschleierte Unternehmensverpachtung vorliegt oder eine Vergesellschaftung, durch die die neuaufgenommenen stillen, also nach außen nicht hervortretenden Gesellschafter intern den Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr übernommen und den Verpächter mit einem pauschalierten, allmonatlich zu zahlenden Betrag abgefunden haben, mag diese Konstruktion aus dem Gründe gewählt worden sein, um dem Bestandnehmer das nach der Praxis bei Unternehmensverpachtungen nicht zutreffende freie Kündigungsrecht zu sichern oder aus anderen Gründen. Das wesentliche ist, daß der Beklagte an der Fruktifizierung seines Unternehmens, wie bei der Verpachtung, wirtschaftlich beteiligt bleibt, wobei es nicht von wesentlicher Bedeutung ist, ob die Beteiligung als Gewinn- und Verlustbeteilung anzusehen ist oder als Bezugsrecht auf einen Pachtzins.

Bei der Verpachtung und bei der Überlassung des Unternehmens gegen Gewinn- und Verlust- oder nur Gewinnbeteiligung ist freilich immer vorausgesetzt, wie in der Entscheidung vom 18. Jänner 1934 in Übereinstimmung mit der Entscheidung vom 17. Juni 1930 dargelegt ist, daß es sich um eine Überlassung des Unternehmens handelt. Wurde eine solche nur vorgeschoben, um eine Verwertung der Geschäftsräume allein zu verdecken, so läge eine vom Gesetz verpönte selbständige Verwertung der Bestandsache vor, die eventuell den Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. rechtfertigen würde.

Davon kann aber im vorliegenden Falle nicht nur deshalb keine Rede sein, weil den stillen Gesellschaftern ein im Betrieb befindliches Unternehmen überlassen und von diesen mit den Warenvorräten und Geschäftseinrichtungen fortgeführt wird, sondern auch deshalb, weil nach dem Vertrag das Unternehmen nach außen unter dem Namen der Bestandnehmer weitergeführt werden sollte, der Inhaber der Firma daher dritten Personen gegenüber die Alleinhaftung für alle Verbindlichkeiten übernahm und Gefahr lief, wenn das Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geriet, für die Schulden mit seinem Privatvermögen, das nach erstrichterlicher Feststellung nicht unbeträchtlich sein soll, aufkommen zu müssen. Schon mit Rücksicht auf dieses übernommene Risiko erscheint die Zusicherung eines fixen Reinertragsanteiles wirtschaftlich gerechtfertigt, ohne daß aus dieser Tatsache der Schluß gezogen werden dürfte, daß der Bestandnehmer durch den Vertrag vom 13. Juli 1948 den Versuch unternommen habe, das Geschäftslokal an dritte Personen zu überlassen.

Von einer Überlassung des Geschäftslokales, was § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. voraussetzt, kann endlich auch schon deshalb keine Rede sein, weil der Vertrag zeitlich begrenzt ist und nach Ablauf der Vertragsdauer von einem Jahre die stillen Gesellschafter wieder aus der Gesellschaft ausscheiden und das Unternehmen wieder an den Beklagten zurückfallen sollte.

Auch aus dem Umstand, daß N. schon lange aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, läßt sich kein Argument zugunsten der Auffassung des Berufungsgerichtes gewinnen; das Ausscheiden N.s hatte nur zur Folge, daß das Unternehmen auf B. allein übergegangen ist und daß er daher, wie oben dargelegt, nunmehr als Mieter des Lokales anzusehen ist. Da er nicht über das Lokal, sondern über das Unternehmen verfügt hat und auch über dieses nur zeitlich begrenzt, wobei er weiter daran wirtschaftlich beteiligt bleibt, kommt § 19 Abs. 2 Z. 10 MietG. nicht zur Anwendung.

Endlich ist auch der Umstand bedeutungslos, daß die stillen Gesellschafter tatsächlich ihren eigenen Namen an Stelle der Firma des Bestandnehmers verwendet haben. Die Firmierung unter eigenem Namen hat für die sogenannten stillen Gesellschafter nur die Folge, daß sie den Geschäftsgläubigern persönlich haften. Für das Verhältnis zum Bestandnehmer, mag es als Unternehmenspacht oder sonstwie bezeichnet werden, ist dieser Umstand bedeutungslos, schon deshalb, weil Pachtunternehmen unter der Firma des Verpächters oder der des Pächters weitergeführt werden können (§ 22 Abs. 2 HGB.).

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