OGH 3Ob358/49

OGH3Ob358/4916.11.1949

SZ 22/178

Normen

ABGB §547
Mietengesetz §19 Abs2 Z5
Mietengesetz §19 Abs3
ABGB §547
Mietengesetz §19 Abs2 Z5
Mietengesetz §19 Abs3

 

Spruch:

Ein Erbübereinkommen ist kein Geschäft zwischen Lebenden im Sinne des § 19 Abs. 3 MietG.

Entscheidung vom 16. November 1949, 3 Ob 358/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Prozeßgericht hat die auf den Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. gestützte Aufkündigung der Klägerin für rechtsunwirksam erklärt.

Infolge Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Urteil des Prozeßgerichtes aufgehoben und die Sache unter Rechtskraftvorbehalt zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurückverwiesen.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Rekurs der beklagten Parteien nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich folgender Sachverhalt: Der im Jahre 1935 verstorbene Hugo M. hat in seinem Testamente seinen Sohn Erich M. zum Universalerben eingesetzt und seinen beiden Töchtern Charlotte Hö. und Ruth Ha. je eine Geldrente ausgesetzt. Am 16. Juni 1937, u. zw. noch vor der Einantwortung des Nachlasses, schloß Erich M., der sich auf Grund des Testamentes zum Erben erklärt hatte, mit seinen Schwestern Charlotte Hö. und Ruth Ha. einen Vergleich, in welchem er diesen Schwestern zur Befriedigung aller ihrer Erbansprüche eine Liegenschaft je zur Hälfte überließ. Sodann schlossen die beiden Schwestern hinsichtlich dieser Liegenschaft ein Teilungsübereinkommen, in welchem Charlotte Hö. das Haus, in welchem der gekundigte Mietgegenstand liegt, als Alleineigentum zugewiesen erhielt. Im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung wurde das Eigentum der Charlotte Hö. auf diesem Hause grundbücherlich einverleibt.

Das Prozeßgericht ging bei seiner Entscheidung von der Rechtsansicht aus, daß die Klägerin das Haus, in welchem der gekundigte Mietgegenstand liegt, durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, nämlich durch den mit ihrem Bruder Erich M. am 16. Juni 1937 abgeschlossenen Vergleich, erworben hat und daß daher die Voraussetzung des § 19 Abs. 3 MietG. für die Geltendmachung des Kündigungsgrundes des § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. nicht gegeben sei.

Das Berufungsgericht sprach die Rechtsansicht aus, daß die Klägerin sich auf den Kündigungsgrund des Eigenbedarfes stützen könne, weil der Erbvergleich vom 16. Juni 1937 noch vor der Einantwortung des Nachlasses geschlossen worden sei, der Erbe Erich M. nach § 547 ABGB. in Beziehung auf dritte Personen den Erblasser darstellte und daher die Sache so beurteilt werden müsse, als wenn der Erblasser selbst das Rechtsgeschäft mit seinen Töchtern abgeschlossen hätte. Die Klägerin sei schon mit Rücksicht darauf, daß sie die Hälfte des Hauses von ihrem Vater erworben habe, zufolge der Bestimmung des § 19 Abs. 3 MietG. zur Geltendmachung des Kündigungsgrundes des Eigenbedarfes berechtigt, sie sei überdies gegenwärtig Alleineigentümerin des Hauses.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes war, wenn auch teilweise aus anderen Gründen, zu bestätigen.

Dem § 19 Abs. 3 MietG. liegt folgender Gedanke zugrunde: Der Hauseigentümer, der das Haus, in welchem der Mietgegenstand liegt, nach dem 31. Juli 1914 (bzw. in Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern nach dem 31. Dezember 1917) erworben hat, soll grundsätzlich nicht berechtigt sein, den Kündigungsgrund des Eigenbedarfes nach § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. geltend zu machen. Eine Ausnahme ist nur dann zulässig, wenn der Eigentümer das Haus nach dem oben angeführten Zeitpunkte entweder im Erbwege oder durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden von einem Verwandten in gerader Linie oder von seinem Ehegatten erworben hat. Der § 19 Abs. 3 MietG. spricht zwar nicht ausdrücklich aus, daß in diesen beiden Ausnahmsfällen der neue Eigentümer nicht berechtigt ist, den Kündigungsgrund des Eigenbedarfes des § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Eigentumserwerbes seines Vormannes geltend zu machen, sondern daß er nur die Vorbesitzerzeit seines Vormannes anrechnen dürfe, doch ist nicht zweifelhaft, daß diese Gesetzesstelle in dem oben angeführten Sinne ausgelegt werden muß, weil nicht anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber den neuen Eigentümer in diesen beiden Fällen besser stellen wollte als seine Vorbesitzer.

Im vorliegenden Falle steht nun fest, daß Erich M. als Erbe des früheren Eigentümers Hugo M. mit den Töchtern des Erblassers Charlotte Hö. und Ruth Ha. noch vor der Einantwortung des Nachlasses, u. zw. am 16. Juni 1937, einen Vergleich geschlossen hat, in welchem das Eigentumsrecht an der oben angeführten Nachlaßliegenschaft beiden Töchtern des Erblassers zur Befriedigung ihrer Erbansprüche je zur Hälfte überlassen wurde, und daß sodann die Klägerin auf Grund eines mit ihrer Schwester Ruth Ha. geschlossenen Teilungsübereinkommens das Alleineigentum an dem Hause, in welchem der Mietgegenstand liegt, erlangt hat. Demnach hat die Klägerin das Eigentumsrecht an der Hälfte des gegenständlichen Hauses im Erbrechtswege nach ihrem Vater zur Befriedigung ihrer Erbansprüche, somit auf eine nach § 19 Abs. 3 MietG. begünstigte Erwerbsart erlangt. Es kann nicht von der Annahme ausgegangen werden, daß die Klägerin die Hälfte des Hauses von ihrem Bruder Erich M. durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, da dieser zur Zeit des Abschlusses des Vergleiches vom 16. Juni 1937 nicht Eigentümer dieses Hauses war. Daraus ergibt sich, daß die Klägerin zur Geltendmachung des Kündigungsgrundes des Eigenbedarfes nach § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. berechtigt war. Daß der Vorbesitzer der Klägerin das Haus erst nach dem 31. Juli 1914 erworben hat, wurde von den Beklagten nicht eingewendet. Das Prozeßgericht war daher verpflichtet, zu prüfen, ob der von der Klägerin geltend gemachte Kündigungsgrund des Eigenbedarfes vorliegt. Da dies unterlassen wurde, hat das Berufungsgericht mit Recht das Urteil des Prozeßgerichtes aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

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