OGH 1Ob417/49

OGH1Ob417/4923.9.1949

SZ 22/140

Normen

ABGB §154
EheG §68
EheG §69
EheG §71
ZPO §502
ZPO §530 Abs1 Z7
ABGB §154
EheG §68
EheG §69
EheG §71
ZPO §502
ZPO §530 Abs1 Z7

 

Spruch:

Zur Rangordnung der Unterhaltspflichtigen nach dem § 68 EheG. im Gegensatz zu § 71 EheG.

Entscheidung vom 23. September 1949, 1 Ob 417/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Wels; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Das Landgericht Wels hat mit Urteil vom 20. Juni 1942 die zwischen den Streitteilen am 27. Dezember 1920 geschlossene Ehe aus dem Verschulden beider Streitteile geschieden und dabei ausgesprochen, "daß kein Verschulden überwiege". Diese Entscheidung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 17. September 1942 bestätigt. Am 31. Juli 1941 hatten die Streitteile vor dem Amtsgericht Vöcklabruck im Zuge eines Unterhaltsprozesses einen Vergleich geschlossen, in dem die Unterhaltsleistung des derzeitigen Beklagten an die Klägerin mit 40 RM monatlich festgelegt wurde. Es ist unbestritten, daß der Beklagte auf Grund eines vor dem Bezirksgerichte Wels im Jahre 1946 geschlossenen Vergleiches an die Klägerin 20 S monatlich - auch seit Einbringung der vorliegenden Unterhaltsklage - bezahlt.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen des Obersten Gerichtshofes:

Das Erstgericht hat der auf § 68 EheG. gestützten Klage Folge gegeben und einen Unterhaltsbeitrag von 70 S monatlich der Klägerin zuerkannt, wobei es von der Rechtsansicht ausging, daß der Beklagte vor den unterhaltspflichtigen Verwandten der Klägerin hafte (§ 71 Abs. 1 erster Satz EheG.).

Das Berufungsgericht hat der Berufung des Beklagten Folge gegeben und das Klagebegehren abgewiesen.

Es stand hiebei auf folgendem Rechtsstandpunkt: Die letzterwähnte Gesetzesstelle finde im Falle des § 68 EheG. keine Anwendung. Denn einerseits spreche § 71 Abs. 1 erster Satz EheG. ausdrücklich vom "unterhaltspflichtigen" geschiedenen Ehegatten, während es sich im Falle des § 68 EheG. lediglich um eine nach Billigkeitsgrundsätzen fakultativ zu gewährende Beitragsleistung handle. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes erhält die Klägerin von zwei der mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden drei volljährigen und erwachsenen Kinder monatlich 450 S dafür, daß sie diesen drei Kindern die Wirtschaft führt, wodurch auch ihr Unterhalt mitbestritten wird. Es bestehe kein Anlaß für den Zuspruch eines Unterhaltsbeitrages im Sinne des § 68 EheG., weil die Kinder J. und H. in der Lage wären, eine den Gesamtbetrag von 450 S monatlich übersteigende Geldleistung für ihre Mutter zu erbringen. Das Erstgericht hat nämlich festgestellt, daß die Kinder J. und H. im Monat insgesamt folgende Beträge verdienen: J. 600 S, H. 450 S (wovon ersterer der Mutter 250 S und letztere 200 S monatlich übergibt), während der Sohn E., der gleichfalls mit der Mutter im gemeinsamen Haushalt lebt, als Landarbeiter bei freier Station noch 150 S monatlich verdient, von welchem Betrag ihm jedoch nur 100 S verbleiben, weil er 50 S als Unterhalt für ein außereheliches Kind zu bezahlen hat. Nach der Meinung des Berufungsgerichtes kann die Mutter von den Kindern J. und H. schon deshalb einen höheren Betrag verlangen, weil sie eine Vergütung für die von ihr für diese Kinder zu leistenden haushaltlichen Verrichtungen beanspruchen kann, da sie, obwohl sie erst 49 Jahre alt ist, wegen ihrer Betätigung im Haushalte einem eigenen Erwerb nicht nachzugehen vermag. Kränklichkeit der Klägerin wurde nicht behauptet. Schließlich haben die Untergerichte festgestellt, daß der Beklagte zur Zeit der Urteilsfällung erster Instanz über ein monatliches Reineinkommen von 676.81 S verfügte und für eine Ehefrau und ein Kleinkind von zwei Jahren zu sorgen hat.

Zunächst erachtet der Oberste Gerichtshof, obwohl es sich um einen Unterhaltsprozeß handelt, die Revision der Klägerin für zulässig, weil die zweite Instanz entgegen dem Erstgerichte erkannt hat, daß eine Unterhaltsverpflichtung des Beklagten dem Gründe nach nicht besteht. Es handelt sich also nicht darum, daß das Erstgericht einen Unterhalt von 70 S monatlich ausgemessen und das Berufungsgericht diesen Unterhaltsbetrag auf Null herabgesetzt hat; es ist somit nicht die Höhe des Unterhaltsbetrages strittig (§ 502 Abs. 2 ZPO.), sondern es steht die Unterhaltspflicht selbst dem Gründe nach nicht fest (1 Ob 288/49, SZ. XXII/95).

Ferner war - von Amts wegen - der Umstand beachtlich, daß der Beklagte im Jahre 1941, somit vor dem Ehescheidungsverfahren, einen Unterhaltsvergleich abgeschlossen hat. Die Wirkung dieses Vergleiches fand mit der Rechtskraft des Ehescheidungsurteiles - mangels anderer Regelung - ihr Ende.

Weiters ist zu berücksichtigen, daß die Streitteile im Jahre 1946 vor Gericht einen Unterhaltsvergleich geschlossen haben. Darum steht der Klägerin schon nach dem Verbot der Häufung der Exekutionstitel - soweit der Unterhaltsbetrag im vorliegenden Rechtsstreite durch den zuletzt erwähnten Exekutionstitel gedeckt erscheint - ein Klagsanspruch nicht zu; denn es wurde von keiner Partei behauptet, daß dieser Exekutionstitel erloschen sei. Es bleibt daher der Klägerin vorbehalten, vom genannten Exekutionstitel Gebrauch zu machen. Dies vorausgeschickt, ist zum allein geltend gemachten Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung Stellung zu nehmen.

Die Revision ist nicht begrundet.

Sie versucht unter Außerachtlassung der Unterhaltsbestimmungen nach dem Ehegesetz 1938, fußend auf den Voraussetzungen des § 154 ABGB., darzutun, daß Unterhaltsleistungen der Verwandten der Klägerin erst dann einzutreten haben, wenn beide Elternteile in Dürftigkeit verfallen sind. Im vorliegenden Falle aber handelt es sich nicht um einen Unterhaltsstreit zwischen Eltern und Kindern, sondern zwischen geschiedenen Ehegatten. Es ist dem Berufungsgerichte vollkommen beizupflichten, daß die Rangordnung des § 71 EheG. im Falle des § 68 EheG. nicht Platz zu greifen hat. Denn letztere Gesetzesstelle geht davon aus, daß ein überwiegendes Verschulden bei keinem Eheteil festgestellt wurde, während erstere Gesetzesstelle bereits einen unterhaltspflichtigen Ehegatten im Auge hat, also nicht einen solchen, der wie im § 68 EheG. bloß aus Billigkeitsgrunden zur Unterhaltsleistung verhalten werden kann. Diese Grundsätze ergeben sich einwandfrei aus dem Gesetzestext selbst. Die grundsätzliche Lösung dieser Anspruchskonkurrenz lautet: Der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte haftet vor den unterhaltspflichtigen Verwandten des berechtigten Ehegatten (Volkmar - Antoni, S. 273 unten, vorletzter Absatz, ebenso Scanzoni, Ehegesetz, 1943, S. 255). Offenbar lag beim Erstgerichte eine Verwechslung mit dem Billigkeitsgrundsatz des § 69 Abs. 2 EheG. vor.

Steht aber der zur Anwendung kommende Grundsatz und damit die Rangordnung für die zur Unterhaltsleistung Heranzuziehenden fest, so war nur noch zu prüfen, ob auf Grund der Feststellungen der Untergerichte über die Leistungsfähigkeit der Verwandten der Klägerin, das ist ihrer Kinder, diesen eine Unterhaltsleistung an die Mutter zumutbar ist. Der rechtliche Schluß des Berufungsgerichtes, wonach eine solche zumutbare Leistung seitens der Kinder J. und H. gegeben ist, ist gleichfalls zu billigen. Demgegenüber müssen (derzeit wenigstens) die Erwägungen der Revision, wonach J. und H. in die Lage versetzt werden müssen, Anschaffungen für einen künftigen Hausstand zu machen, zurücktreten. Erst wenn die Leistungen der Kinder nicht ausreichen würden, die Dürftigkeit der Mutter zu beheben, kann die Unterhaltsleistung des Beklagten in Erwägung gezogen werden.

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